Frage an Martin Hahn bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

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Martin Hahn
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Ingrid S. •

Frage an Martin Hahn von Ingrid S. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Sehr geehrter Herr Hahn,

gerne würde ich von Ihnen wissen, wie die Grünen im Falle eines Wahlsieges die Landwirtschaft ökologisch verändern würden. Ich denke hierbei z.B. an die Themen Massentierhaltung, Tiertransporte von lebenden Tieren, Einsatz von Pestiziden, Bienen und Insektensterben.... Außerdem würden mich die Maßnahmen der Grünen zum Thema Klimaschutz interessieren und auch, warum zu den Themen bisher in Baden-Württemberg nicht mehr passiert ist, obwohl die Grünen ja schon seit einigen Jahren im Land regieren. Z.B. wurden in mehreren Bundesländern Tiertransporte außerhalb der EU verboten, in Baden-Württemberg werden noch riesige Ställe für 1000 Kühe gebaut und somit auch genehmigt, es gibt noch keine Kastrationspflicht für Katzen......

Viele Grüße
Ingrid Schreiner

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Schreiner,

vielen Dank für Ihre Fragen.
Gerne gehe ich, auch aufgrund der Komplexität der von Ihnen angesprochenen Themen darauf ausführlich ein.

Unser Ziel ist eine Landwirtschaft, die mit der Natur arbeitet und nicht gegen sie, die Tiere würdig behandelt, das Klima schützt und die Leistungen unserer Bäuerinnen und Bauern honoriert werden.

Es ist also für uns Grüne eine entscheidende Zukunftsaufgabe, die Politik, die Zielkonflikte zwischen Ökonomie und Ökologie in der Landnutzung zu lösen. Das geht aus unserer Sicht nur, wenn sich alle an einen Tisch setzen – Landwirtschaft, Handel, Verbraucher*innen, Verarbeiter und NGOs aus den Bereichen Tier-, Natur-und Umweltschutz. Daraus soll ein neues Miteinander, ein „Gesellschaftsvertrag“ entstehen, der aufzeigt, wie flächendeckende natur- und tierverträgliche und gleichzeitig profitable Landwirtschaft aussehen wird.
Der Ökolandbau fördert die Biodiversität, schreibt mehr Platz und frische Luft sowie eine flächengebundene Tierhaltung vor. Beispielsweise dürfen im Ökolandbau auf einem Hektar Land maximal 2 Kühe. gehalten werden. Der Ökolandbau orientiert sich an einer Kreislaufwirtschaft. Der Ökolandbau ist eine Erfolgsgeschichte. Für uns ist er Landwirtschaft der Zukunft, die wir fördern und unterstützen wollen. Die Weiterentwicklung des Ökolandbaus z.B. im Hinblick auf die Herausforderungen des sich verändernden Klimas liegt uns am Herzen. Gerade für die großen Veränderungen, die der Landwirtschaft bevorstehen (Klimawandel, Generationenwechsel, Investitionen in Tier und Naturschutz, neue Märkte für Qualitätsprodukte erschließen…), brauchen wir ideenreiche und innovative Wertschöpfungsnetze. Wir wollen explizit fördern, voneinander und miteinander zu lernen, wollen Gründer*innen und Start-ups unterstützen und ein Klima schaffen, das Raum für Entwicklung in der Landwirtschaft gibt – das ist unser Ziel.

Mit dem Biodiversitätsstärkungsgesetz (BiodivstärkG) hat sich Baden-Württemberg an die Spitze aller Bundesländer beim Arten- und Naturschutz gesetzt und schafft gleichzeitig eine Zukunftsperspektive für unsere Landwirtschaft. So werden wir alles tun, bis 2030 auf bis zu 40 Prozent Ökolandbau zu kommen. Wir schützen unsere Naturschutzgebiete vor dem Einsatz von Spritzmitteln. Da der Erhalt der Artenvielfalt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, werden im Gesetz beispielsweise auch Schottergärten verboten und das Land setzt sich das Ziel, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln um mindestens 40% bis 2030 zu senken. Alle Verursacher werden bedacht und in die Pflicht genommen. Das reicht vom Verbot der Schottergärten bis hin zur Reduktion an Bahnlinien und auf landeseigenen Flächen. Die Rahmenbedingungen sind so gestaltet, dass das Reduktionsziel erreicht werden kann. In der Landwirtschaft soll das beispielsweise durch die die Anschaffung effizienterer Technik, den Ausbau des Ökolandbaus und die verstärkte Förderung des freiwilligen Verzichts auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel erfolgen. Wir haben alles in allem über 60 Mio. Euro für die Umsetzung des Gesetzesvorhabens bereitgestellt.

Seit 2011 hat sich der Anteil der ökologisch bewirtschafteten Fläche in Baden-Württemberg fast verdoppelt. In mittlerweile neun Bio-Musterregionen in Baden-Württemberg wird seit Januar 2018 der Öko-LandbauSektor mit innovativen Ideen, Wissen und Engagement vorangebracht. Der von uns weiterentwickelte Aktionsplan Bio aus Baden-Württemberg rückt die Wertschöpfungskette noch stärker als Ganzes in den Fokus. Ein umfangreiches Bündel von Maßnahmen soll die Rahmenbedingungen für ökologisch wirtschaftende Betriebe verbessern sowie den Neueinstieg in den ökologischen Landbau sowie die ökologische Lebensmittelwirtschaft erleichtern. Hierfür haben wir 9 Mio. Euro für die nächsten zwei Jahre bereitgestellt. ein Schwerpunkt soll der Ausbau von Bio-Lebensmitteln in öffentlichen Kantinen und Mensen sein.

Sehr geehrte Frau Schreiner, wir Grüne kämpfen leidenschaftlich für den Klimaschutz, um eine lebenswerte Zukunft für Menschen und Natur zu sichern. Der Klimawandel bedroht unsere Lebensgrundlagen – wir Grüne reden nicht nur darüber, wir handeln. Wir machen konkrete Politik aus der Überzeugung heraus, dass ein gesellschaftlicher Kurswechsel hin zu nachhaltigem Wirtschaften sowohl notwendig als auch gut für uns alle ist. Es ist unsere Verantwortung, auch zukünftigen Generationen eine lebenswerte Welt zu hinterlassen.
Zentral ist dabei aus meiner Sicht, dass wir in Baden-Württemberg vorangehen und Klimaschutz und Wirtschaft zusammen denken.

Mit der Verabschiedung des Landesklimaschutzgesetzes 2013 waren wir eines der ersten Bundesländer, die ein eigenes Klimaschutzgesetz aufgelegt haben. Dieses Gesetz haben wir 2020 weiterentwickelt. Darin haben wir ambitionierte Ziele für die CO2-Minderung festgelegt. Für die konkrete Umsetzung der Klimaschutzanstrengungen hat die grün-geführte Landesregierung einen umfassenden Maßnahmenkatalog – das sogenannte Integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept (IEKK) – beschlossen und umgesetzt. Gemeinsam mit Kalifornien haben wir die Under2-Koalition als weltweites Klimabündnis der Regionen auf den Weg gebracht, die sich gemeinsam zu einer ehrgeizigen Klimaschutzpolitik verpflichten. Mittlerweile sind über 220 Staaten und Regionen dem Bündnis beigetreten. Die Under2-Koalition repräsentiert damit mehr als 1,3 Milliarden Menschen aus über 40 Nationalstaaten und rund 43 Prozent der Weltwirtschaft auf sechs Kontinenten.

Wir Grünen haben uns im Wahlprogramm zu einem Klimaschutzsofortprogramm bekannt und wollen u. a. folgende Punkte umsetzen: Allgemeine PV-Pflicht bei Neubauten und Dachsanierungen, mehr Windkraft auf allen geeigneten Flächen (1000 neue Anlagen), Regionalisierung und Festschreibung der Ausbau- und Flächenziele für Erneuerbare Energien, Nutzung aller Flächen an Landes- und Bundesstraßen sowie Autobahnen für Photovoltaik-Freiflächenanlagen (Dafür werden wir uns im Bund für eine Änderung der bislang restriktiven Abstandsregeln einsetzen), gezielte Förderung der Nutzung der Abwärme von Rechenzentren, Einführung eines CO2-Schattenpreises von 180 Euro für die öffentlichen Haushalte, Unterziehung alles Förderprogramme des Landes mit einem Klimacheck, um klimaschädliche Förderungen zu vermeiden), Umsetzung der kommunalen Wärmepläne, Einrichtung eines unabhängigen wissenschaftlichen Gremiums: die Klimaweisen ähnlich den Wirtschaftsweisen. Dieses Gremium erstellt jährlich einen Klimabericht, in dem es Maßnahmen für die Politik vorschlagen kann. Es kann auch wissenschaftliche Studien in Auftrag geben und überprüft die Maßnahmen der Landesregierung auf ihre Klimaverträglichkeit und im Hinblick auf das 1,5-Grad- Ziel, Erarbeitung von Vorschlägen, wie der CO2-Budget-Ansatz im Land umgesetzt werden kann, klimaneutrale Wohngebiete (Auflegen eines Förderprogramm klimaneutrale Wohngebiete für Kommunen), Stärkung der klimafreundlichen Kreislaufwirtschaft, indem wir beispielsweise Recycling-Baustoffe wie Recycling-Beton fördern und für diese eine Quote für Neubauten des Landes einführen. Aufbau einer Klimaschutzverwaltung auf allen drei Verwaltungsebenen (Lande, Regierungspräsidien und Landkreise).

Sehr geehrte Frau Schreiner, ich hoffe ich konnte Ihnen hiermit einen Einblick in unsere Grünen Ansätze in den von Ihnen genannten Themen geben.
Gerne stehe ich für Rückfragen zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Martin Hahn

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