Frage an Marie-Luise Dött bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Marie-Luise Dött
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Frage von Norbert W. •

Frage an Marie-Luise Dött von Norbert W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Marie-Luise Dött,

die Mehrheit der Bundesbürger hält Volksentscheide auch auf Bundesebene für sinnvoll.

Ich unterstütze die Vorschläge des Vereins Mehr Demokratie e. V. zur Einführung der Volksabstimmung in Deutschland.

Die Vorschläge sehen ein dreistufiges Verfahren vor:
- Volksinitiative: Mit 100.000 Unterschriften kann dem Bundestag ein Gesetzentwurf vorgelegt werden.
- Volksbegehren: Lehnt der Bundestag die Volksinitiative ab, kann ein Volksbegehren eingeleitet werden. Für dessen Erfolg müssen in sechs Monaten eine Million Unterschriften zusammenkommen.
- Volksabstimmung: Hier entscheidet - wie bei Wahlen - die Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Jeder Haushalt bekommt im Vorfeld eine Abstimmungsbroschüre mit wichtigen Informationen und allen Pro- und Kontra-Argumenten.
Zusätzlich sollen die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit haben, eine Volksabstimmung gegen Beschlüsse des Bundestages einzuleiten (fakultatives Referendum) und bei wichtigen EU-Reformen und Grundgesetzänderungen mitzuentscheiden (obligatorisches Referendum).

Sehr geehrte Frau Marie-Luise Dött, bitte teilen Sie mir Ihre Ansicht zu diesen Fragen mit.

Mit freundlichen Grüßen
Norbert Wagner

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Wagner,

Sie unterstützen die Idee des Vereins „Mehr Demokratie e.V.“, die Volksentscheide auf Bundesebene für sinnvoll erachten und Sie bitten mich um meine Meinung hierzu. Gern will ich Ihnen darauf antworten.

Die Väter des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland haben im Jahr 1949 vor dem Hintergrund sehr negativer Erfahrungen in der Weimarer Republik die Möglichkeit, Volksabstimmungen auf Bundesebene abzuhalten, nahezu ausgeschlossen. Bis heute ist es bei dieser Regelung geblieben. Nach meiner Überzeugung geschah dies aus guten Gründen, denn das Grundgesetz hat die Grundlage für die erste stabile und erfolgreiche Demokratie in der deutschen Geschichte geschaffen. Darum streben wir – die CDU – keine Änderung des Grundgesetzes zur Einführung plebiszitärer Elemente auf Bundesebene an. Man kann sich zwar durchaus die Frage stellen, ob die Abgeordneten des Deutschen Bundestages als gewählte Vertreter des Volkes in Einzelfragen – wie zum Beispiel dem Vertrag von Lissabon – nicht stellvertretend für die deutsche Bevölkerung abstimmen sollen, aber die Bundesrepublik Deutschland hat ein repräsentatives Verfassungssystem, eine repräsentative, parlamentarische Demokratie, an der ich auch festhalte.

Es geht meines Erachtens in der Forderung nach Volksabstimmungen auf Bundesebene nicht so sehr um die Frage einer höheren Demokratie-Rangfolge, denn plebiszitäre Formen der Staatswillensbildung stellen gegenüber dem parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren kein Mehr an Demokratie dar. Vielmehr müssen wir uns die Frage stellen, welche Form der Demokratie sich bewährt.

Vor allem auf Bundesebene haben wir mit der repräsentativen, parlamentarischen Demokratie die besten Erfahrungen in der wechselhaften deutschen Geschichte gemacht. Gegenüber der Volksabstimmung bietet das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren ein größeres Maß an Verfahrensrationalität, Interessenausgleich und Gelegenheit zum Kompromiß. Außerdem stellt es die nach Artikel 79 Abs. 3 Grundgesetz notwendige Mitwirkung der Bundesländer an der Gesetzgebung sicher, die bei nationalen Plebisziten fehlt.

Bei Volksabstimmungen kann zudem nur eine Ja-Nein-Alternative zur Abstimmung gestellt werden. So würden komplexe Sachverhalte notwendig auf eine geschlossene Frage reduziert. Dabei käme es dann entscheidend darauf an, wie eine Abstimmungsfrage formuliert ist. Beispielsweise können die komplizierten Regelungen des SGB V, das die gesetzliche Krankenversicherung behandelt, unmöglich Absatz für Absatz zur Volksabstimmung vorgelegt werden. Allein die zur Ja-Nein-Abstimmung vorgelegten Sachfragen und vor allem deren Verfasser besäßen demnach Einflußmöglichkeiten, weniger jene, die über diesen Vorschlag lediglich mit Ja oder Nein entscheiden.

Aber ich möchte betonen, daß sich auf den Kommunal- und Landesebenen Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksabstimmungen bewährt haben. Hier sind diese unbedingt auszubauen. Sie eignen sich meines Erachtens jedoch nicht für die komplexeren Verhältnisse auf Bundesebene.

Ich hoffe, daß ich Ihnen mit diesen Ausführungen meinen Standpunkt zur Frage nach Volksabstimmungen auf Bundesebene näherbringen konnte.

Mit freundlichen Grüßen

Marie-Luise Dött