Frage an Tabea Rößner bezüglich Umwelt

Das Foto zeigt eine Portraitaufnahme von Tabea Rößner vom Juni 2021.
Tabea Rößner
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Mirijam Kazmaier M. •

Frage an Tabea Rößner von Mirijam Kazmaier M. bezüglich Umwelt

Hallo Frau Rößner,

außer zur Energiewende hat Ihre Partei vor den Wahlen scheinbar wenig zu Themen wie Umwelt -und Naturschutz,industrialisierte Massentierhaltung und gesunde fair gehandelte Lebensmittel zu sagen. Das ist für mich um so bedauerlicher, da gerade Ihre Partei einst als GRÜNE Partei dezidiert für Umwelt -und Naturschutz eingetreten ist.

Außerdem irritiert es mich, wie der Parteivorstand der Grünen, mit den Pädophilie-Vorwürfen um -bzw. nicht umgeht. Stichwort: mangelnde Transparenz. Für mich gehört dieses Thema im weiteren Sinne zu Um-Welt/Lebens-Welt.

Bitte nennen Sie mir Gründe, warum ich Ihre Partei am 22.09. dennoch wählen soll.

Über Ihre Antwort würde ich mich sehr freuen.

Herzliche Grüße
Mirijam Kazmaier, bislang "grüne" Wählerin

Das Foto zeigt eine Portraitaufnahme von Tabea Rößner vom Juni 2021.
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Kazmaier,

gerne erläutere ich Ihnen unsere Positionen zum Thema Umwelt- und Naturschutz, Massentierhaltung und Landwirtschaft sowie nehme Stellung zum Umgang mit den Pädophilie-Vorwürfen. Wir GRÜNE haben unser Profil nicht aufgegeben. Auch wenn dies gerne durch den Populismus der anderen Parteien - insbesondere der FDP - versucht wird so darzustellen. Es ist zudem in diesem Wahlkampf schwierig, medial mit Sachthemen durchzudringen.

Zunächst zur Pädophilie-Debatte: Es sind vor über 30 Jahren schwere Fehler gemacht worden, und diese wollen wir lückenlos aufklären. Dazu trägt ein Forschungsprojekt bei, welches der Bundesverband der GRÜNEN bei dem Institut für Demokratieforschung der Universität Göttingen beauftragt hat. Das ist der Partei über 200.000 Euro wert - was für eine kleine Partei wie die GRÜNEN sehr, sehr viel ist. Bei der Untersuchung wird der Einfluss von Gruppen mit pädophilen Forderungen innerhalb der grünen Partei untersucht. Die beteiligten Wissenschaftler sind völlig frei und unabhängig in Bezug auf die Durchführung der Untersuchung, die Ergebnisse sowie die Veröffentlichung. Ein erster Zwischenbericht wird für den Herbst 2013 erwartet, der Abschlussbericht für Ende 2014. Damit bekommt die Öffentlichkeit einen umfassenden Einblick in die Debatten der damaligen Zeit. Mehr wissenschaftlich fundierte Transparenz geht nicht. Die Wissenschaftler machen von ihrer wissenschaftlichen Freiheit Gebrauch und wir schränken sie nicht ein. Das ist zwar kurzfristig nicht zu unserem Vorteil, wie die aktuelle Debatte über die Vorwürfe an Jürgen Trittin zeigt, diese transparente Aufklärung sind wir jedoch der Öffentlichkeit schuldig.

Unabhängig vom Ergebnis dieser Studie steht für uns jetzt schon außer Frage: Forderungen nach Straffreiheit von Sexualität von Erwachsenen mit Kindern und pädophilen Handlungen waren und sind inakzeptabel und falsch. Wir bedauern, dass es in den Anfangsjahren der grünen Partei Raum für diese Debatten und Forderungen gab. Das war ein Fehler, für den unsere Partei ohne Wenn und Aber die Verantwortung trägt.

Das richtige und wichtige Eintreten für die Gleichstellung von Homosexualität und der Einsatz gegen eine überkommene und repressive Sexualmoral ist ein großer Verdienst der grünen Partei in Deutschland. Aber dieser Verdienst und die Debatten darüber sind weder der Grund, noch können sie Begründung für inakzeptable Forderungen zur Legalisierung von Pädophilie sein, die von einigen vorgebracht werden konnten. Pädophile Forderungen und Debatten haben in unserer Partei nichts zu suchen. Vielleicht darf ich noch erwähnen, dass die GRÜNEN die erste Partei war, die Ende der 80er Jahre Kindesmissbrauch in den Bundestag thematisiert und Initiativen zur
Bekämpfung eingebracht haben.

Nun zum aktuellen Wahlprogramm: Der Vorschlag für einen Veggieday ist nur eine Empfehlung der GRÜNEN an die öffentlichen Kantinen aus einem Bündel an Maßnahmen für eine naturverträgliche und tierfreundlichere Landwirtschaft. Der Veggieday passt in das verzerrte Bild der GRÜNEN als Verbotspartei, deshalb lässt er sich gut medial verbreiten. Uns geht es dabei darum, dass man sich über seinen Fleischkonsum und die Fleischproduktion inklusive der Abholzung von Regenwäldern für die Futtermittelproduktion Gedanken macht. Wir wollen öffentliche Kantinen anregen, darüber nachzudenken, einen fleischfreien Tag einzuführen.

Dieser Veggieday ist nur kleiner Baustein unseres umfassenden Konzeptes für eine nachhaltige, umweltverträgliche und tierfreundliche Landwirtschaft. In Regierungsverantwortung wollen wir ein neues Tierschutzgesetz einführen, dass tiergerechte Haltungsformen vorschreibt, eine lückenlose Transparenz der Tierarzneimittelströme schafft und den Missbrauch von Antibiotika durch strengere Handlungsvorschriften stoppt. Durch die deutliche Reduzierung des Antibiotika-Einsatzes sorgen wir zugleich für einen besseren Gesundheitsschutz. Auch auf europäischer Ebene werden wir uns für bessere Tierschutzregeln in der Tierhaltung einsetzen. Über ein neues Tierschutzrecht hinaus wollen wir die Subventionierung der Landwirtschaft beenden, ihre Privilegierung im Baurecht streichen, den Immissionsschutz verbessern und ein Label für Tierschutz sowie vegane und vegetarische Produkte einführen. Der Einsatz gegen die Massentierhaltung ist auch ein Beitrag für den Klimaschutz, denn 18% der vom Menschen verursachten Treibhausgas-Emissionen gehen auf den Fleischkonsum zurück.

Wir setzen uns für mehr Ökolandbau und eine naturverträglich bäuerliche Landwirtschaft ein. Den Flächenanteil des Ökolandbaus wollen wir deutlich ausbauen. Wir setzen auf gentechnikfreie Lebens- und Futtermittel und eine dezentrale Agrarstruktur mit all ihren regionalen Unterschieden. Gentechnisch erzeugte Lebensmittel müssen gekennzeichnet sein. Wir unterstützen die Forderung und Umsetzung, gentechnikfreie Regionen auszurufen. Patente auf Pflanzen, Tiere und Menschen lehnen wir strikt ab.

Eine grüne Agrarwende macht nicht an den Grenzen von Deutschland halt. Um die Landwirtschaft in industriell weniger entwickelten Ländern nicht über subventionierte EU-Exporte mit Dumpingpreise zu ruinieren, müssen wir Produktionsüberschüsse vermeiden und die EU-Exportsubventionen abschaffen.

Den Naturschutz wollen wir ressortübergreifend in allen Politikbereichen verankern, denn es braucht sowohl die klassischen Schutzgebiete (wie Nationalparks, Naturschutzgebiete, Natura 2000, u.ä.) als auch eine naturverträglichere Landnutzung in der Fläche. In der Bildung, der Land- und Waldwirtschaft, der Stadt- und Verkehrsplanung bis hin zur Wirtschaftspolitik muss der Natur- und Umweltschutz eine höhere Priorität bekommen. Flüsse sollen frei fließen, Wälder sich naturnah entwickeln können. Daher wollen wir 5% der Waldfläche aus der forstwirtschaftlichen Nutzung nehmen und im gesamten Waldgebiet einen naturnahe Waldnutzung erreichen. Ein Instrument dafür ist, das Waldgesetz nach ökologischen Standards zu novellieren.

Die Flächenneuinanspruchnahme wollen wir von heute täglich 80 Hektar auf höchstens 20 Hektar im Jahr 2020 zurückfahren. Wir wollen Abgaben und Steuern mit ökologisch wirksamen Komponenten versehen (z.B. die Grundsteuer), um die Neuversiegelung einzuschränken.

Dies sind nur Beispiele aus unserem Wahlprogramm für einen wirksamen Natur- und Umweltschutz. Hier finden Sie das vollständige Kapitel des Wahlprogramms "Intakte Umwelt und gesunde Ernährung für alle":
http://www.gruene.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/Gruenes-Bundestagswahlprogramm-2013.pdf#page=153

Im Vergleich mit den anderen Parteien gehen unsere Forderungen sehr weit. Sie sind stringent, konkret und ausgereift. Wir haben die Erde von unseren nur Kindern geborgt. Dieser Leitsatz steht nach wie vor über der grünen Politik.

Ich hoffe sehr, dass ich Sie von unserer grünen Programmatik überzeugen konnte.

Herzliche Grüße
Tabea Rößner

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