Frage an Muhterem Aras bezüglich Arbeit und Beschäftigung

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Muhterem Aras
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Michael G. •

Frage an Muhterem Aras von Michael G. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrte Frau Aras,

durch den Gesetzentwurf von Frau Nahles zur Neueinstufung von Werkverträgen und Ähnlichem wird uns selbständigen Einzelunternehmern und Freelancern quasi die Geschäftsgrundlage entzogen, sollte er so Wirklichkeit werden. Meine Frage ist, wie stehen Sie zu diesem Gesetzentwurf, und wie stellen Sie sich vor, dass wir dann ehemals Selbständige weiter existieren sollen. Ich sehe ein, dass es viele Werktätige gibt, die durch Konzerne in die (Schein-)Selbständigkeit gedrängt werden, bisher wird aber übersehen, dass es in vielen Branchen Menschen gibt, die Ihre Freiheit so sehr lieben, dass sie gar nicht festangestellt sein wollen! Fragen Sie doch mal die Mitglieder von VGSD e.V. und ISDV e.V. und anderen Organisationen....

mfg

G.

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Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Gärttling,

vielen Dank für Ihre Anfrage zu der anstehenden Regulierung der Werk-
bzw. Dienstverträge. Wie Sie wissen, ist dies eine Bundesangelegenheit
und wird nicht auf Länderebene geregelt.

Ziel dieses Gesetzes ist es, den Missbrauch von Leiharbeit und
Werkverträgen zu unterbinden sowie sogenannter Schein-Selbstständigkeit
von Personen, die durch ihre wirtschaftliche Abhängigkeit in prekäre
Situationen gedrängt werden, entgegen zu wirken. Dieses Ziel unterstützt
die grüne Bundestagsfraktion (BTF), die von Ministerin Nahles geplante
Umsetzung lehnt sie jedoch ab.

Die Bundesregierung plant Abgrenzungskriterien abhängiger Beschäftigung
von anderen Vertragsformen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und will
damit den Missbrauch von Werkverträgen an Drittfirmen sowie
Schein-Selbstständigkeit gleichermaßen und mit denselben Kriterien
unterbinden. Die grüne BTF ist der Auffassung, dass das den
unterschiedlichen Problemen nicht gerecht wird.

Insbesondere die Unterscheidung zwischen Schein-Selbstständigkeit und
tatsächlicher Selbstständigkeit ist schwierig. Ein Grund dafür ist, dass
die Gruppe der Selbstständigen sehr uneinheitlich ist. Viele haben sich
bewusst für die Selbstständigkeit entschieden und brauchen – sofern sie
tatsächlich für das Alter abgesichert sind – den Schutz und die Fürsorge
des Staates nicht. Wie Sie sagen, gibt es auch Selbständige, die sich
bewusst für die Selbständigkeit entschieden haben. Ihre Einwände kann
ich als selbständige Steuerberaterin sehr gut nachvollziehen. Auch ich
habe mich vor 16 Jahren ganz bewusst für die Selbständigkeit entschieden
und würde es heute wieder tun, trotz mancher Nachteile.

Unzeitgemäße Abgrenzungskriterien, langwierige
Statusfeststellungsverfahren, viel Bürokratie und widersprüchliche
Gerichtsurteile können eine massive Beeinträchtigung für viele
Selbstständige und Freiberufler darstellen. Selbstbestimmung und
Eigenverantwortung sind zentrale Leitmotive für grüne Politik und
wichtige Gründe für Menschen, sich selbständig zu machen. Als Grüne
wollen wir mit unserer Politik Risikobereitschaft und Kreativität
fördern und sie nicht behindern. Dumpinghonorare und
Scheinselbstständigkeit sind mit einer nachhaltigen und fairen
Gründungskultur nicht zu vereinbaren. Wir dürfen Selbstständige aber
nicht unter Generalverdacht stellen. Das Statusfeststellungsverfahren
muss daher rechtssicher und transparent reformiert werden – z.B. mit
einer Positivliste, die gut abgesicherten Selbständigen Rechtssicherheit
verschafft. Darüber hinaus setzen wir uns dafür ein, die gesetzlichen
Abgrenzungskriterien im Sozial-, Arbeits- und Steuerrecht zu
vereinheitlichen, um mögliche Doppel- bzw. Dreifachprüfungen zu vermeiden.

Tatsächlich ist es so, dass ein Teil der formal Selbstständigen - meist
unfreiwillig - mit niedrigsten Einkommen auskommen müssen, die kaum ihre
Ausgaben decken. Dazu gehören z.B. viele PaketzustellerInnen, Lehrkräfte
und Pflegende. Viele von ihnen haben nur einen Auftraggeber, von dem sie
wirtschaftlich abhängig sind. Ein Viertel aller Selbstständigen erzielt
rechnerisch ein Einkommen von weniger als 8,50€ pro Stunde (DIW 2015).
Oft landen diese Menschen spätestens im Alter in der Grundsicherung.

Notwendig sind deshalb klare, an eine moderne Arbeitswelt angepasste
Kriterien, die Scheinselbstständigkeit unterbindet, ohne die
tatsächlichen Selbstständigen in ihrer Tätigkeit zu beeinträchtigen,
sondern vielmehr diese zu unterstützen. Die von der Bundesregierung
geplanten Kriterien sind nach Meinung der BTF dafür ungeeignet. Sie wird
einen Gesetzentwurf in dieser Form im parlamentarischen Verfahren
deutlich kritisieren. Sie selbst arbeitet gerade an einem Vorschlag, der
eine einfache und praxistaugliche Abgrenzung möglich macht.

Für die Grüne Bundestagsfraktion steht im Vordergrund, den Missbrauch
der Werk- und Dienstverträge zu verhindern und gleichzeitig die
Rechtssicherheit für Selbstständige und ihre Auftraggebenden zu erhöhen.

Freundliche Grüße

Muhterem Aras

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