Frage an Nina Stahr bezüglich Bildung und Erziehung

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Nina Stahr
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Regine B. •

Frage an Nina Stahr von Regine B. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrte Frau Stahr,

als Lehrerin würde mich Ihre Meinung zum Thema Inklusion interessieren. Mein Eindruck ist, dass die Inklusion in Schulen von der Bundesregierung viel zu überstürzt und auf den überforderten Schultern der Lehrkräfte durchgesetzt wird.

Mit freundlichen Grüßen

Regine Brandt

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Brandt,

vielen Dank für Ihre Frage!

Ich mache schon lange Bildungspolitik. Und so lange ich in diesem Bereich aktiv war, habe ich mich immer dafür eingesetzt, dass möglichst alle Kinder möglichst lange gemeinsam lernen. Das bringt nicht nur den Kindern mit Beeinträchtigung etwas, sondern auch den anderen Kindern. Wenn man so früh wie möglich mit Menschen zusammen kommt, die anders sind als man selbst, lernt man viel einfacher und selbstverständlicher damit umzugehen. Deshalb finde ich Inklusion nach wie vor ein gutes Konzept.

Was ich allerdings geradezu unerträglich finde, ist, wie unter dem Deckmantel der Inklusion derzeit Gelder eingespart werden. Denn wenn Inklusion funktionieren soll, dann muss auch Geld investiert werden. Klassen müssen deutlich kleiner sein und es muss gutes Fachpersonal eingesetzt werden, und zwar auch über die Lehrkräfte hinaus. Man kann nicht einfach alle Kinder, die vorher getrennt unterrichtet wurden, plötzlich in eine Klasse werfen und denken, das wird dann schon irgendwie funktionieren. Natürlich sind die Lehrkräfte damit überfordert. Und zwar nicht einmal, weil sie die Inklusion nicht wollen, sondern weil ihnen einfach keine Zeit gelassen wurde, sich auf diese neue Situation vorzubereiten.
Ich mache selbst gerade mein Referendariat an einer Integrierten Sekundarschule in Neukölln. Meine Kolleginnen und Kollegen hier sind motiviert und möchten gemeinsam mit und für die Schülerinnen und Schüler etwas erreichen. Das ist aber unter den gegebenen Rahmenbedingungen kaum zu schaffen.

Deshalb bin ich der Meinung: Inklusion ja, aber nicht so! Wir brauchen dringend mehr Geld, um die Schulen sowohl materiell als auch personell so auszustatten, dass sie den Herausforderungen der Inklusion gerecht werden können. Und das bedeutet nicht nur, dass sie in der Lage sind, sich um die Kinder mit Beeinträchtigungen, wie z.B. Lernschwierigkeiten zu kümmern. Nein, es bedeutet auch, dass sie in der Lage sind, die Kinder zu fördern, die viel schneller lernen als ihre Mitschüler. Kein Kind zu unterfordern und gleichzeitig kein Kind zu überfordern - das ist eine hohe Kunst, die sich nicht mal schnell nebenbei im Schulalltag erlernen lässt. Unsere Lehrerinnen und Lehrer brauchen deshalb dringend bessere Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, die auf diese Problematik eingehen.

Das Ganze kann allerdings nicht allein aus den Ländern heraus finanziert werden. Deshalb kämpfe ich auch dafür, das Kooperationsverbot, das es dem Bund verbietet, den Ländern bei der Bildung finanziell unter die Arme zu greifen, abzuschaffen. Nur wenn der Bund sich an den Herausforderungen der Inklusion beteiligt und alle hier gemeinsam an einem Strang ziehen, kann sie erfolgreich sein.

Ich hoffe, meine Antwort hat Ihnen weitergeholfen! Sonst stehe ich für Nachfragen natürlich gern zur Verfügung.

Herzliche Grüße,
Nina Stahr