Frage an Klaus Ernst bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Klaus Ernst
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Frage von Stephan S. •

Frage an Klaus Ernst von Stephan S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Als katholischer Christ und als Wähler der Linkspartei hat mich das Verhalten eines großen Teils der Linksfraktion im Bundestag hinsichtlich des Besuches von Papst Benedikt XVI. vollkommen entäuscht. Ein lupenreiner Demokrat, welcher nicht ganz so lupenrein ist und in Tschetschenien einen blutigen Krieg führte, wurde seinerzeit mit standing ovations verabschiedet.

http://www.bundestag.de/kulturundgeschichte/geschichte/gastredner/putin/index.html

Papst Benedikt als auch sein Vorgänger haben sich vehement gegen Kriege als politische Konfliktlösung gewandt!

Man kann verschiedene Lehren der Katholischen Kirche kritisch hinterfragen, dies tue ich als katholischer Christ auch, aber sollte es nicht der Respekt und auch der Anstand gegenüber dem Oberhaupt der Katholischen Kirche und politischen Oberhaupt des Vaticans gebieten, auf solche Aktionen, wie eben geschehen zu verzichten?

Wenn man sich die Lehren Jesu verinnerlicht, kommt man nicht umhin, festzustellen, daß es für einen Christen nicht schwierig ist, sich mit den Zielen der Linkspartei zu identifizieren.

Leider frage ich mich nun, inwieweit sich meine politische Heimat noch in der Symathie für die Linke befinden kann und ob ich meine vielleicht unbedeutende Wählerstimme bei den nächsten Wahlen anders einsetzen werde.

Wie stehen Sie persönlich in der Frage Bundestagsrede Benedikt XVI. (jetzt auch aus der Retrospektive) und mit welchen Argumenten würden Sie mich überzeugen wollen, mein bisheriges Wahlverhalten nicht zu ändern?

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Sehr geehrter Herr Schreiter,

jeder Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE hat für sich persönlich entschieden, ob er der Rede des Papstes im Deutschen Bundestag folgen wollte oder dieser fernbleibt. Ich habe für mich schon sehr frühzeitig entschieden, dass ich der Rede im Deutschen Bundestag folgen möchte - aus Interesse und aus Respekt.

Entgegen Ihrer Einschätzung hat DIE LINKE, dem wie Sie es formulieren "lupenreinen Demokrat" Wladimir Putin, im Deutschen Bundestag weder applaudiert noch haben wir dessen Rede im Parlament verfolgt. DIE LINKE war zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht im Deutschen Bundestag vertreten -existierte zu dieser Zeit noch gar nicht. Der Vorwurf diese Rede verfolgt zu haben, den Papst aber boykottiert zu haben, kann also nur die anderen Fraktionen im Deutschen Bundestag meinen.

Diejenigen, die sich vom Besuch des Papstes moralische Orientierungshilfe für die großen Fragen der Zeit erhofft haben, sind enttäuscht worden. Benedikt XVI. ist anders als sein Vorgänger kein weltzugewandter Papst für den Alltag sondern ein Papst für die Kirche. Das ist nicht zu kritisieren, aber es reicht eben auch nicht aus, um der Gesellschaft in schwierigen Zeiten eine Orientierungshilfe zu geben.

Johannes Paul II. hat sich oft und mit Engagement zu den Fragen der Zeit geäußert. Ich denke zum Beispiel an die Sozialenzyklika über die Arbeit von 1981, in der er das Prinzip des Vorrangs der Arbeit vor dem Kapital und die Forderung nach dem Mitbesitz der Arbeiter an den Produktionsmitteln formuliert hat.

Das Schweigen des Papstes zu den entfesselten Finanzmärkten und ihren verheerenden Wirkungen auf die Gesellschaft ist dröhnend laut. Die größte Frage unserer Zeit lautet, wie wir die entfesselten Finanzmärkte wieder auf eine moralische Grundlage stellen können. Heute bestimmen an den Börsen Banker über das Schicksal der Welt und kennen dabei nur die Gefühle Gier und Angst. Es wird immer klarer: Der Finanzmarktkapitalismus ist mit der Demokratie genauso wenig vereinbar wie mit Moralvorstellungen und christlichen Werten. Der Besuch in Deutschland, im Auge des Orkans dieser Finanzkrise, wäre ein Anlass für ein deutliches Wort zu diesen Fragen gewesen. Es ist ausgeblieben, und das ist auch für mich enttäuschend.

Allein wenn Sie sich die Situation an den Finanzmärkten und die Vorschläge der anderen Parteien zur Lösung der Krise ansehen, sollten Sie überzeugt sein, dass Sie in der Vergangenheit die richtige Entscheidung an der Wahlurne gefällt haben.

Mit freundlichen Grüßen,
Klaus Ernst

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