Frage an Petra Sitte bezüglich Bildung und Erziehung

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Petra Sitte
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Frage von Babette F. •

Frage an Petra Sitte von Babette F. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrte Frau Dr. Sitte,

1 Was ist aus Ihrer Sicht die Ursache des demografischen Wandels in Sachsen-Anhalt und wie sollte man damit politisch umgehen (bitte eine kurze Antwort)?
2 Wie kann aus Ihrer Sicht die Bundespolitik zur Stärkung des ländlichen Raumes in Sachsen-Anhalt beitragen?
3 Wie wird sich der ländliche Raum entwickeln, wenn so viele Grundschulen geschlossen werden, wie dies die CDU/SPD-Landesregierung in Sachsen-Anhalt vorhat?
4 Kann bzw. soll aus Ihrer Sicht die SchulentwicklungsVO des Landes vom 30.5.2013 aufgehoben werden? Bitte begründen Sie Ihre Auffassung.
5 Welche Chancen sehen Sie, die Schließung vieler Grundschulen in Sachsen-Anhalt zu verhindern?

Herzlichen Dank für Ihre Antworten auf dringende Fragen besorgter Eltern!

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DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Fischer,

ich danke Ihnen sehr für Ihre Fragen. Dass die derzeitigen Entwicklungen im Bildungssystem Sachsen-Anhalt Sie und viele andere Eltern beunruhigen, kann ich sehr gut nachvollziehen.

1 Was ist aus Ihrer Sicht die Ursache des demografischen Wandels in Sachsen-Anhalt und wie sollte man damit politisch umgehen (bitte eine kurze Antwort)?

Auf die Frage nach den Gründen für den demografischen Wandel fällt eine kurze Antwort schwer: Die Ursachen für den demografischen Wandel sind vielfältig. Zum einen ist es eine veränderte Geburtensituation nach 1990, die möglicherweise zur Hälfte mit den Unsicherheiten der Wende begründet ist, zum anderen aber durch das demografische Echo der Zeit vor dem Babyboom und den sozialpolitischen Maßnahmen und nach dem Geburtenrückgang, der als "Pillenknick" bezeichnet wird. Es kommen weitere, nicht nur auf Sachsen-Anhalt oder den Osten begrenzte Gründe hinzu. Darüber hinaus wirken aber auch die massive Abwanderungen von jungen Leuten vor oder auch nach ihrer Ausbildung, weil sie in unserem Bundesland zu wenige oder zu schlechte persönliche berufliche Perspektiven sehen. Wie kann man diesen Prozessen politisch entgegenwirken? In erster Linie müssen attraktive berufliche Perspektiven hier im Land geschaffen werden. Dazu gehört die Verbesserung des Einkommensniveaus, zum Beispiel durch einen gesetzlichen Mindestlohn und das, was ich unter der zweiten Frage beantworte.

2 Wie kann aus Ihrer Sicht die Bundespolitik zur Stärkung des ländlichen Raumes in Sachsen-Anhalt beitragen?

Für DIE LINKE steht fest, dass überall gleichwertige Lebensverhältnisse ermöglicht werden müssen. Dazu gehört, dass in den ländlichen Räumen die öffentliche Infrastruktur erhalten und ausgebaut wird, damit der Zugang zu Kultur, Bildung, zu Gesundheitsdienstleistungen und Versorgung dauerhaft gesichert wird. Insbesondere die ärztliche Versorgung auf dem Lande muss durch eine zielgerichtete Gesundheitspolitik des Bundes verbessert werden. Ein Gemeindeschwesternsystem könnte dabei helfen, das Leben zu erleichtern. Gerade für ältere Menschen, die nicht mehr so mobil sind, müssen hier ortsnahe Behandlungs- und Versorgungsmöglichkeiten geschaffen werden.
Die große Chance ländlicher Räume besteht in naturnaher Wirtschaft, und einem Mix aus landwirtschaftlichen Betrieben und kleinen und mittleren Unternehmen, insbesondere auch Handwerksbetrieben. Dazu sollten entsprechende Förderprogramme aufgelegt werden.

3 Wie wird sich der ländliche Raum entwickeln, wenn so viele Grundschulen geschlossen werden, wie dies die CDU/SPD-Landesregierung in Sachsen-Anhalt vorhat?

Schulpolitik ist zwar ausschließlich Landessache, aber ich halte die weitere Ausdünnung der Schullandschaft nicht für den richtigen Weg. Für uns gilt noch immer das Motto: "Kurze Wege für kurze Beine!". Allerdings muss auch die Bildungsqualität gewährleistet sein. In der Schulentwicklung in Sachsen-Anhalt sind schon in den neunziger Jahren grundlegende Fehler gemacht worden mit dem Auseinanderfallen der Schulformen. Die LINKE plädiert für Gemeinschaftsschulen, wobei ich davon ausgehe, dass es ein deutlich dichteres Grundschulnetz geben muss als es bei den weiterführenden Schulen möglich ist.

4 Kann bzw. soll aus Ihrer Sicht die SchulentwicklungsVO des Landes vom 30.5.2013 aufgehoben werden? Bitte begründen Sie Ihre Auffassung.

Die Festlegungen in der Schulentwicklungsplanverordnung folgen offensichtlich der Sorge um die Lehrerversorgung in kleinen Schulen. Mit einer solchen Regelung stehen eine ganze Reihe Grundschulen vor dem Aus. Allerdings kann die Schulentwicklungsplanung nicht von der Lehrerstellensituation abgekoppelt werden. In Sachsen-Anhalt droht in der Tat ein deutlicher Lehrkräftemangel. Die Ausbildung von genügend Lehrkräften ist in der Vergangenheit angesichts des damals vorhandenen Überhanges nicht genügend betrieben worden. Das wird sich zuerst in den Grundschulen bemerkbar machen. Ich kritisiere die Verordnung aber noch aus einem anderen Grund: Die Voraussetzungen für einen erfolgreichen inklusiven Unterricht können so nicht geschaffen werden. Das aber ist nicht nur Gesetzesauftrag, sondern auch moralische Verpflichtung!
Ich habe mich immer gegen starre Regeln gewandt, die nicht genug auf die konkrete Situation vor Ort eingehen. Schädlich ist dabei auch, dass die Verantwortungen für räumliche Absicherung von Bildung, also die Schulgebäude, von der inhaltlichen und personellen getrennt ist. Die Kommunen müssen danach entsprechend der Verordnung handeln, obwohl es vielleicht andere Möglichkeiten gäbe. Zum Beispiel die der Kooperation mit anderen Gemeinden oder das von mir favorisierte Floating-Modell, das einen flexibleren Umgang mit schwankenden Schülerzahlen erlaubt.

5 Welche Chancen sehen Sie, die Schließung vieler Grundschulen in Sachsen-Anhalt zu verhindern?

Letztendlich hängt der Erhalt zahlreicher Grundschulen am politischen Willen der Landesregierung. Ich denke, dass hier der Städte- und Gemeindebund und Elternvertretungen gemeinsam aktiv werden müssen, um diesen Willen entscheidend zu beeinflussen. Dabei kann es nicht das Ziel sein, einfach die bestehende Verordnung aufzuheben. Vielmehr brauchen wir ein Verfahren, das ein ausgewogenes Angebot an Schulen gewährleistet. Gerade Grundschulen sollten dabei auch mal klein sein dürfen. Doch ohne eine interkommunale Zusammenarbeit wird es nicht gehen. Daran sind aber schon in der Vergangenheit manche Bemühungen um Schulerhaltung gescheitert. Am Ende zählt, ob es ein gutes und gut erreichbares Schulangebot für Grundschulkinder gibt.

Bei weiteren Fragen würde ich mich sehr freuen, wieder von Ihnen zu hören.

Mit freundlichen Grüßen

Petra Sitte

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