Frage an Marco Wanderwitz bezüglich Verbraucherschutz

Marco Wanderwitz
CDU
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Frage von Jochen B. •

Frage an Marco Wanderwitz von Jochen B. bezüglich Verbraucherschutz

Sehr geehrter Wanderwitz,

die Abgeordneten der CDU haben einem Gesetz zugestimmt, wonach wir Verbraucher neue Stromzähler einbauen lassen müssen und dies auch noch selber bezahlen sollen. Dieses offenbar durch unsägliche Kontakte zur Energielobby zustande gekommene Beschluss ist ein Schlag ins deutsche Verbraucherrecht. Ich brauche diese Stromzähler nicht und will sie nicht. Wenn es mein Versorger für notwendig hält, soll er es tun, aber bitte auf seine Kosten. Auf die Verbraucher kommen jetzt Kosten in Milliardenhöhe zu, während die Energiekonzerne sich weiter bereichern. Und das bei den eh schon unsäglichen Stromkostenentwicklungen durch ungerechte Leitungsentgelte. Wie kann ich jemanden zur Zahlung einer Leistung zwingen, die er nicht bestellt hat? Die ist ein Schlag ins bürgerliche Recht, und ich hoffe, dass dieses Gesetz vom BGH gekippt wird. Aber ich möchte gern wissen, wie sie in diesem Fall gestimmt haben, was Ihre Beweggründe waren, und welche Kontakte Sie zu Lobbyisten der Energiebranche haben.

Viele Grüße

Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Bonitz,

die Einführung von intelligenten Messsystemen ist ein bedeutender Baustein des vom Deutschen Bundestag kürzlich beschlossenen Gesetzes zur Digitalisierung der Energiewende.

Die Energiewende ist eines der wichtigsten Projekte unserer Zeit. Deutschland ist hierbei auf einem guten Weg: Im ersten Halbjahr 2015 wurde knapp ein Drittel unseres Stroms aus erneuerbaren Energien erzeugt. Wie viel Strom sich aus Wind- und Sonnenenergie gewinnen lässt, hängt aber stark von Wetterlage und Tageszeit ab. Da der Anteil der Erneuerbaren an der Stromversorgung weiter steigen wird und darüber hinaus immer mehr Stromverbraucher zugleich auch selbst Produzenten sind, müssen die Stromerzeugung, der Verbrauch und die Stromnetze intelligent miteinander verknüpft werden. Moderne bzw. smarte Informations- und Kommunikationstechnik (IKT), wie die von Ihnen thematisierten Smart Meter (intelligente Stromzähler), tragen maßgeblich dazu bei, die Stromversorgung flexibler, sicherer und effizienter zu machen. Mit Hilfe intelligenter Systeme soll eine Betrachtung und Optimierung der miteinander verbundenen Bestandteile des Energiesystems ermöglicht werden. Ziel ist die Sicherstellung der Energieversorgung auf Basis eines effizienten und zuverlässigen Systembetriebs.

Es geht also um die kommunikative Vernetzung der vielen Akteure des Energiesystems, von der Erzeugung (insbesondere aus fluktuierenden erneuerbaren Energien) über den Transport, die Speicherung und die Verteilung bis hin zum Verbrauch. Ziel ist ein integriertes Daten- und Energienetz mit völlig neuen Strukturen und Funktionalitäten. An Stelle der bekannten Stromzähler sollen digitale intelligente Messgeräte treten. Sie sind Voraussetzung für das zukünftige intelligente System (Smart Grid), indem sie nicht mehr nur den Stromverbrauch oder die eingespeiste Strommenge messen, sondern intelligente Netzknoten mit Informationen zu Strom, Spannung und Frequenz versorgen, um zeitgenau Erzeugung, Netzbelastung und Verbrauch automatisiert aufeinander abstimmen zu können.

Den Verbraucherinnen und Verbrauchern können sie das eigene Verbrauchsverhalten besser veranschaulichen und damit auch helfen, Stromkosten zu sparen. Insbesondere sind Smart Meter auch die Voraussetzung für variable, "maßgeschneiderte" Tarife, z.B. günstige Tarife zu Niedriglastzeiten, um Nachtspeicherheizungen oder Wärmepumpen zu betreiben. Dies soll dazu beitragen, den Strombedarf in Spitzenlastzeiten zu verringern, die Netze zu entlasten und damit die Versorgungssicherheit zu verbessern.

Die Intention der Einführung von Smart Metern ist nicht, „Herrschaft über Haushaltsgeräte zu übernehmen“, wie teilweise befürchtet wird. Es geht nicht darum, die Selbstbestimmung der Verbraucherinnen und Verbraucher zu beschränken, sondern im Gegenteil ihnen durch intelligente Systeme mehr Wahlmöglichkeiten hinsichtlich ihres Verbrauchsverhaltens und ihrer Energietarife zu eröffnen.

Natürlich aber muss der Einbau nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch sinnvoll sein. In diesem Sinne werden die Smart Meter in diesem neuen Regelungs- und Regulierungsrahmen nur dort verpflichtend eingeführt, wo ein entsprechender Energieeffizienz-, System- oder Netznutzen entsteht. Durch die Vorgabe strikter Preisobergrenzen wird sichergestellt werden, dass die Kosten den erwarteten Nutzen auch individuell nicht übersteigen.

Der Einbau der intelligenten Messsysteme soll zudem stufenweise erfolgen: Größere Verbraucher und Erzeugungsanlagen sollen beim Einsatz moderner Mess- und Steuerungstechnik die Vorreiterrolle übernehmen, kleinere Stromverbraucher folgen später. Die in den verbrauchsstarken Gruppen gemachten Erfahrungen können dann dafür genutzt werden, Erfahrungen auch für den Haushaltsbereich zu sammeln.

Das Gesetz zur digitalen Energiewende sieht in Deutschland also kein vollständiges sogenanntes „Rollout“ von Smart Metern, also eben keine für jeden Haushalt geltende Einbauverpflichtung von modernen Stromzählern, vor, wie es hingegen in den meisten anderen Mitgliedstaaten der EU erfolgt ist oder erfolgen soll (z.B. Großbritannien, Frankreich, Spanien, Italien, Schweden, Österreich). Vielmehr werden Verbraucher erst ab einem Jahresstromverbrauch von 6.000 Kilowattstunden sowie Betreiber dezentraler Erzeugungsanlagen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und dem Kraft-Wärme-Kopplung Gesetz (KWKG) ab 7 kW installierter Leistung schrittweise mit intelligenten Messsystemen ausgestattet (stets unter Einhaltung von Preisobergrenzen). Zum Vergleich: Bei einem durchschnittlichen Vier-Personen-Haushalt wird von einem Jahresstromverbrauch von 3.500 Kilowattstunden ausgegangen. Der Einbau von Smart Metern beginnt ab 2017 für Verbraucher ab 10.000 kWh Jahresstromverbrauch und Erzeuger zwischen 7 und 100 kW installierter Leistung. Messstellenbetreiber können ab 2020 zudem weitere Verbraucher einbeziehen, wenn dies technisch sinnvoll ist und wenn ein strenger nutzenorientierter Kostendeckel eingehalten wird (für einen Durchschnittshaushalt liegt dieser bei höchstens 30 € pro Jahr).

Mit freundlichen Grüßen

Marco Wanderwitz

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