Frage an Niels Annen von Jaden H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Guten Herr Annen,
Lobbyisten und Wirtschaftsverbände sind mächtig und nehmen Einfluss auf die Politik. Sowas nennt man dann auch noch "Demokratie". Wäre es nicht besser Parteienspenden von Unternehmen grundsätzlich zu verbieten und als Gegenleistung die staatliche Parteifinanzierung zu erhöhen?
Wann nimmt die SPD endlich Arbeitnehmerinteressen wahr und nicht Wirtschaftsinteressen?
MfG
J. H.
Sehr geehrter Herr Hoch,
vielen Dank für Ihre Nachricht.
Die Frage ist zunächst, inwieweit die Parteien tatsächlich von Spenden aus der Wirtschaft abhängig sind. Um dies zu beurteilen, sind unter anderem die öffentlichen Rechenschaftsberichte der politischen Parteien eine wichtige Quelle. Der letzte vom Bundestagspräsidenten veröffentlichte Bericht betrifft das Jahr 2017. Sie finden ihn hier: https://www.bundestag.de/parlament/praesidium/parteienfinanzierung/rechenschaftsberichte/rechenschaftsberichte-202446.
Die SPD hat im Jahr 2017 insgesamt - also vom Ortsverein bis zum Parteivorstand - gut 14 Millionen Euro an Spenden eingenommen. Davon stammten knapp 3,2 Millionen Euro von den sog. Juristischen Personen, worunter vor allem Wirtschaftsunternehmen verstanden werden können. Das ist viel Geld, jedoch machten diese Spenden juristischer Personen letztlich im Jahr 2017 nicht einmal 2 Prozent der Gesamteinahmen der SPD aus. Bei anderen Parteien ist dieser Anteil sicherlich höher. Für die meisten Parteien aber gilt: Der Anteil der Spenden juristischer Personen liegt deutlich unter dem Anteil, den die staatlichen Mittel an den Einnahmen ausmachen. Für die SPD bedeutet das konkret: Im Jahr 2017 stammten knapp 30 Prozent der Einnahmen, fast 50 Millionen Euro, aus der sogenannten "Staatlichen Teilfinanzierung".
Darüber hinaus hat auch das Bundesverfassungsgericht in mehreren Urteilen zur Parteienfinanzierung unter anderem zwei Grundpositionen wiederholt bestätigt:
Spenden von juristischen Personen, also auch von Unternehmen, sind grundsätzlich zulässig und die Parteien dürfen nicht überwiegend von staatlichen Mitteln abhängig sein, sie müssen mindestens die Hälfte ihrer Einnahmen selbst erwirtschaften (u.a. aus Mitgliedsbeiträge und Spenden). Ein Verbot von Spenden juristischer Personen hätte also wahrscheinliche eine Verfassungsklage zur Folge. Und auch der Grundsatz der Unabhängigkeit von einer überwiegend staatlichen Finanzierung wäre gefährdet.
Das Bundesverfassungsgericht hat als Maßstab für den Anteil, den die einzelnen Parteien an der Gesamtsumme der Staatlichen Teilfinanzierung erhalten, den Grad ihrer "Verwurzelung in der Bevölkerung" festgelegt. Das bedeutet, dass die Höhe der staatlichen Unterstützung abhängig ist von der Zahl der Wählerstimmen, aber auch von der Höhe der Mitgliedsbeiträge und Spenden, die eine Partei erhält. Spenden von juristische Personen, also auch Spenden von Unternehmen, werden dabei jedoch nicht berücksichtigt: die Parteien erhalten auf Unternehmensspenden keine zusätzlichen staatlichen Mittel.
Darüber hinaus hätten wir als SPD mit dem Verbot von Spenden juristischer Personen kein grundsätzliches Problem. Mehrheiten im Deutschen Bundestag für ein solches Verbot gibt es nach unserer Einschätzung aber nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Niels Annen