Frage an Reinhard Bütikofer bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Reinhard Bütikofer
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Frage von Günter M. •

Frage an Reinhard Bütikofer von Günter M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Bütikofer,

ich habe durch Anstrengung erreicht, dass ich trotz gesundheitlicher Einschränkungen mein Geld selbst verdiene. Ich erzog meine Kinder zu vorbildlichen Mitbürgern, die auch ehrenamtlich tätig sind.

Nunmehr bin ich etwas über 50 Jahre alt. Da ich meinen Arbeitsplatz wechseln musste, weil die gesundheitlichen Einschränkungen zu enorm wurden, hatte ich keinen Kündigungsschutz. Mein Arbeitgeber sagte mir unmissverständlich, dass er lieber Spanier einstellt.

Kürzlich war nun den Medien zu entnehmen, dass die Zuwanderung auf über 1 Mio. im Jahr 2012 angestiegen ist. Wie Sie dem Link entnehmen können, begrüßte das Frau von der Leyen und bezeichnet das als Glücksfall:

http://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/id_63287564/deutschland-zuwanderungsstrom-fuer-ursula-von-der-leyen-gluecksfall-.html

Ich bin es leid, dass die offiziell 3 Mio. Erwerbslose, plus die Erwerbslosen die die Statistik nicht erfasst, als Bagatelle abgetan werden. Viele Menschen sind schon lange erwerbslos, auch durch widrige Umstände. Eine marktnahe Qualifizierung bzw. individuelle Lösungen erfolgen meistens nicht.

Wie kann es sein, dass man nach den hier lebenden Menschen kaum schaut, aber die Bundesagentur für Arbeit z.B. gezielt in Spanien Menschen anwirbt? Ich bin kein Ausländerfeind, aber ich finde es unverschämt, dass die jungen und gesunden Zuzügler die anderen langsam verdrängen bzw. andere gar keine Möglichkeiten haben am Erwerbsleben teil zu nehmen. Wie wollen Sie das ändern?

Mit freundlichen Grüßen

Günter Möder

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Sehr geehrter Herr Möder,

vor allem, was sie für sich und Ihre Familie erreicht haben, habe ich Respekt.

Arbeitslosigkeit tue ich nicht als Bagatelle ab. Was in Ihrem Fall nötig wäre, damit Sie die Erwerbslosigkeit wieder hinter sich lassen können, kann ich natürlich nicht per Ferndiagnose feststellen. Aber ich wünsche Ihnen dabei viel Erfolg!

Doch Sie haben mir ja aus anderem Grund geschrieben.

Sie behaupten zunächst, "dass man nach den hier lebenden Menschen kaum schaut". Das ist vielleicht ein bisschen zu pauschal, aber dass für diejenigen im Lande, die nicht auf der Sonnenseite stehen, zu wenig getan wird, der Meinung bin ich auch. Wir Grüne haben in der Bundestagswahl dafür gestritten, dass sich das ändert. Aber leider nicht sehr erfolgreich. Trotzdem werden wir weiter für eine Politik der sozialen Teilhabe aller eintreten.

Nicht einverstanden bin ich allerdings damit, wie Sie das Thema Zuwanderung
ansprechen.

Dass "die jungen und gesunden Zuzügler die anderen langsam verdrängen", ist ein in manchen Diskussionen beliebtes Klischee. Natürlich kommt es vor, dass sozial Schwächere zur Lohndrückerei benutzt werden, das können übrigens auch Inländer sein. Aber darauf kann man die Realität der Zuwanderung nicht verengen. Zuwanderer tragen zu unserem Gemeinwesen auch bei. Wer das beharrlich ignoriert, kann nicht beanspruchen, die Sache fair zu betrachten.

Zu sagen: "Ich bin kein Ausländerfeind, aber...", und dann ein ausländerfeindliches Klischee folgen zu lassen, das finde ich nicht gut. Mir hat mal jemand gesagt: "Alles, was in einem Satz vor dem ABER kommt, kannst Du sowieso vergessen."

Und wenn Sie Zahlen zitieren, dann tun sie es doch nicht selektiv, bitte. Bei Lektüre des von Ihnen angegebenen Artikels erfährt man nämlich, dass einer Million Zuwanderern 700.000 Auswanderer gegenüberstehen. Aber das kann man natürlich nicht so schön dramatisieren, nicht wahr?

Ich bin überzeugt, dass eine gewisse Zuwanderung für Deutschland gut ist. Sie darf nicht ausgenutzt werden, um bestehende soziale Probleme zu verdrängen. Aber auch nicht, um die "Zuzügler" zu Sündenböcken zu machen für Dinge, die in unserem Land schief laufen.

Mit freundlichen Grüßen,

Reinhard Bütikofer

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