Frage an Matthias W. Birkwald bezüglich Soziale Sicherung

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Matthias W. Birkwald
DIE LINKE
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Frage von Bernhard P. •

Frage an Matthias W. Birkwald von Bernhard P. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Birkwald!
Mit Interesse habe ich am 16.12.2020 die Befragung der Bundesregierung (vertreten durch die Bundeskanzlerin) im TV verfolgt, wo Sie Frau Merkel bzgl. der Verwaltungskosten einer Riesterrente befragten und dabei folgende Behauptung äußerten (einkopiert), die mich total irritierte:
"Wäre es nicht viel besser, dass alle Versicherten freiwillige Zusatzbeiträge auf ihr persönliches Konto bei der gesetzlichen Rentenversicherung einzahlen könnten? Denn bei der gesetzlichen Rentenversicherung ist das Geld der Bürgerinnen und Bürger ja sicher, sehr kostenarm und gut aufgehoben."
Dazu meine Frage:
Wie kommen Sie zu der Behauptung, daß das Geld bei der Rentenversicherung sicher wäre? Müßte es nicht richtigerweise lauten, wenn die Einzahlungen der BürgerInnen bei der Gesetzlichen Rentenversicherung tatsächlich sicher wären (vor den Regierenden), dann bräuchten vermutlich nur die Wenigsten in diesem Land eine zusätzliche private Altersvorsorge? Ist es nicht tatsächlich so, daß seit Jahrzehnten die Bundeszuschüsse für versicherungsfremde Leitungen permanent zu gering waren obwohl propagandistisch von den Regierungen immer Anderes behauptet wurde? Siehe dazu die Pressemitteilung DRV Bund v. 27.06.2019, Annelie Buntenbach zur Finanzentwicklung in der Rentenversicherung https://www.deutsche-rentenversicherung.de/DRV/DE/Ueber-uns-und-Presse/Presse/Pressemitteilungen/Pressemitteilungen-archiv/2019/2019_06_27_bvv_buntenbach.html: ...Jüngste Berechnungen hätten gezeigt, dass derzeit eine jährliche Unterdeckung nicht beitragsgedeckter Leistungen durch den Bund in Höhe von 30 Milliarden Euro bestehe. ...
Über diese Pressemitteilung wurde natürlich von den Mainstreammedien, wie immer, nicht berichtet!!!
Wie kommen Sie also zu der Aussage, daß Einzahlungen bei der DRV sicher und gut aufgehoben wären?
Über eine aussagekräftige Antwort würde ich mich sehr freuen! Bleiben Sie gesund!
Mit freundlichen Grüßen
Bernhard Pieper

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DIE LINKE

Sehr geehrter Herr P.,

für Ihre Nachfrage danke ich Ihnen herzlich und möchte Ihnen zunächst den Zusammenhang meiner Frage an die Kanzlerin (https://www.matthias-w-birkwald.de/de/article/2265.riestern-ist-gescheitert-freiwillige-zusatzbeitr%C3%A4ge-in-die-gesetzliche-rente-als.html) vom 16.12. kurz erläutern:

Angesichts des offenkundigen Scheiterns der staatlich geförderten sogenannten Riester-Rente hat die Bundesregierung Reformvorschläge angekündigt, bislang aber noch keine vorgelegt.

In der Sitzungswoche vor der Regierungsbefragung erreichte mich eine Studie der Bürgerbewegung Finanzwende (https://www.finanzwende.de/themen/verbraucherschutz/riester-viel-gebuehren-wenig-rente/?L=0). Diese kommt zu dem Ergebnis, dass im Schnitt nahezu jeder vierte in einen heute neu abgeschlossenen Riester-Vertrag eingezahlte Euro als Verwaltungskosten von den Versicherungsgesellschaften kassiert wird. Demgegenüber liegt der Anteil der Verwaltungskosten in der gesetzlichen Rentenversicherung bei lediglich 1,2 bis 1,4 Prozent (je nach Rentenversicherungsträger).

Diese Diskrepanz habe ich zum Anlass genommen, Frau Dr: Merkel danach zu fragen, ob nicht die Erleichterung der Einzahlung zusätzlicher Beiträge in die Rentenversicherung eine gute Alternative zur steuerlichen Förderung der Riester-Verträge wäre, bei der ein weitaus höherer Anteil tatsächlich der Altersversorgung der Beitragszahlenden zu Guten kommen werden würde.

Auch ein Vergleich der aktuellen Renditen der gesetzlichen Rente und privater Rentenversicherung hat mich in dieser Einschätzung bestärkt: Während private Versicherer bei Neuverträgen in der aktuellen Niedrigzinsphase – beziehungsweise Minuszinsphase - teilweise nur noch die Rückzahlung des eingezahlten Beitrages ohne jede Verzinsung garantieren können und wollen, oder sogar nur noch 80 oder 90 Prozent der eingezahlten Beiträge, liegt nach Berechnungen des DIW (https://www.wiwo.de/finanzen/vorsorge/altersvorsorge-so-viel-rendite-bringt-die-gesetzliche-rente/26685094.html) die rechnerische Rendite der gesetzlichen Rente immerhin noch in einer Größenordnung von 2,2 bis 3,6 Prozent. (je nach Geschlecht und Alterskohorte).

Auch in der Ertragsrechnung ergibt sich also selbst unter den aktuellen Bedingungen der gesetzlichen Rentenversicherung, die ich ebenso deutlich kritisiere wie Sie, ein deutlicher Vorteil der gesetzlichen Rentenversicherung gegenüber den Angeboten privater Versicherungskonzerne.

Durch diesen Befund sehe ich mich darin bestätigt, mich in den bevorstehenden Debatten um die Zukunft des Rentensystems weiterhin für eine Stärkung der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) einzusetzen, statt, wie es die CDU fordert, mit einem Ausbau der Anteile steuerlich geförderter privater Altersvorsorge diese an der Börse aufs Spiel zu setzen. Diese Stärkung der GRV schließt notwendigerweise auch eine Korrektur bisheriger Fehlentwicklungen der gesetzlichen Rentenversicherung ein.

Zu diesen Fehlentwicklungen zähle ich ausdrücklich auch die fehlende Steuerfinanzierung von nicht beitragsgedeckten Leistungen der Rentenversicherung wie z.B. der Mütterrente.

Ihre Kritik daran teile ich deshalb ausdrücklich und habe dies auch im gesamten Verlauf der vergangenen Wahlperiode im Bundestag zur Sprache gebracht.

Mit meiner Fraktion DIE LINKE habe ich bereits am 3.11. 2017 (http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/000/1900029.pdf) einen Antrag in den Bundestag eingebracht, in welchem wir unter anderem auch eine vollständige Steuerfinanzierung der Mütterrente fordern

Auch heute ist – wegen der falschen Politik der Bundesregierung – die Begründung dieser Forderung leider immer noch aktuell:

„Die falsche und sozial ungerechte Finanzierung der „Mütterrente“ aus Beitragsmitteln führt dazu, dass die Nachhaltigkeitsrücklage der gesetzlichen Rentenversicherung rasch abschmilzt und darum deutliche Beitragserhöhungen notwendig werden. Dies mindert den Spielraum für andere, systemgerecht aus Beiträgen zu finanzierende Leistungsverbesserungen wie die Abschaffung der Abschläge auf Erwerbsminderungsrenten,“ (http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/000/1900029.pdf)

Gerne versichere ich Ihnen, dass meine Fraktion DIE LINKE und ich selbst weiterhin für eine vollständige Steuerfinanzierung der Mütterente und weiterer versicherungsfremder Leistungen eintreten werden.

Mit freundlichen Grüßen,

Ihr Matthias W. Birkwald

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