Frage an Sören Bartol bezüglich Wirtschaft

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Sören Bartol
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Frage von Hartmut L. •

Frage an Sören Bartol von Hartmut L. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Bartol,

Unser Gemeinwesen hat sich in den vergangenen drei Jahrzehnten ungeheure Probleme eingehandelt. Permanent wurden und werden heute noch dem Wahlvolk Geschenke versprochen, die nie anders als über Schulden, also der Belastung zukünftiger Generationen, zu finanzieren waren. Häufig genug hat man diese auf "Auf-Pump-Finanzierung" in den Sozialkosten versteckt (insbesondere Kohl nach der Wende) und damit allein vom Arbeitnehmer bezahlen lassen. Diese Verteuerung des Faktors Arbeit ist unzweifelhaft die Hauptursache für die Massenarbeitslosigkeit.

Die derzeitige Wirtschafts- und Sozialverfassung ist nicht mehr haltbar. Wenige Zahlen belegen dies: 1964 wurden 14,8% des Bundeshaushaltes für Rentenzuschuss und Zinsen ausgegeben, 1984 betrug dieser Anteil 25%, in 2004 sind wir bei 45,1% angelangt und wenn wir extrapolieren werden in 2024 dafür rund 75% aufgewendet werden. Für Sicherheit, Bildung, Familie, Arbeitsmarkt etc. bleiben dann noch 25%.

Viele andere Länder (Schweden, Dänemark, Holland, Österreich, Irland, GB etc.) haben es vorgemacht und die Arbeitslosigkeit mit nachfolgenden Rezepten halbiert:
hohe Mehrwertsteuer, teilweise hohe Individualsteuersätze, Finanzierung der Sozialkosten nicht vom Arbeitsentgelt sondern aus Steuern, niedrige Unternehmens- und Kapitalsteuern um Investitionen anzulocken, deutliche Reduzierung aller Subventionen (auch der heiligen Kühe) und Rücknahme sozialer Leistungsversprechen.

Was tun Sie, um den schleichenden Staatsbankrott aufzuhalten. Wann schenken Sie den Wählern reinen Wein ein und vielleicht noch schwieriger, wie wollen Sie es schaffen, dass die Wähler reinen Wein vertragen und nicht Links-Rechts-Populisten auf den Leim gehen.

Viele Grüße
Hartmut Leinweber, Marburg

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Sehr geehrter Herr Leinweber,

es ist richtig, dass wir unsere sozialen Sicherungssysteme umgestalten müssen, wenn wir sie bezahlbar halten und damit zukunftsfest machen wollen. In diesem Zusammenhang stellt es sich auf jeden Fall als großes Problem heraus, dass die Kosten der Wiedervereinigung zu einem Großteil über eben diese von der damaligen unionsgeführten Regierung finanziert wurden.

Auch die hohe Arbeitslosigkeit und die Verschuldung sind Aufgabenfelder, denen sich verantwortliche Politik ehrlich und handelnd stellen muss.

Deshalb haben wir als rot-grüne Bundesregierung den vorherigen Stillstand beendet und mit der Agenda 2010 ein umfassendes Programm zum Umbau der Sozialsysteme, zur Reform des Arbeitsmarktes und für wirtschaftliches Wachstum vorgelegt. Mit diesem Programm haben wir die Herausforderung angenommen, notwendige und für einige auch schmerzliche Reformen durchzuführen.

<>Gerade die von Ihnen angesprochene Rente ist hierfür ein gutes Beispiel. Der jetzige jährliche Bundeszuschuss an die Rentenkassen beträgt mittlerweile gut 70 Mrd. Euro Steuermittel. Und die Herausforderung der demografischen Entwicklung wird sich noch verstärken: die Geburtenrate sinkt und die Lebenszeit nimmt erfreulicherweise zu - gleichzeitig erhöht sich aber auch die Rentenbezugsdauer und das Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentnern wird unausgewogener. Deshalb haben wir handeln müssen, um die finanziellen Grundlagen der Gesetzlichen Rentenversicherung unter der Beachtung der Generationengerechtigkeit nachhaltig zu stabilisieren. Das heißt: Wir wollen und dürfen die Jüngeren nicht durch zu hohe Beiträge und die Wirtschaft durch zu hohe Lohnnebenkosten überfordern und gleichzeitig wollen und müssen wir dafür sorgen, dass die Älteren ihr Vertrauen in das Funktionieren der Rentenversicherung erhalten können. Deshalb sind wir zum einen zu den heute Erwerbstätigen ehrlich gewesen und haben ihnen gesagt, dass sie sich verstärkt um den Aufbau privater und betrieblicher Altersvorsorge bemühen müssen, den wir auch erstmals staatlich bezuschusst haben. Und zum anderen haben wir - neben anderen kurzfristig wirkenden Maßnahmen - in Bezug auf die jährliche Rentenanpassung einen Nachhaltigkeitsfaktor und eine neue Rentenformel eingeführt, nach denen jetzt für die Rentensteigerung jeweils das Verhältnis von Rentner zu Beitragszahlern sowie die Bruttolohnentwicklung in Deutschland zu berücksichtigen ist.

Wie Sie richtigerweise anmerken, ist es unerlässlich, dass wir unseren Haushalt konsolidieren und die Staatsverschuldung zurückdrängen, damit sich langfristig wieder mehr Spielräume für politisches Handeln ergeben.

Den von uns vorgesehen konsequenten Abbau von Subventionen hat die Opposition weitgehend blockiert. Bei unseren Vorschlägen zum Subventionsabbau in Höhe von 26 Milliarden Euro etwa hat der Bundesrat nur einem Abbau in der Höhe von 8,5 Milliarden zugestimmt. Doch eine Rückführung der öffentlichen Verschuldung können wir nur erreichen, wenn wir sozialverantwortlich steuerliche Vergünstigungen und Ausnahmetatbestände abbauen. Durch die konsequente Konsolidierung der Bundesausgaben in den letzen Jahren, gibt es im Bundeshaushalt kurzfristig keine milliardengroßen Einsparpotentiale auf der Ausgabenseite mehr.

Deshalb ist es unserer Meinung nach unvermeidbar, dass der notwendige Abbau von Subventionen neben der Förderung von Bildung und Forschung in erster Linie der Finanzierung der öffentlichen Haushalte und der weiteren Begrenzung der Staatsverschuldung dienen muss. Für uns ist das das Gebot vernünftiger und realistischer Haushaltspolitik. Die CDU hingegen plant eine sozialpolitisch nicht ausgewogene Streichung von Steuerausnahmen, die dann auch noch eine Einkommenssteuersenkung finanzieren soll mit besonderer Berücksichtigung höherer Einkommen. Meines Wissens ist bei der Union weder ein Euro für die Konsolidierung der öffentlichen Hauhalte vorgesehen noch werden die Löcher, die mit weiteren Einkommenssteuersenkungen für Besserverdienende entstehen, in den öffentlichen Haushalten ausreichend gegenfinanziert.

Zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit verweisen Sie auf Länder die skandinavischen Länder aber auch Irland. Da die jeweiligen Wohlfahrtsstaatsmodelle nicht dem deutschen entsprechen ist es immer schwierig die jeweiligen Reformanstrengungen, die von diesen Ländern in den letzten Jahrzehnten erbracht wurden, auf Deutschland als anzustrebendes Modell eins zu eins zu übertragen. Gerade die sozialen Risiken sind in dem Sozialstaat skandinavischer (sozialdemokratischer) Prägung schon in der Anlage des Wohlfahrtsstaates im letzen Jahrhundert stärker bürgerschaftlich und steuerorientiert angelegt worden. Wir haben in Deutschland zum Beispiel in der Rente aber ein umlagefinanziertes Versicherungsmodell, in dem auch Anwartschaften erworben wurden. Wie vorangehend geschildert bauen wir hier zum Beispiel schon um. Aber dieser Umbauprozess kann im Fall der Rentenversicherung nur über Jahrzehnte laufen.

Gerade weil das so ist und unsere Lohnnebenkosten höher als in anderen Ländern sind, halte ich eine Mehrwertsteuererhöhung in der jetzigen Situation auch für falsch. Sie würde die langsam anspringende Konjunktur jäh wieder abwürgen und damit die Situation auf dem Arbeitsmarkt nicht entspannen, sondern weiter verschärfen. Denn, was wir zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit neben einer Stabilisierung bzw. Senkung der Lohnnebenkosten brauchen, ist vor allem eine stärkere Binnennachfrage.

Eine nachhaltige Konsolidierung der Haushaltsgrundlagen werden wir daher nur im Zusammenhang mit der Durchführung von weiteren Strukturreformen und der Verbesserung der Wachstumsgrundlagen erreichen können.

Ich hoffe, dass sich die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler den Parteien zuwendet, die ernsthafte politische Konzepte anbieten, die die Herausforderungen der Zeit annehmen und nicht verschweigen.

Als Sozialdemokrat stehe ich dabei für die Erneuerung unter der Wahrung des sozialen Zusammenhalts.

Mit freundlichen Grüßen

Sören Bartol, MdB

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