Sind Sie für die mittel- oder langfristigen Abschaffung des mehrgliedrigen Schulsystems zugunsten eines Inklusiven Ansatzes nach finnischem Vorbild (mit Bitte im klares Ja oder Nein und Begründung)
Deutschland bildet unter den OECD-Staaten eine Ausnahme, weil es – entgegen zentralen pädagogisch-didaktischen Erkenntnissen – weiterhin am mehrgliedrigen Schulsystem festhält. Länder, die seit Jahren zu den Spitzenreiter der PISA-Studie gehören wie Finnland, Estland, Dänemark etc. setzen voll und ganz auf die Vorteile eines inklusiven Bildungsweges bis zur 9. Klasse. Führende Schulpädagog:innen wie Heinz Klippert, Hilbert Meyer und K-J. Tillmann sowie alle Länderbildungsberichte weisen daraufhin, dass in Deutschland eine Förderkultur fehlt, die alle Schüler:innen gleichermaßen annimmt und ernstnimmt. Das Sitzenbleiben oder die Verbannung von Flüchtlingen auf Mittelschulen sind die größten Auswüchse der Selektionsbemühungen. Gleichzeitig gibt es keine mit Studien oder anderer empirischer Forschung nachgewiesene Nachteile eines integrativen Ansatzes. Am Ende scheitert es nicht an den Schüler:innen oder den Lehrkräften bzw. der Pädagogik. Die Bringschuld liegt im politischen Willen.
Sehr geehrter Herr K.,
vielen Dank für Ihre Nachricht und Ihre ausführlich begründete Frage zu unserem Bayerischen Schulsystem, die ich Ihnen gerne beantworte.
Der Anspruch des bayerischen Schulwesens ist es, jeder Schülerin und jedem Schüler gerecht zu werden, individuelle Begabungen bestmöglich zu fördern und für jeden jungen Menschen einen passenden Bildungsweg zu eröffnen. Genau das leistet unser differenziertes, mehrgliedriges Schulsystem.
Besonders wichtig ist mir dabei: Die Wahl einer Schulart im Anschluss an die Grundschule ist keine endgültige Entscheidung.
Wir setzen in Bayern seit vielen Jahren auf eine hohe Durchlässigkeit. Unser Grundsatz lautet: kein Abschluss ohne Anschluss.
Nach jedem erreichten Abschluss stehen Wege zu höheren Schulabschlüssen offen.
Kurz gesagt: Wir sind überzeugt, dass ein differenziertes Schulsystem mit klaren Übergangsmöglichkeiten dem einzelnen Kind gerechter wird und unterschiedliche Talente besser berücksichtigt.
Gleichzeitig ist klar, dass wir unser Bildungswesen kontinuierlich weiterentwickeln müssen.
Bayern reagiert daher gezielt auf aktuelle Herausforderungen:
- Mit dem Startchancen-Programm wollen wir die Abhängigkeit von sozialer Herkunft und Bildungserfolg verringern.
- Durch Sprachstandserhebungen fördern wir Kinder frühzeitig und gezielt in ihrer Sprachentwicklung.
- Und im Grundschulbereich stärken wir die Basiskompetenzen in Deutsch und Mathematik weiter.
Für mich ist entscheidend, die hohe Bildungsqualität in Bayern zu bewahren und zugleich notwendige Verbesserungen anzustoßen. Systemische Kontinuität und verantwortungsvolle Weiterentwicklung gehören für mich zusammen.
Das bayerische Modell – mit seiner Durchlässigkeit und seinen vielfältigen Förderwegen – halte ich für sinnvoll, um unseren Kindern bestmögliche Bildungschancen zu eröffnen.
Ich danke Ihnen nochmals für Ihre Frage und den Anstoß zur bildungspolitischen Diskussion.
Mit freundlichen Grüßen
Melanie Huml
