Frage an Reinhard Bütikofer bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Portrait von Reinhard Bütikofer
Reinhard Bütikofer
Bündnis 90/Die Grünen
99 %
230 / 232 Fragen beantwortet
Frage von Pascal B. •

Frage an Reinhard Bütikofer von Pascal B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Bütikofer,

ich würde sehr gerne erfahren, wie Sie zu dem seitens der Türkei geforderten EU-Beitritt stehen. Stehen Sie hinter dem größten Teil der EU-Bürger und lehnen einen Beitritt ab oder haben Sie Gründe, sicheinen Beitritt zu wünschen?

Vielen Dank und mit freundlichen Grüßen,

Pascal Bähr

Portrait von Reinhard Bütikofer
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Bähr,

von einem "seitens der Türkei geforderten EU-Beitritt" zu sprechen, verkennt die Zusammenhänge. Meines Wissens verhält sich die Sache etwas anders. Seit etlichen Jahrzehnten hat die EU der Türkei eine spätere EU-Mitgliedschaft in Aussicht gestellt. 2004 hat die EU dann die Türkei zu Beitrittsverhandlungen eingeladen, die - stockend - immer noch andauern. Den Verhandlungen fehlt seit einiger Zeit die eigentlich zu erwartende Ernsthaftigkeit.

Ob die Türkei derzeit den EU-Beitritt überhaupt noch ernsthaft verfolgt, darüber streiten die Experten. Es kann auch sein, dass sie de facto dies Ziel angesichts massiver Widerstände in Europa - einstweilen? - aufgegeben hat.

Ich würde es bedauern, wenn das Ziel einer EU-Mitgliedschaft der Türkei aufgegeben oder aus den Augen verloren würde. Dabei ist klar: Gegenwärtig ist die Türkei offenkundig noch nicht beitrittsfähig; zu viele Voraussetzungen einer Mitgliedschaft erfüllt sie bisher nicht. Aber die Politik insbesondere der Erdogan-Regierungen der letzten Jahre, auf eine EU-Mitgliedschaft hin zu arbeiten, hat enorm zu positiven, demokratischen und menschenrechtlichen Veränderungen in der Türkei beigetragen. Neben den Vorteilen für die Menschen in der Türkei böte die EU-Mitgliedschaft dieses Landes auch uns Vorteile. Diese liegen vor allem in der geo-strategischen Rolle der Türkei und in ihrer wachsenden wirtschaftlichen Stärke begründet.

Es kann sein, dass die in Deutschland, Frankreich und Österreich besonders verbreitete radikale Ablehnung der Türkei als mögliches Mitglied der EU sich jetzt in der Wirkung mit einem neuen, übertriebenen Selbstbewußtsein in der Türkei paart, so dass als Ergebnis die Beitrittsperspektive verloren geht.

Europa würde dadurch nichts gewinnen. Aber manche Chancen einbüßen.

Mit freundlichen Grüßen,

Reinhard Bütikofer

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Reinhard Bütikofer
Reinhard Bütikofer
Bündnis 90/Die Grünen