Frage an Olav Gutting von Rudolf B. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrter Herr Gutting,
Die Wahlbeteiligung hat in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich nachgelassen. Insbesondere die jüngere Generation verweigert zunehmend eine aktive Beteiligung in der Politik. Alle Appelle haben nichts genützt und eine „Wahlpflicht“ wird von seriösen Parteien nicht diskutiert.
1. Sind die Parteien für diese Entwicklung aus Ihrer Sicht mit verantwortlich?
2. Welche persönlichen Vorschläge wollen Sie in Ihrer Partei einbringen, um diesen bedrohlichen Missstand zu beheben? Kann man diese Vorschläge dann bei Ihnen
nachlesen?
3. Welche Maßnahmen (außer weiteren Appellen) planen Sie hierzu in den nächsten vier Jahren innerhalb Ihrer Partei in unserem Wahlbezirk?
Viele Grüße aus Hockenheim!
Rudolf Berger
Sehr geehrter Herr Berger,
besten Dank für Ihre Eingabe vom 27. vorigen Monats, die Sie über das Portal "Abgeordnetenwatch" an mich gerichtet haben.
In der Sache darf ich Ihnen wie folgt antworten:
1. Die Wahlbeteiligung ist bei Bundestagswahlen heute auch nicht schlechter als 1949. Sie lag 1949 bei 78,5 Prozent und im Jahr 2005 bei immerhin 77,7 Prozent. Die Behauptung, es gebe ein kontinuierliches Nachlassen der Wahlbeteiligung, ist also zumindest, was die Bundestagswahl betrifft, nicht ganz zutreffend. Wir liegen hier auch im internationalen Vergleich nicht schlecht. Blicken wir beispielsweise auf die Wahlbeteiligung in den Vereinigten Staaten von Amerika, eine der ältesten Demokratien der Welt, dort dümpelt die Wahlbeteiligung zumeist so um die 50 Prozent. Allerdings hängt das Wahlinteresse auch immer von der jeweiligen Stimmung im Land ab. So schnellte die Wahlbeteiligung in den USA bei den Präsidentenwahlen 2008 um mehr als 10 Prozentpunkte nach oben.
Etwas anders liegen die Dinge bei Kommunal-, Landtags- und Europawahlen. Hier ist tatsächlich eine beängstigende Zunahme der Nichtwähler erkennbar. Ich betrachte diese Entwicklung mit großer Sorge.
Letztendlich gefährden die Nichtwähler den Fortbestand unserer Demokratie. Demokratie lebt vom Mitmachen. Für diese beklagenswerte Entwicklung sind die Parteien mit verantwortlich. Die Parteien haben schließlich den Auftrag zur politischen Willensbildung. Hier gilt es im Wahlkreis immer ein offenes Ohr zu haben.
Bei den Nichtwählern darf man getrost unterschiedliche Motive unterstellen. Ein Teil ist politikverdrossen, enttäuscht und fühlt sich von den Parteien nur unvollständig vertreten. Hier müssen die Parteien insgesamt stärker auf ihre Glaubwürdigkeit achten. Leider geraten immer noch zu viele Politiker in die Versuchung, den Menschen „das Blaue vom Himmel“ zu versprechen (aktuell z.B. die SPD-Aussage von zusätzlichen 4 Millionen Arbeitsplätzen bis 2020!), obwohl jeder weiß, dass solche Versprechungen nicht einzuhalten sind. Eine globale Krise wie die derzeitige Finanzmarktkrise und alle Prognosen können bzw. müssen über den Haufen geworfen werden. Wahrheiten auszusprechen, mag manchmal schmerzhaft sein und kurzfristig auch Wählerstimmen kosten, doch auf Dauer wird sich diese Art von Glaubwürdigkeit auszahlen.
Es gibt aber auch eine andere Gruppe von Nichtwählern, die – da es ihnen an nichts zu fehlen scheint – mit dem derzeitigen politischen Handeln zufrieden sind, und von daher glauben, nicht wählen gehen zu müssen. Sie sind überzeugt, dass ohnehin alles bleibt wie es ist. Dabei handelt es sich aber um eine Milchmädchenrechnung. Wir müssen den Bürgern klar machen: Wer nicht wählt, spielt mit seiner Zukunft. Das setzt weitere zukünftige Aufklärungsarbeit voraus.
2./3. Ich lade jedes Jahr mehrere Hundert Schülerinnen und Schüler aus dem Wahlkreis nach Berlin in den Bundestag ein und suche die Diskussion mit jungen Menschen. Ähnliche Diskussionen führe ich auch direkt in den Schulen meines Wahlkreises, sofern dies von Seiten der Lehrkräfte gewünscht wird. Dabei mache ich immer wieder die Erfahrung, dass die junge Generation bei weitem nicht so unpolitisch ist, wie dies in manchen Studien behauptet wird. Die Jugendlichen sind durchaus sehr an Politik interessiert. Der Dialog mit den Jugendlichen bringt aber auch für meine eigene politische Arbeit Gewinn. Man bekommt Anregungen und Ideen vermittelt, die man in die politische Arbeit einbeziehen kann.
Mir sind viele Beispiele präsent, in denen ein Informationsbesuch beim Bundestag und eine anschließend mit mir geführte Diskussion der Ausgangs- punkt für Jugendliche war, sich für das Funktionieren einer Demokratie und damit für Politik zu interessieren. Ich werde deshalb diese Praxis beibehalten und an den Schulen und bei den Lehrern weiter für den Besuch der Parlamente werben. Daneben nehme ich jedes Jahr an dem vom Deutschen Bundestag veranstalteten Planspiel "Jugend im Parlament" teil. Es gibt jungen Menschen die Möglichkeit, selbst Politik zu machen. Jugendliche aus dem gesamten Bundesgebiet kommen nach Berlin und erhalten vier Tage lang hautnah einen Einblick in die Arbeit des Deutschen Bundestages. Gleichzeitig sind aber auch die Eltern und die Schulen gefragt, wenn es darum geht die Bedeutung von Demokratie zu vermitteln.
Mit freundlichen Grüßen
Olav Gutting, MdB