Frage an Klaus Buchner bezüglich Europapolitik und Europäische Union

MdEP Prof. Dr. Klaus Buchner
Klaus Buchner
ÖDP
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Frage von Josef B. •

Frage an Klaus Buchner von Josef B. bezüglich Europapolitik und Europäische Union

Sehr geehrter Herr Prof. Buchner,

bitte nennen Sie mir die Gründe, warum Sie gegen den EU-Reformvertrag klagen.

Mit freundlichen Grüßen
Josef Brenner

MdEP Prof. Dr. Klaus Buchner
Antwort von
ÖDP

Sehr geehrter Herr Brenner,

die ödp setzt sich mit Nachdruck für den Erhalt der Demokratie, für soziale Gerechtigkeit und für den Frieden ein. Gerade weil wir ein Europa bauen wollen, das den Frieden erhält, wenden wir uns entschieden gegen den "Reformvertrag" von Lissabon. Denn er schreibt in Art. 42 EUV die "Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik" verpflichtend vor. Diese lässt Kriege um Erdölquellen zu. Der Einsatz von Kernwaffen wird keineswegs ausgeschlossen. Und mit dem Vorwand, "Frieden zu schaffen", wie es in Art. 42 und 43 EUV formuliert wird, lässt sich so ziemlich jeder Militäreinsatz im Ausland rechtfertigen.

Nach dem Vertrag von Lissabon, genauer nach Art 38 EUV, liegt das Oberkommando über die Bundeswehr künftig bei der EU. Deshalb gelten für ihre Einsätze nicht mehr die strengen Menschenrechtskonventionen der Vereinten Nationen, sondern nur noch die EU-Charta und die Europäische Menschenrechtskonvention. Letztere legt in Art. 2 fest: " ... Niemand darf absichtlich getötet werden. ... Eine Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie durch eine Gewaltanwendung verursacht wird, die unbedingt erforderlich ist, um ... einen Aufruhr oder Aufstand rechtmäßig niederzuschlagen." Das bedeutet, dass das brutale Eingreifen Chinas in Tibet, das Vorgehen der Regierung in Birma gegen die Mönche und vor allem der Plan Honeckers, 1989 die friedliche Revolution in der DDR niederzuschießen, in Zukunft bei uns erlaubt sein werden. Dazu kann nach Art 222 AEUV sogar die Bundeswehr eingesetzt werden.

Der Vertrag von Lissabon hat nicht nur militärische Aspekte. In Art. 151 AEUV steht die Sozialpolitik unter dem Vorbehalt, dass sie "die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft der Union zu erhalten" habe. Das Interesse der Wirtschaft hat also Vorrang vor der Sozialpolitik.

Der Vertrag von Lissabon verletzt auch elementare demokratische Prinzipien. Darauf bin ich in der Antwort zur vorausgehenden Frage kurz eingegangen.

Wollen wir wirklich ein Europa, das unsere demokratischen und sozialen Errungenschaften mit einem Streich aufgibt und das eine ernste Gefahr für den Frieden darstellt?

Mit freundlichen Grüßen
Klaus Buchner