Frage an Svenja Stadler bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Svenja Stadler
SPD
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Frage von Klaus-Peter B. •

Frage an Svenja Stadler von Klaus-Peter B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Stadler,

in den sozialen Netzwerken äußerten Sie sich jüngst dahingehend, dass Sachleistungen für Flüchtlinge "unsinnig" seien. Weiter schrieben Sie, dass Sie sich für eine fortschrittliche Flüchtlingspolitik einsetzen, die Kommunen wirklich entlasten. Außerdem wollen Sie helfen, dass wirklich jeder Mensch der zu uns kommt, um Sicherheit vor Hunger und Krieg zu finden, menschenwürdig untergebracht wird und Zugang zur medizinischen Versorgung erhält.

Dazu einige Fragen:

1) Warum sind Sachleistungen "unsinnig"?

2) Welche Idee verfolgen Sie, um den monetären Anreiz für Flüchtlinge aus dem Westbalkan zu reduzieren?

3) Wie sieht eine fortschrittliche Flüchtlingspolitik aus Ihrer Sicht aus?

4) Wie ist Ihre Aussage "Jeder Mensch..., Sicherheit vor Hunger" zu verstehen? Sollen auch die Menschen, bei denen kein Asylgrund vorliegt aber andere Gründe wie Armut, Arbeitslosigkeit, etc., dauerhaft bei uns aufgenommen werden?

Ich freue mich auf Ihre Antworten.

Viele Grüße
K.-P. Becker

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Becker,

vielen Dank für Ihre Fragen zu meinen Vorstellungen über eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik.

Sie nehmen Bezug auf mein Posting auf meiner Facebookseite vom 4. September.

Auch wenn in der Koalitionsvereinbarung zur Flüchtlingspolitik nun festgehalten ist, dass in Erstaufnahmeeinrichtungen zur Vermeidung von Fehlanreizen Geldleistungen nach Möglichkeit durch Sachleistungen zu ersetzen sind, halte ich daran fest, dass ich dies nicht für angemessen und sinnvoll halte. In welcher Form Hilfe zu gewähren ist, sollte nach Kriterien der Notwendigkeit und der Machbarkeit entschieden werden und nicht nach Gesichtspunkten der Abschreckung. Wenn Flüchtlinge in der allerersten Zeit nach der Ankunft mit warmer Kleidung, mit Decken, Toilettenartikeln und fertigen Mahlzeiten versorgt werden, ist das in der Regel die praktikabelste Art der Versorgung. Zumindest so lange, wie diese Menschen sich noch gar nicht so weit an ihrem Zufluchtsort orientieren können, um zu wissen, so sie was kaufen können. Dass in einer heimartigen Unterbringung, in der aus baulichen Gegebenheiten nicht für jeden Haushalt Kochgelegenheiten zur Verfügung gestellt werden können, warmes Essen zentral ausgegeben wird, halte ich auch für zeitweise vertretbar. Unsinnig ist die Verweigerung von Bargeld und die vollumfängliche Versorgung mit Sachleistungen aber dann, wenn den Menschen verwehrt wird, so viel Selbständigkeit und Eigenverantwortung wie der Situation angemessen wäre, wieder zu erlangen. Und wenn es auch nicht selbst erarbeitetes Geld ist, so bedeutet der eigene Einkauf doch wesentlich mehr Selbstbestimmung als täglich die gleichen Essenspakete zu bekommen, die womöglich mit den eigenen Essensgewohnheiten überhaupt nicht vereinbar sind. Darüber hinaus ist es erwiesen, dass die vollumfängliche Sachleistungsversorgung teurer ist, als Bargeldauszahlung.

Wollen wir uns (diese unnötigen Mehrkosten) und den Flüchtlingen die Entmündigung zumuten für den „Gewinn“ der Abschreckung? Welch ein Irrtum, dass sich irgendjemand, den das Schicksal aus seiner Heimat getrieben hat, davon überhaupt aufhalten ließe.

Ich verfolge daher keine Strategie, wie ein „monetärer“ Anreiz für Flüchtlinge aus dem Westbalkan reduziert werden könnte. Vielmehr halte ich es für plausibel, dass reguläre Einwanderungsmöglichkeiten, den Migrationsdruck in besser organisierbare Bahnen lenken würde.

Eine fortschrittliche Flüchtlingspolitik setzt auf gute und schnelle Integration. Sie ist von der Idee getragen, dass eine geglückte Willkommenskultur nicht nur den Einwanderern zugutekommt, sondern auch die besten Voraussetzungen schafft, dass das gesellschaftlich gewinnbringende Potenzial von Einwanderung sich entfalten kann.

Mein Satz, „wir wollen dabei helfen, dass wirklich jeder Mensch der zu uns kommt, um Sicherheit vor Hunger und Krieg zu finden, menschenwürdig untergebracht wird und Zugang zu medizinischer Versorgung hat,“, ist so zu verstehen, dass ich die Menschen, die jetzt – warum auch immer und für wie lange auch immer – hier bei uns leben, so behandelt wissen möchte, wie es jeder Mensch aufgrund seiner unveräußerlichen Würde verdient, behandelt zu werden. Insbesondere soll jeder mindestens satt werden können, in einem Bett schlafen können und nicht frieren müssen. Wer krank ist, soll selbstverständlich ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen können.

Ich weiß, dass ich meine Vorstellungen mit einem sehr großen Teil der Bevölkerung teile und bin all jenen außerordentlich dankbar, die dies in ihrem Engagement alltäglich zum Ausdruck bringen.

Mit freundlichen Grüßen

Svenja Stadler

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