Frage an Ska Keller bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Ska Keller, Bild: Dominik Butzmann
Ska Keller
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Peter J. •

Frage an Ska Keller von Peter J. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Eine lebendige, freie und kritische Zivilgesellschaft ist genauso unverzichtbar für jede demokratische Gesellschaft wie freie Medien. In Ungarn werden unbequeme NGOs von der Regierung mit administrativen Mitteln drangsaliert sowie regelmäßig durch Schmutzkampagnen diskreditiert.

Das “Stop Soros” Gesetz vom Sommer 2018, welches etwa die Unterstützung von Geflüchteten als “Beihilfe zur illegalen Migration” unter Strafe stellte sowie eine Sondersteuer auf Spenden aus dem Ausland einführte, war nur die Spitze des Eisbergs. Bereits 2014 warnte der Menschenrechtskommissar des Europarats vor stigmatisierenden Äußerungen ungarischer Regierungspolitiker über Organisationen, die damals den NGO-Fonds des EWR und Norwegens verwalteten.

2017 nahm die Fidesz-Mehrheit im ungarischen Parlament ein Anti-NGO-Gesetz an, das laut der Venedig-Kommission eine Gefahr für Grundrechte darstellt. Der Menschenrechtskommissar der Vereinten Nationen kritisierte dieses Gesetz und die EU-Kommission reichte deswegen eine Klage beim EU-Gerichtshof ein.

Im April 2018 veröffentlichte die fidesz-nahe Zeitschrift “Figyelö” eine Liste von 200 regierungskritischen Experten und Aktivisten, die angeblich daran arbeiteten, “die Regierung zu stürzen”. Dieser Schritt wurde u.a. auch vom OSZE-Beauftragten für die Freiheit der Medien scharf kritisiert.

Organisationen, die der Regierung Orbán politisch unbequem sind, erhalten schon seit langem keine Zuwendungen aus staatlichen Mitteln und haben auch Mühe, private Spender zu finden. Zudem ist die Regierung bestrebt, finanzielle Unterstützung dieser NGOs aus dem Ausland zu unterbinden.

Die Zerstörung der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie in Ungarn gefährdet die Zukunft der europäischen Integration. Wie kann Europa diejenigen Teile der ungarischen Zivilgesellschaft, die sich der Verteidigung europäischer Werte verschrieben haben, unterstützen? Welche Maßnahmen würden Sie diesbezüglich im Europäischen Parlament initiieren bzw. mittragen?

Ska Keller, Bild: Dominik Butzmann
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Lieber Herr J.,

Wir Grüne stehen fest an der Seite derjenigen, die in Europa für Rechtsstaatlichkeit und Demokratie kämpfen. Wir dürfen es nicht zulassen, dass Nationalist*innen und Rechtsextreme die Grundprinzipien Europas attackieren und Rechtsstaatlichkeit und Demokratie aushöhlen. Wir haben uns im Europäischen Parlament erfolgreich dafür eingesetzt, dass Demokratieverteidiger*innen in Ungarn und anderen Mitgliedsländern, in denen die Demokratie in Gefahr ist, künftig gezielt von der EU gefördert werden. Außerdem wollen wir, dass Regierungen, welche die Grundrechte und Rechtsstaatsprinzipien verletzen, die Verfügung über EU-Gelder entzogen wird. Stattdessen soll die EU-Kommission die Gelder künftig direkt an Kommunen und Akteure vor Ort ausbezahlen. So wird den nationalen Regierungen die Vergabemacht entzogen, das Geld kommt aber weiterhin dort an, wo es gebraucht und sinnvoll verwendet wird.
Wir fordern darüber hinaus einen Grundrechts-TÜV, also unabhängiges Gremium aus Verfassungsexpert*innen, das alle Mitgliedsländer regelmäßig auf die Einhaltung demokratischer Grundsätze hin überprüft und, wenn nötig, Sanktionen vorschlagen kann.

Freundliche Grüße,
Ihre Ska Keller

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