Frage an Sabine Bätzing-Lichtenthäler von Jutta und Jürgen K. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrte Frau Bätzing,
wir haben einen Milchviehbetrieb und sind im letzten Herbst von der Politik sehr enttäuscht worden, weil diese sich für die Ausweitung der Milchquote eingesetzt hat. Dadurch ist es zu dem katastrophal schlechten Milchauszahlungspreis für die Milchbauern gekommen. Wir denken, dass die deutschen Politiker sich eigentlich für die Ernährungssicherheit der Bevölkerung einsetzen müssten. Wenn aber die Existenz von über zwei Dritteln der Milchviehbetriebe auf dem Spiel steht, sind nicht nur bis zu 250.000 Arbeitsplätze (auch im vor- und nachgelagerten Bereich) auf dem Spiel, sondern letzten Endes auch die Ernährungssouveränität der BRD (in 70% aller Lebensmittel ist Milch in irgendeiner Form enthalten). Mit der Arroganz, mit der Frau Merkel letzte Woche mit den verzweifelten Milchbäuerinnen in Berlin umgegangen ist (sie hat sich geweigert mit ihnen zu sprechen, obwohl diese eine Woche lang auf sie gewartet haben), wird die SPD hoffentlich nicht mit den Milchviehhaltern umgehen.
Wie kann Ihrer Meinung nach ein vernüftiger und fairer Milchpreis für Verbraucher und Milchbauern erreicht werden?
Bitte unterstützen Sie unsere Forderung, die Milchproduktion und einen fairen Milchpreis durch ein flexibles europäisches Milchmengensteuerungs-Instrument stabil zu halten.
Eine weitere Frage: Wie stehen Sie zur Gentechnik in der Landwirtschaft?
Mit freundlichen Grüßen
Jutta und Jürgen Kröll
Sehr geehrte Eheleute Kröll,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Die Lage auf dem Markt, in dem sich die einheimischen Milchbauern befinden, ist mir gut bekannt. Ich habe auch in persönlichen Gesprächen bei der Demonstration der Milchbäuerinnen vor dem Kanzleramt die dringenden Hilferufe vernommen.
Man wird davon ausgehen können, dass das Preisniveau wieder ansteigen wird. Leider ist unklar, wann und in welcher Höhe das der Fall sein wird. Und den Milchbauern, die bis dahin Pleite gegangen sind, nützt dies rein gar nichts.
Kurzfristig müssen wir daher alles dafür tun, die Betriebe liquide zu halten. Die Landwirtschaftliche Rentenbank hat bereits ihr Programm "Liquiditätssicherung" im Rahmen des Förderschwerpunktes Landwirtschaft auch für Milchvieh haltende Unternehmen geöffnet, um so die Liquidität für Milchviehhalter zu sichern. Die Finanzämter sind gehalten, Steuerstundungen und die Ansetzungen der Steuervorauszahlungen kulant zu regeln. Möglich sind auch Bürgschaften in den Fällen, wo sich Banken aus der Finanzierung zurückziehen.
Der Bund stellt in 2009 insgesamt 675 Mio. Euro für die Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) zur Verfügung; die GAK bildet den Rahmen für die Agrarförderung der sogenannten "Zweiten Säule" der Politik zur ländlichen Entwicklung. Aufgrund der föderalen Struktur sind in erster Linie die Bundesländer dafür zuständig, die erforderlichen Maßnahmen zur Unterstützung der Landwirte zu entwickeln und umzusetzen.
Die SPD-regierten Länder haben zudem Anfang April zusätzlich zu bereits bestehenden Maßnahmen ein umfangreiches Maßnahmenbündel beschlossen, das insbesondere die Milchviehbetriebe stärken wird. Dazu gehören auch kurzfristig eingeführte zusätzliche Unterstützungsmaßnahmen.
U. a. wird die Prämie für Agrarumweltmaßnahmen einschließlich der Sommerweideprämie und des Ökolandbaus erhöht.
Im Einzelnen bedeutet dies:
- die Regelobergrenze für die Ausgleichszulage für Landwirte in benachteiligten Gebieten wird auf bis zu 200 Euro je Hektar erhöht und
- die Sommerweide-Prämie wird auf 50 Euro je Großvieheinheit angehoben.
Hinzu kommt eine verbesserte Förderung von Investitionen zur Einkommensdiversifizierung für land- und forstwirtschaftliche Betriebe, die mit anderen Partnern im ländlichen Raum kooperieren. Milcherzeuger, die ihre Betriebe bereits auf die Zeit nach dem Ausstieg aus der Milchquote 2015 anpassen wollen, erhalten eine deutlich erhöhte Investitionsförderung. Durch die o.g. Maßnahmen werden umweltschonende Bewirtschaftungsformen stärker gefördert und die multifunktionale Entwicklung des ländlichen Raumes unterstützt.
Wir verbessern aber auch die Investitionsförderung und ziehen sie vor. Dadurch geben wir einen zusätzlichen Konjunkturimpuls. Die Bundesländer erhalten die Möglichkeit, folgende Änderungen ab Mitte 2009 anzuwenden:
- Anhebung des Fördersatzes für besonders tiergerechte Haltungsverfahren von 30 Prozent auf 35 Prozent;
- Anhebung des förderfähigen Investitionsvolumens von 1,5 Mio. Euro auf 2,0 Mio. Euro;
- Aufhebung des Nachweises der Milchquote auch für Milcherzeuger, die ihre Anträge auf Investitionsförderung nach dem 31. Dezember 2006 gestellt haben.
Darüber hinaus werden weitere Änderungen ab 1. Januar 2010 in Kraft treten:
So ist die Anhebung des Fördersatzes für Kooperationen von Landwirten mit anderen
Partnern zur Einkommensdiversifizierung z.B. zur effizienteren Nutzung von Bioenergie geplant. Dieser steigt von derzeit 25 Prozent auf bis zu 35 Prozent.
Die Förderung von Erzeugerzusammenschlüssen, die Qualitätsprodukte erzeugen, wird erleichtert. Der Kreis der Zuwendungsempfänger bei der Förderung von Vermarktungskonzeptionen wird ausgedehnt auf Kooperationen von Erzeugern mit Unternehmen der Verarbeitung und Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse.
Die Obergrenze für die Ausgleichszulage auf ungünstigen Standorten steigt von 180 Euro
auf 200 Euro je Hektar. Die Länder erhalten die Möglichkeit, die Ausgleichszulage auf bestimmten Standorten in Berggebieten und in benachteiligten Gebieten über die Regelobergrenze von 200 Euro je Hektar hinaus anheben zu können.
Wir führen auch zwei neue Agrarumweltmaßnahmen ein. Gefördert werden kann künftig
- der klimaschonende Anbau von Körnerleguminosen mit bis zu 220 Euro je Hektar und
- das Anlegen bestimmter Grünland-Schonstreifen mit bis zu 140 Euro je Hektar. Diese Maßnahme ist vorwiegend auf intensive Grünlandstandorte ausgerichtet, für die Extensivierungsmaßnahmen nicht in Frage kommen.
Dass damit nicht alle Probleme beseitigt sein werden, ist uns bewusst. Das Milchüberangebot, welches europaweit besteht, macht es dem Handel möglich, die Preise zu bestimmen.
Wir wollen und können jedoch nicht die Hoffnung wecken, dass es dem Staat gelingen wird, die Probleme des Marktes vollständig zu lösen.
Auch in der Vergangenheit haben staatliche Maßnahmen immer nur einen begrenzten Effekt gehabt. Dennoch sind sicherlich weitere Maßnahmen notwendig.
Von Bundesministerin Ilse Aigner (CSU) und der EU-Kommission fordern wir geeignete Maßnahmen zur kurzfristigen Belebung der Binnennachfrage. Der Ausbau des EU-Schulmilchprogramms und die zeitlich befristete Gewährung von Verarbeitungsbeihilfen für Milchprodukte stehen auf unserer Forderungsliste.
Ich wünschte, Ihnen eine kurzfristige Lösung anbieten zu können. Stattdessen muss ich sie darauf vertrösten, dass wir im Rahmen des Machbaren jedem Betrieb helfen wollen.
In Rheinland-Pfalz bietet das Wirtschaftsministerium mit der Koordinierungsstelle Unternehmenshilfe und Beschäftigungssicherung einen Gesprächspartner "aus einer Hand" an, der jedem Betrieb die richtigen Ansprechpartner für seine Probleme benennt.
Sie erreichen die Hotline unter 06131 16 2777.
Gerne stehe ich auch immer für ein persönliches Gespräch mit Ihnen und/oder Ihrem Verband bereit.
Wenn dies gewünscht ist, rufen Sie meine Mitarbeiterin Gaby Wirtz unter 02689 92 99 20 an und vereinbaren Sie einen Termin.
Ich unterstütze die Initiative gentechnikfreier Westerwald.
Mit freundlichen Grüßen
Sabine Bätzing, MdB