Frage an Manuel Sarrazin bezüglich Finanzen

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Manuel Sarrazin
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Hannah E. •

Frage an Manuel Sarrazin von Hannah E. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Sarrazin!

Können Sie mir sagen, wie man unter den Zeichen eines Fiskalpaktes und einer sogenannten Schuldenbremse jemals eine Brücke, eine Schule oder sonstige größere Projekte realisieren kann? Knebelt sich die Politik damit nicht selber? Ist es nicht auch sinnvoll, Investitionen auch in die Zukunft zu tätigen? Ist es mit dem Fiskalpakt und der Schuldenbremse nicht folgerichtig, dass es zu immer weiterem Sozialabbau kommt? Oder glauben Sie daran, dass dann die Steuern für Erbschaften und Vermögende erhöht wird, um notwendige Investionen zu tätigen?? Können Sie mir sagen, wieso die Grünen diesen Gesetzen zugestimmt hat?

MfG

Hannah Erben

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Erben,

ihrer Frage liegt meines Erachtens die Annahme zu Grunde, dass der Fiskalvertrag die Haushaltsautonomie der deutschen Parlamente gefährde.
Dies ist jedoch nicht der Fall, denn der Fiskalvertrag verpflichtet Deutschland nicht zu strengeren Schuldengrenzen!
Das Grundgesetz und das Europarecht enthalten bereits jetzt wesentliche Vorgaben, die der deutsche Haushaltsgesetzgeber beachten muss. Die Europäischen Verträge verpflichten die EU-Mitgliedstaaten dazu, übermäßige öffentliche Defizite zu vermeiden. Diese den Gesamtstaat, also Bund, Länder, Kommunen und Sozialversicherungsträger, treffende supranationale Verpflichtung, die dem Grundgesetz und den Länderverfassungen ohnehin vorgeht, wird zusätzlich bereits im Grundgesetz gespiegelt (Art. 109 Absatz 2 GG).
Die mit der zweiten Stufe der Förderalismusreform eingeführte Schuldenbremse des Grundgesetzes sieht noch weitergehende Grenzen für die deutschen Haushaltsgesetzgeber vor. Grundsätzlich sind die Haushalte von Bund und Ländern ohne die Aufnahme von Krediten auszugleichen. Für die Länder
bedeutet dies, dass sie gänzlich ohne Neuverschuldung auskommen müssen, allerdings erst nach einer Übergangsphase für das Haushaltsjahr 2020. Für den Bund gilt im konjunkturellen Normalfall eine Grenze von 0,35 % des Bruttoinlandsproduktes für die Neuverschuldung. Die deutsche Schuldenbremse erfüllt ebenso die Anforderungen des sogenannten automatischen Korrekturmechanismus.

Der Fiskalvertrag kann mittelfristig zur Erreichung solider Haushalte in der Eurozone beitragen. Dazu muss er aber begleitet werden von einem sozial ausgewogenen wirtschafts- und fiskalpolitischen Gesamtkonzept, das an den Zielen zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts in Europa im Rahmen der EU 2020 Strategie anknüpft. Nach langen und intensiven Verhandlungen mit der Bundesregierung konnte die Mehrheit der grünen Abgeordneten dem Fiskalvertrag in Verbindung mit dem Ergebnis der Verhandlungen zustimmen. Gemeinsam mit der SPD konnten wir uns mit der Bundesregierung auf einen Pakt für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung einigen. Darin enthalten ist ein Investitionsprogramm mit Schwerpunkten auf ökologischer Modernisierung und Maßnahmen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Zudem wurde durch das Bekenntnis zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer eine Wende in der Steuerpolitik erreicht, zukünftig werden die Finanzmärkte an den Kosten der Krise beteiligt. Außerdem wurde durch die erfolgreiche Klage der Grünen vor dem Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass die Bundesregierung den Bundestag auch bei völkerrechtlichen „Anbauten“ zum Recht der Europäischen Union (wie bspw. der Fiskalvertrag) nicht mehr umgehen darf, die Beteiligungs- und Informationsrechte des Bundestages sind gestärkt worden.

Mit freundlichen Grüßen, Manuel Sarrazin