Wie sozial ist unsere Soziale Marktwirtschaft

Portrait von Marie-Agnes Strack-Zimmermann
Marie-Agnes Strack-Zimmermann
FDP
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Frage von Robin M. •

Wie sozial ist unsere Soziale Marktwirtschaft

Sehr geehrte Frau Strack-Zimmermann,

im Zuge eines Projektes im Seminarfach Wirtschaft über die Soziale Marktwirtschaft befragen wir einige Politiker:innen bezüglich Ihrer Meinung zu den Problemen und Herausforderungen unseres Wirtschaftssystems. Des Weiteren können sie uns gerne Ihre Vorstellung von einer besseren/gerechteren Wirtschaft mitteilen. (bedingungsloses Grundeinkommen; mehr Chancengleichheit)

Wir möchten Ihnen mitteilen, dass wir Ihre Antwort verwenden und mit den Antworten der anderen Politiker:innen vergleichen werden.

Mit freundlichen Grüßen
R. M.

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr M., 

wir Freie Demokraten fordern, dass eine kurzfristige Liquiditätshilfe direkt vom Finanzamt ausgezahlt werden kann. Statt Steuervorauszahlungen von den Konten der Unternehmen abzubuchen, überweisen die Finanzämter eine negative Einkommenbeziehungsweise Körperschaftsteuer als Liquiditätssoforthilfe: die „Negative Gewinnsteuer“. Als Bemessungsgrundlage dient der letzte Steuerbescheid. In einem zweiten Schritt soll eine deutlich erweiterte Verlustverrechnung mit Gewinnen vergangener oder künftiger Jahre eingeführt werden. Damit sorgen wir in wirtschaftlichen Krisenzeiten für schnelle und unbürokratische Hilfen und verhindern unnötige Jobverluste und Insolvenzen.

Zudem fordern wir einen Entfesselungspakt für die deutsche Wirtschaft, in dem Maßnahmen zur Bürokratieentlastung gebündelt und vorangetrieben werden. Der stetig wachsende Bürokratiedschungel belastet die Bürgerinnen und Bürger sowie die deutschen Unternehmen und bremst die wirtschaftliche Entwicklung aus. Initiativen wie das Bürokratieentlastungsgesetz IV, die Strategie „Einheitliche Ansprechpartner 2.0“ und eine Verlegung der Sozialversicherungsbeiträge in den Folgemonat müssen zu einer Gesamtstrategie gebündelt werden. Das gilt auch für schlankere Vergabe-, Register- und Informationsbestimmungen. Für jede neue Belastung durch geplante Regelungen sollen im doppelten Umfang Belastungen abgebaut werden („One in, two out“) – auch auf europäischer Ebene.

Wir wollen die steuerliche Belastung von Unternehmen auf den OECD-Durchschnitt (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) von rund 25 Prozent senken. Unser Ziel ist es, im Zuge der angestrebten Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung in Europa den deutschen Sonderweg der Gewerbesteuer zu beenden. Das heißt zugleich, dass die Finanzierung der Kommunen auf eine neue Grundlage gestellt werden muss – etwa durch einen kommunalen Zuschlag mit eigenem Hebesatzrecht auf die Körperschaftsteuer und auf die zuvor abgesenkte Einkommensteuer sowie einen höheren Anteil der Kommunen an der Umsatzsteuer. Zudem wollen wir uns gemeinsam mit den USA für eine globale Mindestbesteuerung für Unternehmen einsetzen. So sorgen wir für mehr Fairness im Wettbewerb zwischen großen internationalen Konzernen, die aggressive Steuervermeidung betreiben, und Mittelständlern.

Wir wollen Forschung und Entwicklung steuerlich stärker fördern. Deutschland kann nur dann dauerhaft Wohlstand und soziale Sicherheit gewährleisten, wenn die Unternehmen innovative Produkte und Dienstleistungen entwickeln. Das Steuerrecht muss dazu einen Beitrag leisten, indem es die Rahmenbedingungen für die Bereitstellung von Wagniskapital verbessert. Dadurch schaffen wir bessere Bedingungen für Start-ups und geben Innovationen eine Chance. Gerade die Coronakrise hat gezeigt, dass der stete Wandel der Wirtschaft neue Ideen und Wege erfordert. So muss Deutschland bei der Digitalisierung aufholen. Deshalb brauchen wir ein Steuerrecht, das innovative Unternehmen unterstützt.

Wir Freie Demokraten wollen die Abschreibungsbedingungen verbessern. Hierzu sollen die degressive Abschreibung (AfA) für bewegliche Wirtschaftsgüter verstetigt und für digitale Güter einheitliche und verkürzte Abschreibungsfristen von höchstens drei Jahren festgesetzt werden, sofern nicht eine Sofortabschreibung in Betracht kommt. Die Grenze für die Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter wollen wir erhöhen. Um Investitionen in den Wohnungsbau zu fördern, wollen wir hier die lineare Abschreibung von zwei auf drei Prozent erhöhen.

Wir wollen insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen von der Industrie über das Handwerk bis zum Handel auch in ländlichen Regionen Perspektiven schaffen. Voraussetzungen hierfür sind eine flächendeckend zukunftstaugliche digitale Infrastruktur, leistungsfähige Verkehrswege und ein starkes duales Bildungssystem. Abwanderung, Überalterung und Fachkräftemangel setzen dem Mittelstand besonders hart zu. Deshalb brauchen wir moderne Ansätze insbesondere auch in den ländlichen Regionen. Wir wollen unseren Mittelstand und unsere Hidden Champions stärken! Damit die Unternehmen nicht durch Erbgänge oder eine Substanzbesteuerung gefährdet werden, lehnen wir eine Verschärfung der Erbschaftsteuer oder die Wiedereinführung der Vermögensteuer ab.

Wir Freie Demokraten fordern die Rückkehr zu marktwirtschaftlichen Prinzipien. Viele sind, bedingt durch die COVID19-Pandemie, unverschuldet in finanzielle Not geraten. Es war daher richtig, Hilfsprogramme auf den Weg zu bringen, doch der Weg zu immer mehr Nothilfen und Rettungsschirmen für einzelne Unternehmen lässt sich nicht aufrechterhalten. Er ist ineffizient, verzerrt den Wettbewerb und reduziert die Wettbewerbsfähigkeit sowie Innovationskraft von bestehenden Betrieben wie auch von Gründerinnen und Gründern. Außerdem wächst die Marktmacht einzelner Unternehmen, was zu weniger Innovation und höheren Preisen für die Konsumentinnen und Konsumenten sowie zu Fehlanreizen für Unternehmen führt. Wir wollen den Wettbewerb national und international stärken und insbesondere vermeiden, dass unnötige Verflechtungen von Markt- und Staatswirtschaft entstehen. Daher unterstützen wir Maßnahmen, die gleichmäßig für alle Unternehmen gelten, den Wettbewerb weniger verzerren und zu einem sich selbst tragenden Wirtschaftswachstum beitragen.

Wir Freie Demokraten fordern eine Beteiligungsbremse für den Staat. Unnötige staatliche Beteiligungen sowie alle Unternehmensanteile, die nicht zur öffentlichen Daseinsvorsorge gehören, müssen verkauft werden – hier insbesondere Post und Telekom. Der Erlös kann in die digitale Infrastruktur investiert werden. Staatliche Beteiligungen müssen stärker auf ihre Notwendigkeit überprüft und perspektivisch abgebaut werden. Neue Beteiligungen sollten nur noch dann zulässig sein, wenn andere entsprechend reduziert werden.

Wir Freie Demokraten wollen die faire und regelbasierte europäische Wettbewerbsordnung schützen und stärken und damit internationale Standards setzen. Dazu gehört zum einen der Einsatz gegen Protektionismus im europäischen Binnenmarkt. Wir wollen die EU-Entsenderichtlinie vereinfachen und das deutsche Arbeitnehmer-Entsendegesetz entbürokratisieren. Zum anderen brauchen wir insbesondere für junge und mittelständische Unternehmen bessere Wettbewerbsbedingungen, gerade im Bereich der Digitalwirtschaft. Die Konzentration von Marktmacht auf etablierte und große Unternehmen behindert echten Wettbewerb und Innovation. Das schadet insbesondere Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie der Zukunftsfähigkeit des Standortes. Wir wenden uns daher entschieden gegen die politische Förderung von „nationalen Champions“. Derlei Alleingänge innerhalb des europäischen Binnenmarktes bremsen Innovationen und Skalierbarkeit aus. Das senkt letztlich die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen gegenüber amerikanischer und chinesischer Konkurrenz. Wir sehen die Soziale Marktwirtschaft als lernendes System und als Modell für eine ökonomische Friedensordnung – nicht nur in Europa.

Wir Freie Demokraten wollen eine wirksame Kontrolle großer Unternehmen der Digitalwirtschaft schaffen, die Zugänge zum Internet kontrollieren. Solche Gatekeeper-Unternehmen, die als Betreiber einer Suchmaschine, als soziales Netzwerk oder als dominierende Handelsplattform die Wettbewerbsbedingungen kleiner oder mittlerer Unternehmen entscheidend beeinflussen können, müssen einer speziellen Regulierung unterworfen werden. Die Regulierung soll verhindern, dass Gatekeeper den Wettbewerb verzerren, indem sie sich beispielsweise bei Suchergebnissen selbst begünstigen, indem sie die Interoperabilität mit Angeboten anderer Unternehmen einschränken oder indem sie die Geschäftsdaten ihrer Partnerinnen und Partner in unlauterer Weise zum eigenen Vorteil nutzen. Eine wirksame Kontrolle global agierender Gatekeeper-Unternehmen kann nicht allein von der Ebene des nationalen Rechts und der Behörden der EU-Mitgliedstaaten ausgehen. Wir unterstützen deshalb die Pläne zur Schaffung eines Digital Markets Act auf Ebene der Europäischen Union, mit dem eine das Kartellrecht ergänzende europäische Regulierung für Gatekeeper-Unternehmen geschaffen werden soll.

Wir Freie Demokraten wollen, dass Deutschland international zum Fürsprecher des regelbasierten Freihandels wird und den Abschluss weiterer Freihandelsabkommen vorantreibt. Hierfür muss die Bundesregierung innerhalb Europas und der Welt protektionistischen Tendenzen entgegentreten und eine aktive Führungsrolle bei Handelsverträgen, Investitionsabkommen und fairen Investitionsbedingungen einnehmen. Zugleich Das Programm der Freien Demokraten zur Bundestagswahl 2021 8 muss sie die institutionelle Verankerung einer regelbasierten Freihandelsordnung vorantreiben. Um der Handelspolitik in der nächsten Bundesregierung mehr Gewicht zu verleihen, fordern wir eine Staatsministerin oder einen Staatsminister für Außenhandel. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie wollen wir zudem in „Bundesministerium für Wirtschaft, Freihandel und Energie“ umbenennen. Um die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union in der Handelspolitik zu erhalten, wollen wir Freihandelsabkommen so gestalten, dass – wie etwa beim EU-Japan Abkommen – nur die Zustimmung des Europäischen Parlaments, nicht aber die von nationalen und regionalen Parlamenten benötigt wird. Dabei wollen wir in der EU und weltweit gegen Marktverzerrungen vorgehen, die zum Beispiel durch stark subventionierte Staatsunternehmen entstehen. Wir setzen uns zudem für den Grundsatz der Reziprozität ein, wonach Unternehmen nur dann Zugang zum europäischen Markt haben sollten, wenn das umgekehrt auch der Fall ist.

Wir Freie Demokraten wollen den bewährten Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) weiterentwickeln. Der Reformprozess muss transparent und inklusiv sein. Nationale Alleingänge und Willkürzölle sowie neue nicht-tarifäre Handelshemmnisse lehnen wir ab. Wir setzen uns dafür ein, die Blockade der WTO-Streitbeilegung schnellstmöglich zu lösen. Dies erfordert auch eine neue umfassende Verhandlungsrunde, in der ein Interessenausgleich zwischen Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern erreicht wird. Im Rahmen dieser Verhandlungsrunde muss dabei auch evaluiert werden, wo WTO-Regeln in der Praxis bisher nicht greifen. Wir wollen, dass Subventionen und Dumping überall dort bekämpft werden, wo immer diese Praktiken einen fairen Wettbewerb behindern. Aktuell betrifft das insbesondere den Bau von Verkehrsmitteln wie Zügen, Flugzeugen und Schiffen.

Wir Freie Demokraten wollen einen neuen Anlauf für ein umfassendes transatlantisches Freihandelsabkommen und einen transatlantischen Wirtschaftsraum erreichen. Eine Blaupause kann das EU-Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) liefern, das 2017 abgeschlossen wurde und endlich auch von Deutschland ratifiziert werden sollte. Ebenso wollen wir das EU-Freihandelsabkommen mit Mercosur zügig abschließen und ratifizieren.

Wir Freie Demokraten wollen die Tourismuswirtschaft nachhaltig stärken. Nachhaltiges Reisen ist durch die Pandemie verstärkt in den Fokus gerückt. Das gestärkte Bewusstsein sollte genutzt werden, um den Tourismus nachhaltig weiterzuentwickeln. Deshalb brauchen wir ein pandemiefestes Krisenmanagement, das die Tourismuswirtschaft für die Zukunft stärkt. Der Tourismus ist bis in strukturschwache Regionen hinein ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in Deutschland. Die Coronakrise hat die vorher gesunde Branche und ihre rund drei Millionen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schwer getroffen. Zusätzlich stellen der Fachkräftemangel sowie zahlreiche Bürokratiepflichten gerade kleine und mittlere Unternehmen vor große Herausforderungen. Von einem starken Zukunftskonzept profitiert die gesamte touristische Wertschöpfungskette – wie Gastronomie, Einzelhandel und Dienstleistungen. Wir setzen auf Vielfalt statt ideologische Denkschranken. Deshalb müssen Reisen und Individualverkehr durch Innovationen ökologischer werden. Als Motor fungiert auch der Ausbau der Digitalisierung. Ohne Breitbandversorgung bleiben wir vom wachsenden Online-Reisemarkt und von Reiseinnovationen abgehängt. Wir wollen daher Anreize für Investitionen schaffen und überflüssige Bürokratie abschaffen.

Mit freundlichen Grüßen
Marie-Agnes Strack-Zimmermann

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