Frage an Tabea Rößner bezüglich Soziale Sicherung

Das Foto zeigt eine Portraitaufnahme von Tabea Rößner vom Juni 2021.
Tabea Rößner
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Wilhelm A. •

Frage an Tabea Rößner von Wilhelm A. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Rößner,

In diesem Bericht sehen Sie, dass 2016 9000 nach Deutschland gekommene Flüchtlingskinder angeblich spurlos verschwinden:

https://www.welt.de/politik/deutschland/article157889119/Fast-9000-Fluechtlingskinder-sind-spurlos-verschwunden.html

Weiß man inzwischen, wo die Kinder sind und wissen Sie wie viele von ihnen noch verschwunden sind? Gibt es auch jugendliche und erwachsene verschwundene Flüchtlinge und wie viele sind das? Stellen diese Menschen eine Gefahr dar?

In 2015 kamen laut Migrationsbericht der Bundesregierung 2, 14 Mio. Zuwanderer, siehe diesen Bericht:

http://www.sueddeutsche.de/politik/zuwanderung-kamen-mehr-als-zwei-millionen-menschennach-deutschland-1.3294587

Wie viele Menschen will Deutschland noch aufnehmen, auch mit Blick auf die Automatisierung? Was nützt ein etwaiges Zuwanderungsgesetz, ohne, dass die EU-Freizügigkeit und das Asylrecht angetastet wird? Länder wie Kanada haben m.W. keine Regelung wie die EU-Freizügigkeit und können doch so nicht als Beispiel dienen, oder?

Bereits mehrfach haben mir Zuwanderer Wohnungen vor der Nase weggeschnappt, zuletzt kam ein Flüchtling aus Somalia in Begleitung einer Diakonie-Mitarbeiterin und bekam nach dem Besichtigungstermin sofort die Wohnung. Finden Sie das in Ordnung und warum wird- trotz voller Kassen- kein Grundrecht auf Wohnen in der Verfassung verankert und mehr in den sozialen Wohnungsbau investiert?

Mit freundlichen Grüßen
W. A.

Das Foto zeigt eine Portraitaufnahme von Tabea Rößner vom Juni 2021.
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr A.,

Sie haben mir eine Reihe von Fragen zu den Themenbereichen Flüchtlinge und Zuwanderung gestellt, die ich gerne beantworten möchte.

Zunächst zu den verschwundenen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen: Es stimmt, dass über einen bestimmten Zeitraum hinweg die Registrierung der ankommenden Flüchtlinge nicht ordentlich abgelaufen ist und es zu einigem Chaos kam: Vielerorts sind Flüchtlinge mehrfach registriert worden, in manchen Fällen sind sie gar nicht registriert worden. Wir GRÜNE haben das scharf kritisiert: Aus unserer Sicht hat die Bundesregierung hier versagt. Sie hat die Augen davor verschlossen, dass die Infrastruktur für die Aufnahme von Flüchtlingen von langer Hand auf stabilere Füße hätte gestellt werden müssen. Als Oppositionspartei haben wir seit Jahren gewarnt, dass die Systeme zur Flüchtlingsaufnahme nicht gerüstet sind für die Zahl an Menschen, die bei uns Schutz suchen. Wir fordern eine zügige und lückenlose Registrierung der Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, denn das ist auch die Voraussetzung für eine gründliche Sicherheitsüberprüfung und die angemessene Versorgung der Geflüchteten. Hierfür müssen auch die finanziellen Mittel für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie für Polizeikräfte erhöht werden. Zur Wahrheit gehört aber auch: Inzwischen kommen kaum noch neue Flüchtlinge an in Deutschland, und bei denen, die jetzt ankommen, geht die Registrierung gut vonstatten. Meine Kollegin Luise Amtsberg hat mehrfach kleine Anfragen an die Bundesregierung gestellt zur Zahl der verschwundenen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, Sie finden hier auf ihrer Webseite mehr Informationen dazu: https://www.gruene.de/programm-2017/a-bis-z/wir-bekaempfen-die-fluchtursachen-und-schuetzen-fluechtlinge.html und hier: http://luise-amtsberg.de/kleine-anfrage-daten-zu-unbegleiteten-minderjaehrigen-fluechtlingen/

Zu der Frage danach, wie wir uns das mit dem Einwanderungsgesetz vorstellen: Hier finden Sie mehr Informationen dazu: https://www.gruene.de/programm-2017/a-bis-z/wir-gestalten-unser-einwanderungsland.html
Es ist wichtig, zwischen Einwanderung und Asyl zu unterscheiden: Beim Einwanderungsgesetz geht es uns vor allem auch um qualifizierte Fachkräfte, die hier in Deutschland in manchen Branchen händeringend gesucht werden. Das Asylrecht wollen wir nicht antasten: Asyl bleibt für uns Asyl. Wer Schutz vor Krieg, Katastrophen oder Verfolgung sucht, muss diesen bei uns auch finden können. Zudem ist es uns aber auch wichtig, die Fluchtursachen zu bekämpfen: Denn die beste Flüchtlingspolitik bewahrt die Menschen davor, ihre Heimat überhaupt erst verlassen zu müssen. Wir geben mehr für die Entwicklungszusammenarbeit. Wer hier Gelder kürzt, verstärkt die Fluchtgründe. Wir setzen darauf, Krisen und Konflikten besser vorzubeugen. Und auch eine verantwortungsvolle Klimapolitik kann Fluchtursachen vorbeugen.

Den sozialen Wohnungsbau wollen wir unbedingt stärken: Wir brauchen einen starken sozialen Wohnungsbau für Menschen mit kleinem Einkommen, nur so verhindern wir Konkurrenz um die günstigen Wohnungen. Die Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau müssen auf mindestens zwei Milliarden Euro im Jahr aufgestockt werden. Insbesondere in den Ballungszentren stehen schon seit geraumer Zeit zu wenige Wohnungen zur Verfügung, um allen Menschen guten und preiswerten Wohnraum zu ermöglichen. Jährlich gehen sogar durch das Auslaufen der Sozialbindung 60.000 Sozialwohnungen verloren. Dieser Trend muss umgekehrt werden. Eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit kann dazu beitragen, dass neue, dauerhaft günstige Wohnungen für die Menschen entstehen, die wenig Geld haben. So erhalten wir unsere Nachbarschaften lebendig. Wohnungsgenossenschaften sind wichtige und solidarische Akteure für gutes Wohnen. Wir wollen für sie Anreize stärken, in neue Projekte zu investieren. Und es gibt Kommunen, die explizit dafür werben, dass Flüchtlinge sich bei ihnen niederlassen. Sie muss man bei Instandsetzung von vorhandenem Wohnraum besonders unterstützen. Generell dürfen Gruppen, die besonders große Schwierigkeiten haben, eine preiswerte Wohnung zu finden, nicht gegeneinander ausgespielt werden. Es tut mir leid, dass Sie schlechte Erfahrungen bei der Wohnungssuche gemacht haben. Aber glaube Sie mir: Geflüchtete haben es auf dem Wohnungsmarkt oft auch besonders schwer, gerade mit ausländisch klingendem Nachnamen wird ihnen oft nicht einmal ein Besichtigungstermin gegeben. Das haben Untersuchungen ergeben: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/diskriminierung-auslaender-werden-bei-der-wohnungssuche-benachteiligt-a-1153297.html

Als GRÜNE wollen wir uns für eine Gesellschaft einsetzen, wo es allen Menschen gut geht, wo alle die Möglichkeit haben, Chancen wahrzunehmen und an der Gesellschaft teilzuhaben. Wir müssen ein starkes soziales Netz für die Schwächsten unter uns aufspannen und dürfen dabei aber unsere Pflicht nicht vergessen, auch Menschen Schutz zu bieten, die vor Krieg, Katastrophen oder Verfolgung zu uns fliehen.

Mit herzlichen Grüßen

Tabea Rößner

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