Sehr geehrter Herr Meuser,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 11.08. auf www.abgeordnetenwatch.de. Bitte entschuldigen Sie, dass sich meine Antwort durch die Sommerpause etwas verzögert hat.

Sie sprechen vor allem die Punkte Demokratiedefizit und die fehlende Transparenz in der Europäischen Union an. Aber genau hier schafft der Lissabonvertrag wesentliche Verbesserungen.

Mit dem Vertrag von Lissabon wurden die Kompetenzen des Europäischen Parlaments im Bereich der Gesetzgebung auf neue Bereiche ausgedehnt sowie seine Kontrollmöglichkeiten verbessert. Dies ist wichtig für Sie als Bürger, denn damit ist das Parlament, das direkt von Ihnen gewählt wird, gleichberechtigt mit dem Rat der Europäischen Union, in dem - in Deutschland vergleichbar mit dem Bundesrat - die Regierungen der Mitgliedstaaten vertreten sind.

Ein gutes Beispiel für die neue Rolle des Parlaments - wie auch für seine gewachsenes Selbstbewusstsein - ist das sogenannte SWIFT-Abkommen, das die Übermittlung von Zahlungsverkehrsdaten aus der EU an die USA regelt. Das Abkommen wurde bereits vor dem Lissabon-Vertrag noch ohne das Europäische Parlament ausgehandelt. Dank ihrer neuen Kompetenzen im Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen konnten die Europaabgeordneten entscheidende Verbesserungen im Datenschutz zugunsten der Unionsbürger erwirken.

Auch die Parlamente der einzelnen Mitgliedstaaten können sich nun stärker an der Arbeit der Union zu beteiligen. Sie können überprüfen, ob das Prinzip der "Subsidiarität" eingehalten wird. Dieses Prinzip gewährleistet, dass Entscheidungen so bürgernah wie möglich getroffen werden. Das heißt, es wird laufend geprüft, ob ein Handeln auf EU-Ebene gerechtfertigt ist, oder ob es geeignete Alternativen auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene gibt. Die nationalen Parlamente können ihre Meinung schon äußern, bevor ein Vorschlag der Kommission vom Europäischen Parlament und vom Rat der zuständigen Fachminister geprüft wird.

Des Weiteren führt der Lissabon-Vertrag das Instrument des Europäischen Bürgerbegehrens ein. Dies ist das erste formelle Instrument für direkte Bürgerbeteiligung in der EU. Eine Million Unionsbürger können mit ihren Unterschriften die EU-Kommission auffordern, eine Gesetzesinitiative zu ergreifen.

Mit dem Vertrag von Lissabon wird außerdem die Arbeit der Europäischen Union transparenter. Sie können nun die Sitzungen des Europäischen Rates über dieselben Medien verfolgen, wie Sie dies beim Europäischen Parlament bisher möglich war und wie sie das auch von Bundestag und Bundesrat kennen. Unter folgenden Links gelangen Sie zur Übertragung der Rats- und Parlamentssitzung:
http://www.consilium.europa.eu/showPage.aspx?id=1103?=DE

http://www.europarl.europa.eu/eng-internet-publisher/eplive/public/default.do?language=de

Außerdem können Sie im Internet einsehen, wie viel Geld die EU in welche Bereiche investiert, wer Subventionen erhält, ja sogar wie viel ein EU-Abgeordneter verdient.

Ich persönlich veröffentliche jeden Monat nach einer Sitzungswoche in Straßburg einen "Brief aus Straßburg", in dem ich die neuesten und wichtigsten Themen aus dem Parlament aufgreife, aber auch über Ausschreibungen und Ähnliches informiere. Politik ist aber auch keine Einbahnstraße: jedem Bürger kann auch eine gewisse Selbstinitiative zugemutet werden, sich über Themen, die sein Interesse geweckt haben und ihn womöglich persönlich betreffen, selbstständig zu informieren. Ergänzend stehen den Bürgern dann natürlich auch ihre Abgeordneten zur Verfügung.

Wenn Sie sich aktiv für die europäische Integration einsetzen möchten, so kann ich Ihnen die Europa-Union Deutschland empfehlen. Anders als der Name vielleicht vermuten lässt, handelt sich hierbei um eine überparteiliche Bürgerinitiative für die europäische Einigung. Sie finden diese unter http://www.europa-union.de/ .

Ich hoffe, Ihre Frage ausreichend beantwortet zu haben, stehe Ihnen für Rückfragen gerne zur Verfügung und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Rainer Wieland