Frage an Omid Nouripour bezüglich Wirtschaft

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Omid Nouripour
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Frage von Christine K. •

Frage an Omid Nouripour von Christine K. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Nouripour,

ich muss noch einmal auf meine Fragen vom 2. Juli zurückkommen. Sie antworteten, dass bei ESM und Fiskalpakt die damit verbundenen Kosten kalkulierbar sind und dass für den ESM ein hohes Maß an Parlamentsbeteiligungsrechten gesichert ist.

Art. 8 Abs. 2 des ESM bestimmt, dass der Gouverneursrat den Ausgabekurs des ESM-Kapitals beliebig erhöhen kann. Das bedeutet, dass die Höhe der deutschen Haftung auch beliebig höher sein kann als die bisher diskutierten unfassbaren 190 Milliarden Euro.

Art. 25 Abs. 2 legt eine Nachschußpflicht fest, wir dürfen heute davon ausgehen, dass uns diese Pflicht realistischerweise auferlegt wird, bspw. wenn Spanien,Portugal oder Griechenland ihre eigenen Einzahlungen nicht leisten können. Zusätzlich kann der ESM lt. Artikel 21 unbeschränkt Kredite aufnehmen - also faktisch Eurobonds.

Sind die Kosten damit aus Ihrer Sicht wirklich noch kalkulierbar? Wie hoch kalkulieren Sie die Kosten dann?

In der FAZ von heute http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/europas-schuldenkrise/schuldenkrise-retten-ohne-ende-11832561.html ist beschrieben, wie im Fall von "Dringlichkeitsbeschlüssen" (Art. 4 Abs. 4, eine genaue Definition von "Dringlichkeit" fehlt) wohl vorgegangen werden muss. Der Finanzminister, Mitglied im Gouverneursrat, wird sein Parlament bitten müssen, die "Dringlichkeitsbeschlüsse" nachträglich zu genehmigen. Tut das Parlament das nicht, so hat das meiner Ansicht nach keine Folgen. Der ESM, niemandem zur Rechenschaft verpflichtet, unbegrenzter Geheimhaltung unterlegen, deren Manager lebenslange Immunität geniessen, wird seine "Dringlichkeitsbeschlüsse" umsetzen. Unbeschadet der Beschlüsse des Deutschen Bundestages.

Sind damit die Parlamentsbeteiligungsrechte wirklich noch gewährleistet?

Es würde mich freuen, wenn Sie inhaltlich auf die von mir aufgeführten Punkte des ESM eingehen und Ihre Sicht darlegen könnten.

Mit freundlichem Gruß

Christine Kirchhoff

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Sehr geehrte Frau Kirchhoff,

vielen Dank für Ihre Nachfrage zum ESM. Sie gehen hierin auf meine Aussage „außerdem bin ich der Ansicht, dass bei ESM und Fiskalpakt die damit verbundenen Kosten kalkulierbar sind“ ein, die ich in meiner vorangegangenen Antwort an Sie gemacht habe. Zu dieser Aussage gehört auch der nächste Satz, „dagegen sind die volkswirtschaftlichen Kosten nicht absehbar, die auf uns zukommen, wenn wir nichts unternehmen“, auf den Sie leider keinen Bezug nehmen.

Bei dem von Ihnen zitierten Artikel in der FAZ handelt es sich um einen Meinungsbeitrag von Prof. Dr. Stefan Homburg, der bei den derzeit vor dem Bundesverfassungsgericht laufenden Verfassungsbeschwerden die Kläger berät. Er hat sich in der Vergangenheit bereits dafür ausgesprochen, dass die Euro-Zone „abgewickelt“ werden und Deutschland den Euro im Zweifel alleine aufkündigen solle. Konkrete Angaben dazu, welche Kosten aus einer solchen Entscheidung auf uns und unsere Volkswirtschaft zukämen, machte er bislang leider nicht.

In ihrer Argumentation wiederholen Sie einige Aussagen von Prof. Dr. Homburgs Artikel. Ich gehe im Gegensatz dazu weiterhin davon aus, dass der ESM kein „Fass ohne Boden“ ist. Die beschlossene Gewährleistung darf ohne Zustimmung des Bundestages nicht überschritten werden. Auch erwarte ich von dem deutschen Vertreter im Gouverneursrat des ESM, dass er sich an die vom deutschen Bundestag beschlossenen Verfahren hält und somit die vereinbarte Beteiligung des Parlaments gewährleistet ist. Alles weitere obliegt derzeit der Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht und ich denke, wir sollten nun die Entscheidung der Verfassungshüter abwarten.

In der Grundsatzfrage darüber, ob wir in Deutschland –bei allen Konstruktionsfehlern aus der Vergangenheit- weiter am Euro festhalten wollen oder nicht, kann man selbstverständlich unterschiedlicher Ansichten sein. Ich würde mir in der Debatte hierüber aber sehr wünschen, dass diejenigen, die einen sofortigen Austritt Deutschlands aus dem Euro fordern, gleichzeitig ein wenig konkretere Angaben dazu machen, wie hoch sie die Kosten und Risiken eines solchen Schrittes beziffern würden.

Mit besten Grüßen

Omid Nouripour

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