Frage an Tobias Lindner bezüglich Wirtschaft

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Tobias Lindner
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Frage von Heinz S. •

Frage an Tobias Lindner von Heinz S. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Dr. Lindner,

ist die radikale Kürzung der PV-Förderung noch zu stoppen? Muss die Gesetzesänderung noch im Bundestag genehmigt werden?

Die einsamen Entscheidungen von einzelnen Politikern (Rösler + Röttgen) sind schädlich für die Wirtschaft und wird jede Menge Arbeitsplätze kosten. Die EEG-Rahmenbedingungen müssen für die Betriebe und die Investoren verlässlich und mittelfristig kalkulierbar sein.

Wie ist bei so einer Hauruck-Politik der Energiewandel zu schaffen?

Wie kann man sich als Bürger gegen solche lobbygesteuerte Entscheidungen wehren?

Mit freundlichen Grüßen

Heinz Scharfenberger

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Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Scharfenberger,

Mit den Entscheidungen gegen erneuerbare Energien und Energieeffizienz, fehlender Entschlossenheit beim Netzausbau und einer unsoziale Verteilung der Kosten gefährdet die Bundesregierung die Energiewende.
So haben sich die Minister Röttgen und Rösler de facto auf einen kalten Ausstieg aus der Solarstromförderung geeinigt. Mit drastischen Kürzungen sofort und einem schrittweisen Ausstieg aus der Solarstromförderung ab 2014. Damit droht eine weitere Säule der künftigen Energieversorgung wegzubrechen.
Das verunsichert Investoren in EE-Anlagen und gefährdet zehntausende Arbeitsplätze. Es handelt sich jetzt bereits um die vierte Novellierung der Photovoltaik-Vergütung.

Das liegt vor allem daran, dass der Bundeswirtschaftsminister Rösler, dessen Ziel es ist, die Solarenergie und damit einen blühenden Wirtschaftszweig in Deutschland zu ruinieren, sich gegen einen höchst wankelmütigen Bundesumweltminister hat durchsetzen können.

Dabei ist Solarstrom seit 2008 um rund 60 Prozent billiger geworden. Der Bau
neuer Anlagen ist damit nicht mehr der Preistreiber beim EEG. Selbst ein Deckel
von 1000 MW-Zubau würde den Strompreis bis 2016 nur um 0,3 ct/kWh dämpfen.

Trotz dieser Politik der Bundesregierung bleibt festzuhalten: Die Stromversorgung in Deutschland ist stabil und die Energiewende noch möglich. Hier profitiert Schwarz-Gelb immer noch von früheren Regierungen. Auch in klirrender Winterkälte und mit wenig Wind blieben die Netze stabil, die Versorgung gesichert und Deutschland Stromexporteur. Düstere Warnungen, bei einem Atomausstieg gingen die Lichter aus oder Deutschland werde von Atomstrom aus Frankreich abhängig, haben sich als Panikmache erwiesen.

Die Energiewende gerät dank schwarz-gelber Klientelpolitik mehr und mehr in soziale Schieflage. Die Regierung hat die Zahl der von der EEG-Umlage ganz oder teilweise befreiten Unternehmen verzehnfacht und die Industrie großzügig von den Netzentgelten befreit. Die Zeche zahlen Privatkunden und Mittelstand!

Besonders klar macht das Bundeswirtschaftsminister Rösler. Mit seinem Vorschlag, die EEG-Förderung auf ein Quotensystem umzustellen bedient er die Interessen der fossil-nuklearen Energiewirtschaft. Dabei ignoriert er sämtliche Erfahrungen, die international mit Quotensystemen gemacht wurden: Quotensysteme sind aufgrund von Mitnahmeeffekten teurer als Einspeisungssysteme und führen zu einem deutlich langsameren Ausbau der erneuerbaren Energien. Zudem führen sie zu einer Monopolisierung des Ausbaus.
Nur eines wäre mit einem Quotensystem gewiss: Ein Erliegen der Energiewende und der Zusammenbruch der Erneuerbaren-Branche in Deutschland. Solarstrom, Biomasse und Offshore-Anlagen sind mit einer Quote nicht finanzierbar. Hunderttausende Arbeitsplätze wären gefährdet.

Herr Rösler will mit seiner Attacke darüber hinwegtäuschen, dass er selbst die EEG-Kosten in die Höhe treibt. Denn die EEG-Umlage ist durch Sonderkosten gestiegen, die nichts mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energie zu tun haben. Dies untermauert eine neue Studie der grünen Bundestagsfraktion. Sie zeigt: Die EEG-Umlage wurde von Schwarz-Gelb durch die Einführung der Liquiditätsreserve für die Netzbetreiber, der Marktprämie sowie die Ausweitung der Industrieprivilegien unnötig aufgebläht.

Dabei bestehen erhebliche Kostensenkungspotenziale von mehreren Milliarden Euro, die genutzt werden müssen. So kann die Marktprämie reduziert werden. Die Liquiditätsreserve ist überflüssig und nutzt nur den Netzbetreibern und muss wieder abgeschafft werden. Und auch die Industrieprivilegien können laut der Studie bei geschicktem Vorgehen deutlich verringert werden. Eine Privilegierung des Braunkohle-Tagebaus von der EEG Umlage ist klimapolitisch kontraproduktiv und ungerechtfertigt. Braunkohle ist der Klimakiller Nummer 1.

Die Gesetzesänderungen müssen zwar noch im Bundestag beraten und genehmigt werden, wobei noch Änderungen möglich sind. Voraussichtlich werden die radikalen Kürzungen in der Solarbranche jedoch bei den gegenwärtigen Kräfteverhältnissen im Bundestag nicht mehr zu stoppen sein. Darüber hinaus könnte der Bundestags durch einen Passus im Gesetzentwurf noch weiter an Einfluss verlieren. Mit dem Paragraphen 64g will sich die Bundesregierung vom Parlament das Recht einräumen lassen, künftig eigenmächtig auf dem Verordnungswege Höchstmengen an Ökostrom festlegen zu können, die noch in den Genuss der EEG-Förderung kommen. Dieser Passus ist aber selbst in den Regierungsfraktionen noch nicht Konsens.

Ich werde im Bundestag gegen den faulen Solarkompromiss stimmen. Der energiepolitische Kuhhandel zwischen Röttgen und Rösler schafft einen Burgfrieden in der Koalition, gefährdet aber die Zukunft der Energiewende.
Wir Grüne haben uns nie gegen eine Absenkung der Solarvergütung in Höhe der
Kostenentwicklung ausgesprochen. Die vorgesehenen Absenkungen gehen aber weit darüber hinaus. Stattdessen setzen wir uns weiter für den Ausbau der Solarenergie mit Augenmaß ein.

An Stelle eines kalten Ausstiegs aus dem Solarenergieausbau fordern wir verlässliche Rahmenbedingungen für Investoren und die Senkung der Kosten mit Augenmaß.

Wir wollen eine zweimonatliche Anpassung der PV-Vergütung an die Marktentwicklung, bei Bedarf auch über die bereits heute verankerte Kürzung von 15 Prozent zum 1. Juli 2012 hinaus.

Mit freundlichen Grüßen

Tobias Lindner

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