Frage an Nadja Hirsch bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Nadja Hirsch
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Frage von Georg M. •

Frage an Nadja Hirsch von Georg M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Hirsch,

aktuell kam es zu einem erschreckenden Unglück beim überqueren eines Flüchtlingsboots.
Und nun gibt es wieder Politiker die gleich wieder mehr legale Migration erlauben wollen. Wo soll das nur enden? Das Asylrecht war einst für Menschen angedacht, die wirklich verfolgt waren- Armutsmigration gehörte nicht dazu.
Wie sehen Sie das?

Gibt es Ihrer Meinung nach auch Verlierer aufgrund der hohen Zuwanderung nach Deutschland ( 2012 über eine Million)?
Wenn nicht, dann könnte man ja die Einreise-und Aufenthaltsbestimmungen ganz abschaffen, oder? Ganz so tun manche Politiker ja. Dabei gibt es m.W. auch viele Menschen ohne Aufenthaltstitel in Deutschland, die im Verborgenen leben.
Wieviel Zuwanderung verträgt Deutschland im Jahr und was spräche dagegen das kanadische Zuwanderungsmodell in Deutschland einzuführen?
Warum fragt man nicht das Volk, wieviel und welche Zuwanderung es möchte?

Ich stelle fest, dass eine hohe Zuwanderung vor allem den Arbeitgebern nützt, aber den einfach qualifizierten Menschen, den Kranken und den Wohnungssuchenden kann das durchaus schaden. Teilen Sie diese Meinung?

Mit freundlichen Grüßen,

Georg Mayer

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Mayer,

herzlichen Dank für Ihre Anfrage bezüglich der Zuwanderung von Drittstaatsangehörigen, also Nicht-EU-Bürgern, nach Deutschland.

Zunächst muss man zwischen Flüchtlingen und legaler Arbeitsmigration unterscheiden. Nach Artikel 16a des Grundgesetzes (GG) der Bundesrepublik Deutschland genießen politisch Verfolgte Asyl. Das Asylrecht wird in Deutschland nicht nur - wie in vielen anderen Staaten - auf Grund der völkerrechtlichen Verpflichtung aus der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) von 1951 gewährt, sondern hat als Grundrecht Verfassungsrang.

Als politisch verfolgt gilt jemand dann, wenn ihm aufgrund seiner politischen Überzeugung, seiner religiösen Grundentscheidung oder anderer Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsverletzungen zufügt werden, die ihn aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen. Das Asylrecht dient dem Schutz der Menschenwürde in einem umfassenderen Sinne. Allgemeine Notsituationen wie Armut, Bürgerkriege, Naturkatastrophen oder Perspektivlosigkeit sind damit als Gründe für eine Asylgewährung grundsätzlich ausgeschlossen. Seit Gründung dieser Regelung hat sich nichts geändert. Daher muss ich Ihnen widersprechen, dass Armutsmigration heutzutage rechtsgültig sei.

Ich teile Ihre Einschätzung, dass der Druck auf die Außengrenzen der Europäischen Union wächst. Flüchtlinge, die bei uns nach besseren Lebenschancen suchen, versuchen insbesondere über die südlichen Länder zu uns zu kommen. Dennoch sind alle Mitgliedstaaten betroffen. 332.000 Asylbewerber wurden 2012 in der EU registriert (2011 waren es 301.365). Während Frankreich, Deutschland und Schweden absolut die meisten Asylantragsteller aufnahmen, geht das Verhältnis Asylbewerber pro Einwohner stark zu Lasten des Südens. Auf einen Einwohner in Zypern kommen knapp sechsmal mehr Asylbewerber als auf einen deutschen. Bei der Anerkennung sieht es wieder anders aus. Deutschland bescheidet mehr als ein Drittel der Anträge positiv, Griechenland nur rund 1%.

Ich habe mich bisher für den Europäischen Verteilungsschlüssel (EVS) stark gemacht, der eine Alternative zum derzeitigen europäischen Asylsystem darstellt. Er basiert auf einer Quote, die sich nach dem Bruttoinlandsprodukts und der Bevölkerungsstärke eines Mitgliedstaats richtet und somit zu einer gerechteren Verteilung von Asylsuchenden auf die 27 EU-Staaten führt. Der EVS orientiert sich am Verteilungssystem, das derzeit in Deutschland zwischen Bund und Ländern angewandt wird.

Im Bereich der legalen Arbeitsmigration unterstütze ich als liberale EU-Abgeordnete das sogenannte Punktesystem. Aufgrund des demographischen Wandels altert die Bevölkerung in der EU. Daher kommt es schon heute in Deutschland zu einem Mangel an Fachkräften im Gesundheitsbereich, in den Naturwissenschaften, der Informatik als auch der Elektrotechnik. Die EU und somit auch Deutschland braucht daher eine gesteuerte Zuwanderung, um ihre Wettbewerbsfähigkeit und ihre sozialen Systeme aufrechterhalten zu können. Hierzu gibt es unterschiedliche Ansätze. Wichtig ist jedoch, dass es ähnlich wie in Ihrem aufgeführten kanadischen Zuwanderungsmodell basiert auf Qualifikation, Sprachkenntnisse und der Bereitschaft zur Integration.

Ich hoffe ich konnte Ihre Frage aufgrund meiner Aufführungen beantworten und verbleibe mit freundlichen Grüßen

Nadja Hirsch