Frage an Özcan Mutlu bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Özcan Mutlu
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Fred H. •

Frage an Özcan Mutlu von Fred H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Die Integration gilt als gescheitert, Pararellgesellschaften breiten sich immer mehr aus, eine verfehlte Zuwanderungspolitik verursacht jährlich volkswirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe, Tendenz sreigen, ganze Stadtteile stürzen sozial ab und verlieren ihre hergebrachten Strukturen, viele Deutsche sehen darin eine Bedrohung ihrer Zukunft.
Welche Massnahmen halten sie für geeingnet, um diese Tendenz aufzuhalten ?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Hove,
Danke für Ihren Beitrag und Ihre Anfrage. Auch wenn ich Ihre Ansicht, die Zuwanderungs- und Integrationspolitik sei gescheitert, ganz und gar nicht teile, bin auch ich der Meinung, dass sie einer Verbesserung bedarf. Ich will auch nicht verhehlen dass wir Probleme haben, die wir dringend anpacken müssen.
Deutschland hat sich leider viel zu viel Zeit gelassen, die Realität der Einwanderungsgesellschaft zu akzeptieren. Die Politik hat Jahrzehnte lang diese Realität geleugnet und kaum Anstrengungen unternommen um das Gelingen der Integration der einstigen Gastarbeiter zu erreichen: Kaum Investitionen in die Integration und kaum Investitionen in die Bildung war die Folge dieser Politik. Wir haben, genauso wie die damaligen Gastarbeiter geglaubt, dass sich das Problem von alleine löst, weil sie eines Tages in Ihre Heimatländer zurückkehren werden. Heute zahlen wir die Zeche für diese Fehleinschätzung. Bedauerlich ist, dass bei den Debatten hinsichtlich der Integrationspolitik nach wir vor nach Schuldigen gesucht wird, anstatt an Lösungen zu arbeiten. Die Ethnisierung sozialer Probleme prägt in diesem Zusammenhang die Debatte und lässt oft die Objektivität vermissen. Integration ist keine Einbahnstraße, sondern ein wechselseitiger Prozess. Damit sie gelingen kann müssen ZuwandererInnen genauso wie die Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft Verantwortung übernehmen und sich dafür einsetzen.

Wir haben unsere Vorstellungen dazu in einem umfassenden Papier mit der Überschrift "Integrationspolitik konkret: 15 Vorschläge für Berlin" zusammengefasst, mehr dazu unter:
http://www.gruene-fraktion-berlin.de/cms/default/dok/114/114863.integrationspolitik_konkret.htm

Sie haben auch Unrecht mit Ihrer Behauptung, die Zuwanderung hätte unserem Land wirtschaftlich geschadet. Ich werde Ihnen nicht aufzählen, welchen kulturellen und insbesondere wirtschaftlichen Nutzen wir seit den frühen 50 Jahren von der Einwanderung haben. Schließlich haben die sog. Gastarbeiter und Ihre Nachfahren Jahrzehnte in die Sozialkassen eingezahlt und mit ihrem Steueraufkommen die Wirtschaft kräftig mitangekurbelt. Das können Sie in zahlreichen Studien oder Untersuchungen jederzeit nachlesen. Eine Statistik möchte ich Ihnen aber nicht vorenthalten: In Deutschland gehen 60.000 Menschen die ehemals aus der Türkei stammen, gehen einer Selbstständigen Tätigkeit als UnternehmerInnen nach und haben 350.000 Arbeitsplätze in unserem Land geschaffen. Ihr Anteil am Bruttosozialprodukt beträgt etwa 35 Milliarden Euro. Ich habe die Türken als Beispiel genommen, weil diese oft im Blickfeld der Diskussion sind. Wer bei diesem Zahlen immer noch von einem wirtschaftlichen Schaden spricht, dem empfehle ich die Lektüre verschiedener unabhängiger Wirtschaftsinstitute, welche sich auch für die Einführung des Zuwanderungsgesetzes stark gemacht haben! Im übrigen, in einem Sozialstaat ist es üblich, dass Menschen in sozialen Schieflagen nicht abgeschrieben werden. Vor allem dann nicht, wenn sie Jahrzehnte lang in die sozialen Kassen einzahlen und eingezahlt haben!

Mein Motto ist Integration statt Ausgrenzung - Miteinander statt Nebeneinander. Die MigrantInnen müssen als gleichberechtigte Bürgerinnen und Bürger willkommen sein und als Bereicherung für die Stadt wahrgenommen werden. Bürgerrechte für alle, nicht mehr und nicht weniger - das ist meine Politik. Das setzt selbstverständlich voraus, dass die Zugewanderten das Grundgesetz als Grundlage für ein friedvolles Zusammenleben akzeptieren, universelle Menschenrechte und die Gleichberechtigung von Mann und Frau nicht in Frage stellen. D.h. auch, es muss klar sein, dass in unsere Gesellschaft kein Platz ist für Ehrenmorde und Zwangsheirat, um nur einige Beispiele zu nennen.

Mit freundlichen Grüßen,

Özcan Mutlu