Frage an Ulla Jelpke bezüglich Soziale Sicherung

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Ulla Jelpke
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Frage von Andreas J. •

Frage an Ulla Jelpke von Andreas J. bezüglich Soziale Sicherung

Hallo!
Folgendes Statement haben Sie abgegeben:

Erneuter Brandanschlag ist Folge des staatlichen Rassismus „Ich verurteile den erneuten Brandanschlag auf ein muslimisches Kulturzentrum in Berlin. Dies ist bereits der sechste Anschlag auf muslimische Einrichtungen in Berlin innerhalb eines Jahres”, erklärt Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion DIE LINKE. anlässlich des heutigen Brandanschlages auf ein islamisches Kulturzentrum in Berlin-Tempelhof. Es befanden sich zwei Menschen in dem Gebäude, die bei dem Anschlag zum Glück nicht verletzt wurden. Erst im November wurden auf zwei Moscheen in Neukölln Brandsätze geworfen. Jelpke weiter: “Ich kann diese menschenverachtenden Taten nur als Folge der Hetzkampagne von Sarrazin, Seehofer und Konsorten gegen angebliche muslimische Integrationsverweigerer sehen. Dabei handelt es sich in erster Linie um den Versuch, von der eigenen Verantwortung für die Wirtschaftskrise und den sozialen Kahlschlag abzulenken. Dafür sollen die Verlierer der Krise – die von Lohnarbeit Abhängigen mit und ohne Job – gegeneinander ausgespielt werden.”

Mit Ihrer Aussage haben Sie komplett danebengelegen. Meine Frage jetzt: Kommt eine Entschuldigung an Sarrazin und alle anderen, die Sie in in einer Art, die mich an die SED erinnert, verunglimpft haben?????? Ich frage mich außerdem, was Sarrazin gesagt hat, den Grund weshalb Sie ihn als Hetzer bezeichnen. Ich habe das Buch gelesen und habe ausschließlich gut interpretierte Statisiken gesehen. Falls Sie auf das bestimmte Gen anspielen... das ist längst bekannt und beispielsweise Teile der Juden fordern diesen Test als Beweis jüdischer Abstammung bei Eheschließungen; also nichts anrüchiges.

Gruß
A.J.

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Andreas Janßen,

ich sehe keinen Grund, meine Kritik an Thilo Sarrazins rassistischer Hetze in irgendeiner Form abzuschwächen oder zurückzunehmen.

Der Presse entnahm ich, dass im Falle der Berliner Moscheebrandstiftungen ein offenbar geständiger Täter gefasst wurde. Laut Polizei sei es dem mutmaßlichen Täter um die Aufmerksamkeit der Medien gegangen. Da frage ich mich, warum der Mann zur Erregung einer solchen Aufmerksamkeit ausgerechnet islamische Gebetshäuser zum Ziel seiner Brandanschläge gemacht hat und nicht beispielsweise das Brandenburger Tor oder die Siegessäule. Hier scheint mir sehr wohl ein Zusammenhang mit der islamfeindlichen Kampagne zu bestehen, die insbesondere Thilo Sarrazin losgetreten hat.

Unter Ausblendung anderer sozialer Faktoren versucht Thilo Sarrazin, Phänomene wie Jugendkriminalität oder schlechte Schulleistungen einseitig auf die Zugehörigkeit zu einer Religionsgruppe bzw. zur Herkunftsregion (Türkei und arabische Länder) zurückzuführen. Das hat nichts mit einer wissenschaftlichen Analyse zu tun, sondern ist schlicht Rassismus.

Und wie ein Gen die Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft – und das sind Juden ebenso wie Muslime oder Christen – belegen soll, ist mir schleierhaft.

Es ist bedauerlich, wenn Sie sich von Sarrazins Statistiken in die Irre führen lassen. Daß der Exfinanzsenator und Exbundesbanker es bei den Zahlen nicht immer so genau genommen hat, gab er gegenüber der Süddeutschen Zeitung bereits zu. Wenn man keine statistische Zahl habe, müsse »man eine schöpfen, die in die richtige Richtung weist, und wenn sie keiner widerlegen kann, dann setze ich mich mit meiner Schätzung durch«.

Doch auch dort, wo Sarrazin auf vorhandenes Zahlenmaterial zurückgreifen konnte, belegt dieses nicht seine Behauptungen über die angeblich gescheiterte Integration von Muslimen in Deutschland. »Für die letzten fünf Jahre sind relevante Fortschritte in der Integration statistisch meßbar und nachweisbar«, lautet das Ergebnis einer in 70seitigen Studie »Sarrazins Thesen auf dem Prüfstand«. Verfasser dieser im Internet herunterzuladenden Studie ist die an der Berliner Humboldt-Universität angesiedelte Forschungsgruppe »Hybride europäisch-muslimische Identitätsmodelle« (http://www.heymat.hu-berlin.de/). Sarrazin habe keineswegs wissenschaftliches Neuland betreten, sondern »auf Datenmaterial zurückgegriffen, das seit Jahren vorlag und das bereits in die alltägliche Arbeit der Verwaltungen, Sozialarbeiter und des Quartiermanagements eingeflossen« sei. Bei sämtlichen Zuwanderergruppen mit muslimischem Hintergrund sei ein Anstieg der Bildung auszumachen, widerlegt die Studie Sarrazins Behauptung, es gäbe hier keine positive Entwicklung über die Generationen. Bei den von Sarrazin als besonders lernunfähig dargestellten Personen mit türkischem Migrationshintergrund ist seit der ersten Generation der »Gastarbeiter«, von denen lediglich drei Prozent die Hochschulreife erreichten, bis zum Jahr 2008, wo dies bereits 22,5 Prozent waren, ein 800 prozentiger Bildungsanstieg auszumachen. Zwar beziehen mit 9,5 Prozent weit mehr türkischstämmige Bürger ihren überwiegenden Lebensunterhalt aus HartzIV als Bürger ohne Migrationshintergrund. Doch diese Zahl liegt weit unter den von Sarrazin behaupteten 40Prozent. Entgegen Sarrazins Wahrnehmung nimmt auch die Häufigkeit des Kopftuchtragens ab. 70 Prozent der Frauen mit muslimischem Hintergrund bedecken sich nicht. Insbesondere Sarrazins These, wonach in Berlin 20 Prozent aller Gewalttaten von nur 1000 türkischen und arabischen Jugendlichen begangen würden, wird unter Verweis auf ein Schreiben des Berliner Polizeipräsidenten zurückgewiesen. Lediglich 8,7 Prozent der Gewalttaten werden hier sicher dieser Gruppe zugeordnet.
Bei der Sarrazin-Debatte handle es sich nicht um eine Integrationsdebatte. »Vielmehr werden unter dem Stichwort Integration Ängste, Ressentiments und rassistische Abwehrreaktionen verhandelt«, meinen die Autoren der Studie. Sarrazin könne so als symptomatisch für jenen Teil der deutschen Gesellschaft angesehen werden, der derzeit mit dem Begriff »Wutbürger« charakterisiert wird. »Bürgerlich, konservativ und besserverdienend mit starker Tendenz zur Entsolidarisierung.«

Dem gibt es nichts hinzuzufügen.

mit freundlichen Grüßen,

Ulla Jelpke