Frage an Martina Michels bezüglich Finanzen

Martina Michels
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DIE LINKE
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Frage von Ruth P. •

Frage an Martina Michels von Ruth P. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Michels,
werden Sie - gesetzt den Fall, Sie werden in das Europaparlament gewählt - unser bestehendes Geldsystem thematisieren? Werden Sie die derzeit über das Zinseszinssystem bestehende Möglichkeit von exponentiellem Wachstum von privatem Vermögen bei gleichzeitiger Verschuldung eines Teils der Bevölkerung in Frage stellen - mit dem Ziel, dieses System abzuschaffen? (Mir haben zum Verstehen der Zusammenhänge die Vorträge auf youtube und die Bücher des Ökonomen Bernd Senf geholfen.)
Mit Dank für Ihr Engagement, freundlichem Gruß und meinen besten Wünschen
Ruth Priese

Martina Michels
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau P.,

ich hoffe natürlich sehr, ins Europaparlament wiedergewählt zu werden. Obgleich ich wahrscheinlich nicht Mitglied des Ausschusses für Wirtschaft und Finanzen sein werde, liegt es mir als Europaabgeordneter der LINKEN. selbstverständlich am Herzen, die Ursachen der Finanz- und Wirtschaftskrise, die dann auch zu sozialen und Demokratiekrisen führte zu beseitigen.
Die Insolvenz der US-Investmentbank Lehman Brothers führte im September 2008 zur Wirtschafts- und Finanzkrise, deren Folgen in Europa immer noch spürbar sind. Auch wenn die milliardenschweren Bankenrettungspakete und das billige Geld der Europäischen Zentralbank (EZB) die Finanzmärkte beruhigt haben, leiden Millionen Bürgerinnen und Bürger, insbesondere in den südlichen Mitgliedsländern der EU, nach wie vor unter der anhaltenden schädlichen Kürzungspolitik.
Diese hat nach Einschätzung des Roten Kreuzes zur schlimmsten humanitären Katastrophe der letzten 60 Jahre in Europa geführt. Anstatt zu investieren oder mit den Geldern die notleidenden Menschen in Europa zu unterstützen, die die Kürzungen an Leib und Leben spüren, wurden damit die Schulden bei französischen und deutschen Banken bedient. Während die Bankster über Jahre Milliarden an Gewinnen als Dividenden und Bonuszahlungen unter sich aufgeteilt haben, mussten während der Krise die Steuerzahler*innen einspringen und die Banken retten.

Auch zehn Jahre nach der Finanzkrise wurde das Problem der „too-big-to-fail“ Banken nicht angegangen. Eine grundlegende Bankenstrukturreform, bei der das risikoreiche Investmentbanking vom Kredit- und Einlagengeschäft getrennt wird, wurde nicht durchgeführt. Megabanken können daher weiterhin mit einer impliziten Staatsgarantie an den Finanzmärkten zocken. Am Ende sind wieder die Steuerzahler die gelackmeierten. Nur wenn systemrelevante Banken geschrumpft werden, kann ihre Abwicklung im Ernstfall auch sichergestellt werden.

Als Linke fordern wir daher eine Neuordnung des Bankensektors unter öffentlicher Regie mit zentraler Rolle von Sparkassen- und Genossenschaftsbanken sowie deren Zentralinstituten. Banken müssen ihre Geschäfte wieder auf eine dienende Funktion für die Realwirtschaft ausrichten (Zahlungsverkehr, sichere Verwahrung von Einlagen zur Ersparnisbildung, Finanzierung von Investitionen) und sich nicht einer Kapitalmarktunion und der Förderung von Kredit-Verbriefungen verschreiben. Wir brauchen überdies eine umfassende Finanztransaktionssteuer zur Eindämmung der grassierenden Spekulation an Finanzmärkten sowie einen Finanz-TÜV, der Finanzprodukte prüft, bevor diese auf den Markt kommen.

Mit freundlichen Grüßen
Martina Michels

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