Frage an Özlem Demirel bezüglich Verkehr

Özlem Demirel
Özlem Demirel
DIE LINKE
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Frage von Felix S. •

Frage an Özlem Demirel von Felix S. bezüglich Verkehr

Sehr geehrte !

Wie soll Europa zusammenwachsen, wenn man ohne Auto oft nicht über die Grenzen kommt?
Wie stehen Sie zu der Idee, eine deutsch-französische Hochgeschwindigkeitsstrecke Karlsruhe-Straßburg-Freiburg-Mülhausen-Basel zu schaffen? Alle Metropolen des Oberrheingraben wären so miteinander verbunden und auf den alten Strecken wäre mehr Platz für Regional- und Güterzüge.

Sind Sie für de Elektrifizierung der Bahnstrecke Neustadt Weinstraße-Worth-Straßburg, damit der Güterverkehr auf beide Rheinseiten verteilt werden kann?
Sind Sie dafür das Schöne Wochenendeticket zu erhalten und auf alle Wochentage auszudehnen und europaweit gelten zu lassen?
Warum sind die Strecken zwischen Deutschland und Polen oft nicht elektrifiziert?
Wie stehen Sie zu Zügen im Deutschen Bahntarif Trier-Saarbrücken-Straßburg-Offenburg-Konstanz?
Wollen Sie die Bahnstrecken, die Deutschland mit Nachbarländern verbinden reaktivieren, darunter:
Borken-Winterswijk
Kleve-Nimwegen
Mönchen Gladbach-Roermond
Trier-Metz
Freiburg-Colmar
Holzau-Moldava
Ebersbach-Rumburk

Werden Sie sich dafür einsetzen, bei Fehmarn einen bergmännischen Tunnel ab Großenbrode zu bauen, statt einen mit einem Absenktunnel massiv in das Ökosystem Ostsee einzugreifen und die Urlaubsinsel zu teilen?

Werden Sie sich für die Abschaffung der von der EU vorgeschriebenen Trassenpreise bei der Bahn einsetzen, da diese volkswirtschaftlich sinnvollen Schienenverkehr zerstört haben (Inter Regio, lokaler Güterverkehr) und so die Verlagerung von Verkehrsleistung von der Straße auf die Schiene verhindern? Es muss den Staaten freigestellt werden, das Schienennetz ohne Trassenpreise zu finanzieren.

Werden Sie dafür eintreten, dass Bahnunternehmen im Rahmen ihrer Möglichkeiten sich bei Zugausfällen gegenseitig unterstützen müssen und freie Kapazitäten zur Mitnahme von gestrandeten Reisenden freistellen müssen und durchgehende Fahrkarten unter allen Bahnbetreibern angeboten werden müssen?

Mit bestem Gruß, F. S.

Özlem Demirel
Antwort von
DIE LINKE

Die Liberalisierung des Eisenbahnmarktes ist aus meiner Sicht ein Irrweg, der bis auf Ausnahmefälle nicht zu besseren, sondern in vielen Fällen zu schlechteren Verbindungen insbesondere im grenzüberschreitenden Verkehr geführt hat. Vor einigen Jahrzehnten gab es auf vielen Strecken durch Europa bessere Bahnverbindungen als heute, weil die damaligen Staatsbahnen meist sehr gut zusammengearbeitet haben. Heute sehen sich diese Bahnen aufgrund der Liberalisierung gegenseitig als Wettbewerber und machen sich gegenseitig Konkurrenz in den jeweils anderen Ländern, was eine Zusammenarbeit erheblich erschwert und wodurch viele dieser grenzüberschreitenden Verbindungen insbesondere im Nachtzugverkehr weggefallen sind.

Im Mittelpunkt der Bahnpolitik muss aus meiner Sicht die Kooperation der Bahnunternehmen stehen und nicht die Konkurrenz. Wir setzen uns für eine entsprechende Veränderung der EU-Eisenbahnpolitik ein, die bisher mit jedem der „Eisenbahnpakete“ die Liberalisierung noch weiter treibt. Stattdessen ist es höchste Zeit zu erkennen, dass diese Ideologie im Eisenbahnsektor offensichtlich nicht funktioniert und stattdessen eine Kooperation zugunsten von Fahrgästen, Klima und Umwelt gefördert werden muss.

Aus meiner Sicht muss alles getan werden, um die Bahn als Verkehrsträger gegenüber dem Flugzeug und auch dem Auto zu stärken. Dazu gehören faire Wettbewerbsbedingungen zwischen den Verkehrsträgern, aber auch Investitionen in das Bahnnetz statt in den weiteren Ausbau der Flughafen- und Straßeninfrastruktur. Für längere Reisen – wozu auf entsprechend ausgebauten Strecken sogar auch über 1000 km gehören sollten – sind Nachtzüge hier eine sehr komfortable Option für die Reise, die gefördert werden muss. Deshalb hat sich unsere Bundestagsfraktion auch sehr vehement für deren Erhalt eingesetzt (siehe Bundestagsdrucksachen 18/2494, 18/7904 u.a.). Die EU sollte hier – z.B. über die European Union Agency for Railways – auch die Rolle einer Koordinatorin zwischen den Eisenbahnunternehmen spielen, so dass wieder ein koordiniertes europaweites Netz von Tages- und Nachtzügen entstehen kann und somit die Bahn auf allen Strecken innerhalb Europas eine gute Alternative ist.

Die Kerosinsteuerbefreiung für den Luftverkehr muss innerhalb der EU aufgehoben werden. Auch die Mehrwertsteuerbefreiung für grenzüberschreitende Flüge, die in vielen EU-Ländern gilt, muss abgeschafft werden. Stattdessen sollte die Energiesteuer für den Bahnstrom, der schon heute einen erheblichen Anteil erneuerbarer Energien enthält, reduziert werden, und zusätzliche Belastungen auf diesen (z.B. die EEG-Umlage in Deutschland) sollten wegfallen. Die Besteuerung ist dabei zwar Aufgabe der nationalen Parlamente und wird von unserer Bundestagsfraktion auch so gefordert (siehe Bundestagsdrucksache 18/3746), eine entsprechende EU-Richtlinie müsste aus unserer Sicht aber hier die richtigen Vorgaben machen und damit auch sicherstellen, dass die nationalen Parlamente nicht immer mit der Begründung des angeblichen Wettbewerbs innerhalb der EU die luftverkehrsfreundlichen Regelungen beibehalten. Zudem muss die EU-Investitionspolitik so gestaltet werden, dass dabei die klimafreundlichen Verkehrsträger – allen voran die Bahn – gefördert werden.

Wir werden uns im Europaparlament dafür einsetzen, dass die EU als ersten Schritt eine groß angelegte Studie für ein Konzept für ein koordiniertes, europäisches Fernzugnetz beauftragt. Auf dieser Basis muss sie dann mit den europäischen Bahnen ins Gespräch gehen und mit diesen die schnelle Umsetzung eines solchen Konzepts erörtern. Ein EU-Förderprogramm sowohl für eventuell notwendige Strecken-Ausbaumaßnahmen (insbesondere in den Grenzbereichen) als auch für die Anschaffung des Wagenmaterials und den Betrieb der Linien muss sodann sicherstellen, dass diese Umsetzung auch tatsächlich stattfindet. Notwendig ist außerdem ein EU-weites vernetztes Buchungssystem, so dass die grenzüberschreitenden Züge mindestens so einfach buchbar werden, wie das heute bereits im Luftverkehr der Fall ist.

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