Frage an Martina Michels bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Martina Michels
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DIE LINKE
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Frage von Karin E. K. •

Frage an Martina Michels von Karin E. K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Martina Michels,

Ich bin Bewohnerin jenes Wahlbezirkes, in dem Sie sich der Direktkandidatur stellen und interessiere mich aus eigenen beruflichen Gründen sehr für Fragen des Miteinander von Menschen unterschiedlicher ethnischer und religiöser Provenienz. Dieses Interesse ist noch um so mehr verstärkt angesichts der erschreckenden Bluttat von Anders Behring Breivik vor knapp einem Monat in Oslo. Deshalb meine Frage an Sie:

Welche Vorstellungen haben Sie, um derartigen xenophoben Auswüchsen entgegenzuwirken und gewährleisten zu helfen, dass sich speziell auch in unserem, von Menschen mit Migrationshintergrund geprägten Stadtbezirk Friedrichshain-Kreuzberg ein gesellschaftliches Klima von Toleranz und gegenseitigem Respekt zu entwickeln vermag?

Martina Michels
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Kulow,

Herzlichen Dank für die an mich gestellte Frage, die ich Ihnen gern beantworte.
Ich stimme mit Ihnen voll und ganz überein, dass die Schaffung eines gesellschaftlichen Klimas von Toleranz und Respekt eine der wichtigsten Voraussetzungen für das friedliche Zusammenleben in unserer Stadt und zugleich eine große Herausforderung für Politik und Gesellschaft darstellt. Dies gilt gerade für unseren Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, der durch eine lebendige Vielfalt vieler Nationalitäten steht. In Berlin leben Menschen aus über 190 Ländern zusammen. Diese Vielfältigkeit der Bevölkerung ist eine der großen Stärken Berlins. Dabei verlieren wir aber auch die vorhandenen Probleme nicht aus dem Blick. Soziale, politische und rechtliche Ausgrenzung, Diskriminierung und Rassismus führen dazu, dass sich viele Menschen mit Migrationshintergrund nicht als Teil unserer Gesellschaft begreifen. Umso wichtiger ist es, mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Maßnahmen gegen Ideologien und Einstellungen des Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus vorzugehen.

Unter der Regierungsbeteiligung der LINKEN wurde dies zu einer umfassenden und mehrdimensionalen Strategie ausgebaut, die in der Berliner Landeskonzeption gegen Rechtsextremismus niedergelegt ist. In diesem Rahmen unterstützte das Land Berlin im Jahr 2010 Projekte mit insgesamt mehr als 2 Millionen Euro. Damit konnten durchaus Erfolge verzeichnet werden. Aber das heißt nicht, dass wir in den Anstrengungen zur Bekämpfung des Rechtsextremismus nachlassen dürfen. Auch in Berlin reichen rechtsextreme Einstellungen weit in die gesellschaftliche Mitte hinein. Die jüngste Feststellung der Friedrich-Ebert-Stiftung, dass antidemokratische und rassistische Einstellungen in der deutschen Bevölkerung im Jahr 2010 signifikant angestiegen sind, gilt auch für Berlin. Die Bekämpfung des Rechtsextremismus ist allerdings keine alleinige Aufgabe von staatlichen Institutionen, sondern der Zivilgesellschaft insgesamt. Der Auf-, Ausbau und die Sicherung zivilgesellschaftlicher Strukturen für den Kampf gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus sind deshalb das Kernstück unserer Politik in diesem Bereich. DIE LINKE hat daher die finanzielle Sicherung der Strukturprojekte der mobilen Beratungsteams und der Opferberatung mit Konsequenz verfolgt und verwirklichen können. Derzeit ist die Finanzierung vieler Projekte durch Versuche der Bundesregierung in Gefahr. Zivilgesellschaftliche Projekte gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und Islamfeindlichkeit sollen durch eine »Extremismusklausel« diszipliniert und gegängelt werden. Dagegen werden wir uns wehren und die Projekte nach Kräften unterstützen.Die Finanzierung der Strukturprojekte als strategisches Rückgrat der zivilgesellschaftlichen Infrastruktur haben wir deshalb im Doppelhaushalt 2010/2011 so gesichert, dass sie auch komplett aus Landesmitteln erfolgen kann.

Darüber hinaus wurden in den Berliner Bezirken zehn Lokale Aktionspläne ins Leben gerufen, um an Strategien, Maßnahmen und Projekten der Bekämpfung von Rechtsextremismus auf lokaler Ebene zu arbeiten. Neben den Schwerpunkten lokale Interventionen und mobile Beratung/Opferberatung setzt eine dritte Säule der Berliner Landeskonzeption auf demokratische Jugendkultur und die Stärkung von zivilgesellschaftlichen Netzwerken. Hier wird eine Reihe von Projekten - auch ohne die (Ko-)Finanzierung des Bundes - durch den Senat gefördert. Dies wollen wir fortsetzen und ausbauen. Und nicht zuletzt bedeutet der Kampf gegen Rechtsextremismus für uns auch, in der Öffentlichkeit den breiten Zusammenschluss aller Bürgerinnen und Bürger zu suchen, um gemeinsam gegen rechte Kundgebungen und Aufmärsche Gesicht zu zeigen. Denn dass Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in Berlin keinen Platz haben, muss auch auf der Straße zu sehen sein!

Wir haben im vergangenen Jahr als erstes Bundesland ein Partizipations- und Integrationsgesetz verabschiedet. Die Initiative dazu kam aus den Reihen des Berliner Integrationsbeirats, in dem Vertreterinnen und Vertreter von Migranten-Selbstorganisationen, anderen Nichtregierungs-Organisationen und des Senats zusammen arbeiten. Die Ziele sind vor allem die gesetzliche Absicherung bestehender Partizipationsgremien und die interkulturelle Öffnung weiterer Gremien und Einrichtungen auf Landes- und Bezirksebene. Ein weiterer Schwerpunkt ist die interkulturelle Öffnung der Verwaltung und der landeseigenen Betriebe, die Anerkennung interkultureller Kompetenz als wichtige Qualifikation und die Gleichstellung der Religionen sofern das in die Zuständigkeit des Landes fällt (Gleichstellung religiöser Feiertage und Aufhebung des Sargzwangs aus religiösen Gründen). Damit schaffen wir mehr demokratische Teilhabe für alle, damit tragen wir dazu bei, dass sich Staat und Verwaltung unserer vielfältigen Realität in der Stadt öffnen und sich auch selbst verändern.

Wir werden die Erfahrungen des Berliner Partizipations- und Integrationsgesetz auswerten und darauf aufbauend weiterentwickeln.
Nur wer sich als gleichberechtigtes Mitglied einer Gesellschaft wahrgenommen erfährt, fühlt sich auch eingeladen, in ihr mitzuwirken und Verantwortung zu übernehmen. Dafür werden uns auch in Zukunft einsetzen. Dazu brauchen wir die Mitwirkung Vieler in unserer Gesellschaft, Menschen mit Zivilcourage, Engagement und Mut.

Herzliche Grüße
Martina Michels, MdA

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