Frage an Niels Annen bezüglich Finanzen

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Niels Annen
SPD
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Frage von Sabine R. •

Frage an Niels Annen von Sabine R. bezüglich Finanzen

Guten Abend,
Verlustverrechnung bei Termingeschäften nach § 20 Abs. 6 EstG:
Ich bin da gerade etwas sprachlos:
1.) Wie soll ich in Zukunft mein Depot zur Altersvorsorge absichern?

2.) Warum gilt dieses neue Gesetzt ausschließlich für Kleinanleger?

3.) Warum sind Banken Hedgefonds etc. von dem Gesetz ausgenommen?

4.) Ist dieses Gesetz - Ihrer persönlichen Meinung nach - mit dem Grundgesetz vereinbar?
Durch das neue Gesetzt sieht es jetzt folgendermaßen aus:
Ein erfolgreicher Kleinspekulant handelt regelmäßig Hebelzertifikate, CFDs oder Optionen, Bonus- und konservative Discount- Zertifikate etc. Dass dabei auch eine gewisse Zahl an Verlust-Trades anfällt, liegt in der Natur der Sache. Hat er bislang auf das Gesamtjahr gerechnet 100.000 Euro Gewinn und 80.000 Euro Verlust gemacht, so hatte er 20.000 Euro zu versteuern, was einer Steuerlast von € 5.000.-- entsprach..
Nach der neuen Regelung werden allerdings 90.000 Euro umgehend vom Broker versteuert.
Die Steuerlast würde also € 22.500 EUR betragen, obwohl eigentlich nur 20.000 Gewinn gemacht wurden.
Der Anleger hätte somit sogar eine Art Nachschusspflicht gegenüber dem Staat von € 2.500.
Ich will nicht sagen, dass die Planer dieses Gesetztes keinen Verstand haben, nur sehe ich leider den Verstand nicht.
Lediglich 10.000 Euro seiner Verluste sind p.a. absetzbar. Die Steuer auf die Gewinne erfolgreichen Trades werden stets automatisch + sofort abgezogen – die Erstattung auf Verluste muss sich der Anleger gedeckelt auf € 10.000 p.a. jahrelang vom Fiskus zurückholen.
Ob klasssische Anlagezertifikate wie strukturierte Anleihen, Bonus- oder defensive Discountzertifikate unter die Definition eines „Termingeschäfts“ im Sinne der neuen Regelung fallen, geht aus dem Gesetzestext nicht eindeutig hervor.
5.) Bitte teilen Sie mir auch genau mit, welche Papiere genau unter die Definition „Termingeschäfte“ im Sinne der neuen Regelung fallen und welche nicht, damit ich 2020 Planungssicherheit habe ?
MfG
S. R.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Röger,

vielen Dank für Ihre Mail. Entschuldigen Sie die späte Antwort - Sie erreichen mich besser als hier direkt unter niels.annen@bundestag.de oder mein Hamburger Büro unter 040 41 44 99 12.

Verluste aus Termingeschäften können nach § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG mit Gewinnen aus Termingeschäften und mit Erträgen aus Stillhaltergeschäften ausgeglichen werden. Dabei ist die Verlustverrechnung unterjährig auf 10.000 Euro pro Jahr begrenzt. Die Begrenzung dieser Verlustverrechnung greift auch, wenn die unterjährig realisierten Verluste 10.000 Euro übersteigen. Damit bleiben diese Verluste aber nicht unberücksichtigt. Diese können auf Folgejahre vorgetragen und dann jedes Jahr jeweils in Höhe von 10.000 Euro mit Gewinnen aus Termingeschäften oder mit Stillhalterprämien verrechnet werden. Voraussetzung dafür ist, dass nach der unterjährigen Verlustverrechnung ein verrechenbarer Gewinn verbleibt.

Hierbei handelt es sich um eine zielgerichtete Regelung. Termingeschäfte werden von privaten Anlegern im Regelfall nicht nur zur Absicherung von Fremdwährungsrisiken, Marktrisiken oder zur Absicherung von Zins-, Preis- oder Kursniveaus getätigt, wie es bei Unternehmen aus realwirtschaftlichen Motiven die Regel ist, sondern maßgeblich zum Erreichen möglichst hoher, schnell erzielbarer Gewinne unter dem Eingehen eines hohen Risikos. Deshalb ist eine unterjährige Begrenzung der steuerlichen Verlustberücksichtigung auf 10.000 Euro sinnvoll. Denn die steuerliche Berücksichtigung von Verlusten schmälert die Bemessungsgrundlage der Steuer und somit die Steuerzahlung an die Gemeinschaft.

Sie fragen außerdem nach der Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz. Nach dem objektiven Nettoprinzip können solche Aufwendungen, die zur Einnahmeerzielung getätigt werden steuerlich geltend gemacht werden. Das sind die Werbungskosten. Dazu können auch solche Aufwendungen zählen, die bei den Überschusseinkünften entstehen, z.B. Einkünften aus Kapitalvermögen (§20 EStG).
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich 2016 mit der Verfassungskonformität der Verlustabzugsbeschränkungen bei betrieblichen Termingeschäften in § 15 Abs. 4 EStG befasst. In seinem Urteil vom 28. April 2016 (IV R 20/13) stellt der BFH fest, dass die Regelung verfassungsgemäß ist, weil den Steuerpflichtigen eine entsprechende Verlustnutzung in zukünftigen Jahren grundsätzlich noch möglich ist. Verfassungsrechtlich ist es nicht geboten, dass sich ein Verlust steuerlich schon im Veranlagungsjahr seiner Entstehung auswirken muss.

Darüber hinaus ist auch die Schlechterstellung betrieblicher Verluste aus Termingeschäften gegenüber sonstigen betrieblichen Verlusten gerechtfertigt. Denn bei Termingeschäften handelt es sich um hochspekulative und damit besonders risikobehaftete Geschäfte, bei denen der Eintritt von Verlusten deutlich wahrscheinlicher ist als der Eintritt von Verlusten bei sonstigen betrieblichen Tätigkeiten. Die Begründung des BFH lässt sich auch auf die Regelung zu steuerlichen Behandlung von Verlusten aus privaten Termingeschäften übertragen. Auch hier ist ein unterjährig begrenzter Verlustabzug innerhalb der gleichen Einkunftsart möglich und auch hier gilt, dass ein Verlust sich steuerlich nicht schon im Veranlagungsjahr seiner Entstehung auswirken muss. Daher geht die neue Regelung aus § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG konform mit dem objektiven Nettoprinzip und entspricht dem Leistungsfähigkeitsprinzip.

Und um auf Ihre letzte Frage einzugehen:
Der Begriff des Termingeschäfts umfasst sämtliche als Options- oder Festgeschäft ausgestaltete Finanzinstrumente sowie Kombinationen zwischen Options- und Festgeschäften, deren Preis unmittelbar oder mittelbar abhängt von

· dem Börsen- oder Marktpreis von Wertpapieren,
· dem Börsen- oder Marktpreis von Geldmarktinstrumenten,
· dem Kurs von Devisen oder Rechnungseinheiten,
· Zinssätzen oder anderen Erträgen oder
· dem Börsen- oder Marktpreis von Waren oder Edelmetallen.

Dabei ist es ohne Bedeutung, ob das Termingeschäft in einem Wertpapier verbrieft ist, an einer amtlichen Börse oder außerbörslich abgeschlossen wird. Zu den Termingeschäften gehören insbesondere Optionsgeschäfte, Swaps, Devisentermingeschäfte und Forwards oder Futures, vgl. Rzn. 36 und 37.

Hoffentlich hilft Ihnen meine Antwort weiter.
Mit freundlichen Grüßen

Niels Annen

 

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