Frage an Tiemo Wölken bezüglich Recht

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Tiemo Wölken
SPD
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Frage von Hans-Peter L. •

Frage an Tiemo Wölken von Hans-Peter L. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Wölken,

ich bin schon seit 14 Jahren intensiver Autor und vor allem auch Fotograf in der Wikipedia. Das in der nächsten Woche zur Abstimmung stehende Gesetz insbesondere mit dem Upload-Filter schränkt m.E. ganz erheblich meine Arbeit und die vieler Tausend Wikipedia-Autoren ein. Bitte stimmen Sie gegen dieses Gesetz und lassen auch weiterhin freies Wissen im Internet zu.
Danke

Mit freundlichen Grüßen
Peter L.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Lammerz,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Die Abstimmung zur Urheberrechtsrichtlinie findet am 12.9. in Straßburg statt.
Der Richtlinie geht es vor allem darum, einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen der Urheber am Schutz ihrer Werke sowie dem Interesse der Allgemeinheit am Zugriff auf diese auch in der Online-Welt zu gewährleisten.
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben uns erfolgreich für den Schutz von Urheberinnen und Urhebern in den Artikeln -14 bis 16 eingesetzt. Diese sehen eine faire Vergütung, mehr Transparenz, Mechanismen zur Streitbeilegung sowie Klauseln zur Vertragsanpassung und ein besonderes Widerrufsrecht zum Vorteil von Kreativen vor. Diese Erfolge sind enorm wichtig und von uns erfolgreich verhandelt wurden. Wir haben bei der Abstimmung also nicht gegen die Urheberrechtsreform gestimmt, im Gegenteil, wir wollen Urheberinnen und Urheber angemessen stärken.
Allerdings scheint und der eingangs erwähnte angemessenen Ausgleich noch nicht vollständig gelungen:
Ziel der von Ihnen angesprochenen Regelung des Artikels 13 ist es, die so genannte „Value Gap“ zu schließen. Es wird argumentiert, dass die Plattformbetreiber indirekt Einnahmen mit hochgeladenen Inhalten (beispielsweise über Werbeeinnahmen) generieren. Von diesen Einnahmen der Plattformbetreiber falle jedenfalls zu wenig an Rechteinhaber ab. Außerdem würden Rechteinhabern die Kontrolle über ihre Inhalte entzogen.
Daher sollen Plattformbetreiber, wie YouTube, dazu verpflichtet werden Maßnahmen zu ergreifen, die sicherstellen, dass Vereinbarungen mit Rechteinhabern eingehalten werden. Zwar erwähnt der abgestimmte Bericht das Wort „Inhaltserkennungstechniken“ nicht mehr explizit. Indem es im Bericht heißt, dass Plattformen einen Akt der öffentlichen Wiedergabe vornehmen, müssen Plattformbetreiber jedoch unmittelbar für die von Nutzern hochgeladenen Inhalte haften. Praktisch bleibt ihnen daher gar nichts anderes übrig, als Uploadfilter einzusetzen. Weiterhin ist weder klar definiert, welche Plattformen diese Pflicht trifft, noch welche Technik Anwendung finden sollen. Auch ist nicht klar, wie sich Nutzerinnen und Nutzer wehren können, wenn diese Filter Fehler machen. Rechtssicherheit - die ursprünglich mit der Reform bezweckt war - sieht anders aus. So sind vom Artikel 13 des Berichts im Grundsatz alle Plattformen erfasst, außer denjenigen bei denen der Upload geschützter Inhalte vollkommen beiläufig passiert. Artikel 2 Absatz 4 bestimmt, dass solche Dienste erfasst sind, bei denen „einer der Hauptzwecke darin besteht, von seinen Nutzern hochgeladene urheberrechtlich geschützte Werke oder sonstige Schutzgegenstände zu speichern und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen“. Von diesem Grundsatz werden dann einige gezielte Ausnahmen gemacht, unter anderem für Online-Enzyklopädien. So sind etwa auch Plattformen wie Datingplattformen weiterhin von Artikel 13 erfasst. Schließlich handelt es sich selbst bei Selfies um geschützte Inhalte und es ist einer der Hauptzwecke von Datingplattformen, diese Bilder anderen Personen anzuzeigen. Auch aus rechtstechnischer Sicht ist der Artikel also schlecht formuliert.
Wenn Uploadfilter nun aber darüber entscheiden, was online erscheinen darf und was nicht, ist die Meinungsfreiheit unmittelbar gefährdet. Algorithmen sind nicht in der Lage, eine Urheberrechtsverletzung von einer legalen Verwendung von geschützten Werken zu unterscheiden. Satire, Parodie oder vom Zitatrecht gedeckte Verwendungen sind in Gefahr. Plattformbetreiber erhalten die Verpflichtung und damit auch die Macht und Verantwortung darüber zu entscheiden, was hochgeladen wird und was nicht.
Unsere Aufgabe ist es nun, am 12.9.2018 einen gerechten Ausgleich zu finden, der die legitimen Interessen der Rechteinhaberinnen und Rechteinhaber schützt, ohne gleichzeitig unverhältnismäßig in die Meinungsfreiheit einzugreifen. Schließlich geht es auch den Urheberinnen und Urhebern nicht darum, dass ihre Inhalte gelöscht, sondern dass sie vergütet werden.

Unter diesem Link finden Sie alle Dokumente zur Richtlinie aus dem Rechtsausschuss: www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+REPORT+A8-2017-0375+0+DOC+XML+V0//DE

Mit freundlichem Gruß

Tiemo Wölken

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