Frage an Paul Ziemiak bezüglich Soziale Sicherung

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Paul Ziemiak
CDU
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Frage von Haiko T. •

Frage an Paul Ziemiak von Haiko T. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Ziemiak, sehr geehrte Damen und Herren des Büro-Teams,

ich nehme Bezug auf die Frage von Herrn Uwe Cyrkel vom 23.11.2020 bzw. die Antwort Ihres Teams darauf. Als Politiklehrer frage ich mich oft, ob Politiker wirklich glauben mit derlei Antworten kritische Bürger überzeugen zu können und vor allem für unsere Willensbildung nicht zu verlieren. In jedem Sozialkundelehrbuch ab Klasse 8 wird Ungleichheit in Deutschland thematisiert. Ich weiß nicht, warum der Generalsekretär unserer Regierungspartei dafür noch eine Quelle als Nachweis benötigt. Hier wären aber zwei, die in der CDU bekannt sein sollten:
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1184266/umfrage/einkommensungleichheit-in-deutschland-nach-dem-gini-index/
https://www.bundesfinanzministerium.de/Monatsberichte/2019/05/Inhalte/Kapitel-3-Analysen/3-1-soziale-ungleichheit.html
Ich präzisiere also die Frage des Herrn Cyrkel: welche konkreten Schritte plant die CDU, dem Trend der steigenden Differenz von Einkommens- und Vermögensungleichheit entgegen zu wirken?

Mit freundlichen Grüßen
H. T.

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Antwort von
CDU

Sehr geehrte Herr Thieme,
vielen Dank für Ihre Zuschrift. Dieses komplexe Thema ist in diesem Rahmen nur bedingt zu beantworten.

Der Gini-Koeffizient ist in Bezug auf die Verteilung der Einkommen in Deutschland sehr aufschlussreich. In den von Ihnen angefügten Links zeigt sich, dass (1) Deutschland im internationalen Vergleich bzw. innerhalb der EU eine unterdurchschnittliche Ungleichverteilung bei den Einkommen hat und dass (2) der Gini-Koeffizient relativ konstant ist. Der heutige Wert entspricht dem Gini-Koeffizient aus dem Jahr 2005. Der Trend ist allerdings tatsächlich ansteigend.

Weiter wurde „Ungleichverteilung“ mit „Arm und Reich“ gleichgesetzt. Die Ungleichverteilung kann jedoch innerhalb einer Gesellschaft unterschiedliche Wirkung entfalten. Das zeigt sich am Gini-Index, wo der Kosovo, Algerien und der Irak auf einem Niveau mit Norwegen, Dänemark und Schweden sind. Die Kaufkraft in den unteren Einkommensgruppen ist dabei viel aufschlussreicher, aber wird nur bedingt von der Ungleichverteilung von Einkommen beeinflusst.

Weiter werden Fragen der Teilhabe, die in Deutschland vielfach kostenlos oder stark subventioniert sind, nicht berücksichtigt. Sozialer Wohnungsbau, subventionierter ÖPNV, Zugang zu Kultur oder kostenlose universitäre Bildung werden von statistisch nicht erfasst. Hier haben wir in den vergangenen Jahrzehnten in beinahe allen Bereichen eine Entwicklung zu weniger Selbstbeteiligung der Bürgerinnen und Bürger erlebt – Kurzum: Mehr Teilhabe für einkommensschwache Personen.

Ebenfalls unberücksichtigt blieb in der Fragestellung der Faktor ‚Migration‘. In den letzten fünf Jahren sind weit mehr als eine Million Menschen ohne Vermögen und mit niedrigen Erwerbschancen nach Deutschland gekommen, die einen erheblichen Teil der AlG-II-Empfänger stellen. Diese Menschen würden sich höchstwahrscheinlich nicht als „arm“ bezeichnen, weil ihre momentane Situation im Vergleich zu den Lebensumständen in einem Flüchtlingslager im Libanon deutlich besser sind. Der Vorwurf, dass unter der CDU-Regierung die Einkommensungleichheit zugenommen hat, trifft demnach besonders auf die Jahre 2015 und 2016 zu.

„Ich bitte Sie in Ihrer Antwort, keine bisherigen Maßnahmen aufzuzählen, denn diese haben ja offensichtlich nichts gebracht und nur das Gegenteil bewirkt“. In der Frage wurde bereits impliziert, dass das staatliche Handeln Ungleichverteilung forciert. Während das nominale Bruttoinlandsprodukt zwischen 2010 und 2017 um ungefähr 26,5 Prozent gewachsen ist, ist das kassenmäßige Aufkommen der Einkommensteuer um 56,7 Prozent und das des Solidaritätszuschlags um 53,3 Prozent gestiegen. Die Einnahmen des Fiskus aus der Einkommensteuer und dem Solidaritätszuschlag sind in den letzten Jahren stark gestiegen und der Staatshaushalt ist primär von Umverteilung geprägt. Die staatliche Umverteilung und die Steuerlast sind in Deutschland auf einem sehr hohen Niveau. Ein Beispiel: Rund 100 Mrd. Euro werden jedes Jahr aus dem Bundeshaushalt in die gesetzliche Rente eingezahlt, wobei die Einkommenssteuer dabei den größten Anteil hat. Etwas über 20 Mio. Erwachsene zahlen fast keine Einkommensteuer, weil ihr steuerpflichtiges Einkommen zu gering ist. Umgekehrt zahlen rund 1,6 Mio. Menschen, was weniger als 3 Prozent der Bevölkerung sind, fast 25 Prozent des gesamten Aufkommens aus Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag.

Die grundsätzliche Frage ist, ob Einkommensgleichheit ein Selbstzweck ist. Das durchschnittliche Einkommen liegt in Deutschland bei 3.099 Euro brutto / 2.079 Euro netto im Monat. Die Politik hat in einer Marktwirtschaft nur bedingt Einfluss auf die Gehälter, die die Unternehmen zahlen. Auch der Verdienst von Selbstständigen entzieht sich dem Einfluss der Politik.
Im öffentlichen Dienst könnte die Politik die Differenz bei den Einkommen vollständig beseitigen. Es wäre ein einheitliches Gehalt im öffentlichen Dienst denkbar, das Voll- und Teilzeit unberücksichtigt lässt. Für Sie als Lehrer wäre dies wahrscheinlich mit erheblichen Einbußen verbunden, aber diese Maßnahme würde schnell Wirkung entfalten. Das wäre ein ganz ‚konkreter Schritt‘. Würden Sie diese Reform befürworten?
Sollte Ihr Netto-Gehalt oberhalb von 2.079 Euro liegen könnten Sie die Differenz natürlich schon jetzt an einkommensschwächere Menschen spenden. Warum wollen Sie auf die Politik warten?

Mit freundlichen Grüßen

Team Ziemiak

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