Frage an Stephan Weil

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Stephan Weil
SPD
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Frage von Wilfried O. •

Frage an Stephan Weil von Wilfried O.

Hallo Herr Weil,

der Klimawandel hat einer in der Braunschweiger Zeitung im August veröffentlichten Umfrage bei den Bürgern höchste Priorität. Einer aktuellen Studie der Agora Energiewende verfehlt die Bundesrepublik die Klimaziele per 2020 deutlich (um 50 Mio. Tonnen). Im Regierungsprogramm der SPD steht leider wenig konkretes, wie sie in NIedersachsen einen (erhöhten) Beitrag leisten wollen, um die Ziele zu erreichen. Das bisherige handeln der Regierung weist auch eher in die gegengesetzte Richtung (z.B. Absenkung der Förderabgaben, die in Schleswig-Holstein hingegen erhöht wurden).
Was darf ich bei diesem wichtigen Thema von Ihnen erwarten, dass sich hier was ändert?

Viele Grüße

W. O.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Her O.,

vielen Dank für Ihr Schreiben zum Thema Klimapolitik des Landes.

Als Landesregierung haben wir in den letzten 5 Jahren viel für den Klimaschutz gemacht. Hierzu zählen z.B. die Förderung der klimaschonenden Landwirtschaft, die Investition in eine energiesparende Landesregierung oder der Aufbau der Klimaschutzagentur. Diesen Weg wollen wir auch weiter beschreiten. Unser Entwurf für ein Klimaschutzgesetz lag im Ausschuss vor. Dieser konnte jedoch leider wegen der vorgezogenen Wahlen nicht mehr endberaten werden. Eine SPD-Landesregierung fordert eine wirksame Kooperation zwischen Naturschutz und Landwirtschaft, weil nur so Verbesserungen in der Umwelt zu erreichen sind. Sie setzt sich für den Schutz der Hoch- und Niedermoore, des Feuchtgrünlandes und der Laub- und Mischwälder ein, weil diese Ökosysteme klimaschädliches CO2 speichern, der Wasserspeicherkapazität und der Grundwasserneubildung dienen.

Kein gesellschaftspolitischer Bereich unterliegt einem so starken Umwandlungsprozess wie der Energiesektor. Nach dem Pariser Klimaabkommen sind zur Reduzierung der Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius weitreichende Veränderungen in der Energieversorgung, dem Verkehrssektor, der Landwirtschaft und im Gebäudebereich erforderlich. Eine SPD-Landesregierung will eine nachhaltige und sozialverträgliche Klimaschutz- und Energiewendepolitik mitgestalten und regionale Wettbewerbsvorteile generieren. Die Klimaschutzziele erfordern gleichermaßen den Ausbau der Erneuerbaren Energien und die deutliche Erhöhung der Energieeffizienz. Die Energiewende wollen wir weiter voranbringen und als Windenergieland Nr. 1 wollen wir auch die Erneuerbare Energie in andere Teile des Landes schicken, um auch hier die Gewinnung aus fossilen Energieträger überflüssig zu machen. Im Jahr 2015 stammten bereits 40 Prozent des in Niedersachsen erzeugten Stroms aus Erneuerbaren Energien. Mit rund 9.324 Megawatt (MW) stellt das Land den größten Anteil der in Deutschland installierten Leistung aus Windenergie und konnte im Jahr 2016 mit 312 Anlagen den größten Zubau aller Länder verzeichnen. Die Zahl der Beschäftigten im Bereich der Windenergie lag 2016 bei 32.000.

Eine SPD-Landesregierung sieht beim Thema Energiewende allgemeinen politischen Handlungsbedarf vor allem auf folgenden Gebieten:
• Akzeptanz in der Bevölkerung: Eine landesweite Kampagne soll über Effizienz- und Ausbauziele sowie die Beteiligungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürgern informieren.
• Mieterschutz: Möglichst alle sollen von den technischen Fortschritten der Energiewende profitieren – auch Mieterinnen und Mieter durch gerechtere Regelungen bei der Nutzung erneuerbaren Stroms und durch gleichbleibende Warmmieten bei energetischen Sanierungen.
• Stromeinsparpotenziale: Bei künftigen Kostensteigerungen sollen sie für Verbraucher und Betriebe durch Stromsparchecks, gute Beratung und Stromspartarife- oder -verträge erschlossen werden. Auf Bundesebene geht es um Senkung der Stromsteuer.
• Sanierung: Die Modernisierung alter Gebäudesubstanz zur Erhöhung der Energieeffizienz soll nach energetischen Quartierskonzepten erfolgen und durch ein Sanierungsmanagement begleitet werden. Dazu werden die Programme zur Städtebauförderung und Dorferneuerung überarbeitet.
• Neubau: Die erheblichen Klimaschutzpotenziale der Bauwirtschaft sollen genutzt werden. Einen wichtigen Beitrag können hier die moderne Holz- oder Strohballenbauweise leisten, die CO2 speichern statt CO2-Ausstoß zu verursachen. Wir wollen bei öffentlichen Bauten weiterhin mit gutem Beispiel vorangehen und bezahlbares und klimaschonendes Bauen miteinander verbinden.
• Qualifizierte Beratung: Unternehmen unterschätzen oft die Effizienzpotenziale oder überschätzen die erforderlichen Investitionen. Bessere Beratung soll das Einsparpotenzial erhöhen und die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen sichern.

In einem Fünf-Jahres-Plan will eine SPD-Landesregierung darüber hinaus folgende Maßnahmen für die Energiewende ergreifen:
• Die guten Erfahrungen bei Beratungskampagnen, der Gebäudesanierung sowie beim Einwerben von EU- und Bundesfördermitteln sprechen für den Ausbau der kommunalen Energie- und Klimaschutzagenturen. Auch die Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen (KEAN) soll auf diesem Hintergrund mit Landesmitteln stärker gefördert werden.
• Die Koppelung der Sektoren Strom, Wärme und Mobilität bietet die Voraussetzung für kostenoptimierte Umstellung der Energiewirtschaft auf niedrigeren Kohleverbrauch (Dekarbonisierung). Dazu sollen regenerative Energieträger für Wärmeversorgung, Mobilität und Stromerzeugung in der Spitzenlast eingesetzt werden.
• Eine Bundesratsinitiative soll schnellstmöglichen Ausstieg aus Kohleverstromung und Wärmeerzeugung auf Kohlebasis ermöglichen.
• Solarthermie für Nahwärmenetze und den Einsatz in Wohngebäuden soll durch flächendeckende Pilotprojekte gefördert werden. Ziel ist es, ganze Quartiere über mehrere Monate ausschließlich mit solarthermischer Wärme zu versorgen. Dabei ist auch auf die Vorbildwirkung bei landeseigenen Einrichtungen zu setzen.
• Die einseitige Abgabenlast auf den Strompreis soll abgelöst werden von einer der Klimarelevanz entsprechenden Belastung aller Energieträger.
Ziel: Stromverbrauch bei Wärmepumpen und Elektromobilität wettbewerbsfähiger zu machen.
• Windenergieanlagen sollen vor allem dort gebaut werden, wo
Beeinträchtigungen für Mensch und Natur möglichst gering ausfallen.
Ziel: Gebiete mit vorhandenen Infrastrukturen wie Hochspannungsfreileitungen, Autobahnen, Kanälen oder ehemalige militärische Sperrzonen oder Industriegebiete zu nutzen. An der Umsetzung des 20-GW-Ausbauziels wird festgehalten.

Allen Bürgerinnen und Bürgern stehen bei der Umsetzung der Energiewende Partizipationsrechte zu. Eine SPD-Landesregierung wird Bürgerbeteiligungsmodelle auch im Rahmen der inzwischen obligatorischen Vergabe im Ausschreibungsverfahren gewährleisten. Darüber hinaus soll im Rahmen einer bildungspolitischen Offensive zu Klimaschutz und Energiewende in allen Bildungseinrichtungen ein umsichtiger Umgang mit der Natur und ihren Ressourcen vermittelt werden. Der Ausbau der Stromtrassen muss mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien Schritt halten. Nur dann kann die in Windkraftanlagen auf Land und See erzeugte Energie verlässlich genutzt werden. Deshalb bedeutet der Aufbau einer modernen und wettbewerbsfähigen Energieinfrastruktur eine große industrie- und umweltpolitische Chance für Niedersachsen. Eine SPD-Landesregierung wird dieses Projekt im engen Dialog mit der betroffenen Bevölkerung und den beteiligten Verwaltungen und Unternehmen gestalten. Dabei ist Transparenz in der Trassenplanung ebenso wichtig wie Abwägung von ökologischen und ökonomischen Zielsetzungen. Außerdem wird sie sich für die Stärkung der dezentralen Energieversorgung durch Kommunen und Unternehmen stark machen.

Neben dem Netzausbau wird eine SPD-Landesregierung die Speichertechnologien fördern. Sie müssen mit Hochdruck entwickelt und im industriellen Maßstab erprobt werden. Gemeinsam mit dem Bund sollen Pilotprojekte zum Umbau konventioneller (Groß)-Kraftwerke zu Innovationszentren für Strom- und Speichertechnologien entwickelt werden. Außerdem sind Anreize für die Ansiedlung von Unternehmen wichtig, die Forschung und Entwicklung von Speichertechnologien, dynamischer Netzauslastung, Strom-zu-Wärme- und Strom-zu Gas-Technologien betreiben.

Eine SPD-Landesregierung wird Niedersachsen auch bei der Elektromobilität zum Vorreiterland machen. Das gilt für eine gut ausgebaute Ladeinfrastruktur ebenso wie für den ÖPNV mit modernen Elektrobussen. Der Einsatz von Hybridbussen, elektrischen Bussen, Fahrzeugen mit Brennstoffzellenantrieb oder alternativen Antrieben sollen modellhaft entwickelt werden. Das E-Bike erlangt wachsende Bedeutung und gehört zur neuen Mobilität im ÖPNV. Gute Bike-and-Ride-Plätze, sichere Rad- und Radschnellwege sowie optimale Verknüpfung mit Bus und Bahn gehören zu den Elementen eines zukunftsfähigen Nahverkehrs.

Zusätzlich treiben wir mit einem Testfeld für automatisiertes Fahren und einem ausreichenden Angebot an Tankstellen der Zukunft mit Ladesäulen, Wasserstoff und weiteren Energieträgern den Ausbau der Mobilität der Zukunft aktiv voran. Dazu führen wir flächendeckend Echtzeitinformationen im öffentlichen Verkehr und die ganz neue Vernetzung von öffentlichem und individuellem Verkehr vor allem im ländlichen Raum ein.

Eine SPD-Landesregierung wird aufgegebene Bahnstrecken sinnvoll reaktivieren. Das Schienennetz soll durch neue Haltepunkte an bestehenden Strecken und durch verbesserte Fahrplanangebote verdichtet werden. Mit dem Ausbau der Bahnangebote sollen auch länderübergreifende Kooperationen intensiviert werden. Nicht elektrifizierte Strecken werden mit umweltfreundlichen Technologien betrieben, zum Beispiel mit wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen im Cuxhavener und Stader Land. Das Busliniennetz soll durch Landesbuslinien dichter werden. Das erfolgreiche Konzept für den schienengebundenen Personennahverkehr mit dem Wasserstoffzug von Alstom wird fortgesetzt. Ziel ist es, alle niedersächsischen Bahnstrecken elektrisch und emissionsfrei zu befahren.

Viele Grüße, Team Weil

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