Frage an Ulla Jelpke bezüglich Recht

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Ulla Jelpke
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Frage von Stefan M. •

Frage an Ulla Jelpke von Stefan M. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Jelpke,

im Zusammenhang mit dem aktuellen Geschehnissen in Berlin-Lichtenberg (Migranten prügeln 30-jährigen ins Koma) bin ich auf eine ältere Pressemitteilung von Ihnen gestoßen, in der es ebenfalls um eine Prügelei ging: http://www.linksfraktion.de/pressemitteilungen/schoenbohm-redet-rechte-gewalt-klein/

Nachdem die Angeklagten im Fall Ermyas M. freigesprochen wurden und sogar am Ende des Verfahrens keine Anklage bzgl. eines rassistischen Motives mehr vorlag, Ermyas M. inzwischen wegen Betruges verurteilt ist und die Zukunft der Angeklagten höchstwahrscheinlich zerstört wurde, habe ich folgende Fragen:

1. Haben Sie sich bei Hr. Schönbohm und Hr. Schäuble für Ihre Aussagen entschuldigt?

2. Werden Sie weiterhin bei unklarem Sachverhalt vorschnelle Äußerungen und Anschuldigungen vorbringen oder haben Sie aus dem Fall Ermyas M. gelernt?

3. Hat der 30-jährige Maler in Ihrer Ideologie den gleichen "Stellenwert" als Opfer wie Ermyas M., auch wenn Sie dies nicht politisch ausschlachten können?

4. Zitat VS-Bericht 2009: "Die Zahl der Gewalttaten mit zu vermutendem linksextremistischem Hintergrund ist mit 1.115 registrierten Delikten gegenüber dem Vorjahr (2008: 701) deutlich gestiegen." (Des Weiteren wird die Abnahme von rechter Gewalt bestätigt.)
Wenn ich sie zitieren darf: "Die letzten Zahlen zu rechter Gewalt in Brandenburg zeigen, dass dieser Vorfall nur eine Spitze des Eisbergs ist." Ich würde dies gern umdrehen, so wie es der VS- Bericht belegt: "Die letzten Zahlen zu linker Gewalt [...] zeigen, dass dieser Vorfall* nur eine Spitze des Eisbergs ist." (*bspw. Liebig 14) Stimmen Sie zu? (Eigentlich ist dies keine Frage, da die Zahlen eindeutig sind.)

5. Des Weiteren würde ich noch gern von Ihnen wissen (da dieses Buch bereits Thema vorheriger Fragen hier an Sie war), ob sie das Buch von Hr. Sarrazin vollständig gelesen haben, da Sie es als rassistisch bezeichnen? Bitte nur mit Ja/Nein antworten.

MfG,
Ein Brandenburger Bürger der Mitte

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DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Müller,

ich verurteile jede derartige Gewalttat auf Passanten, egal von wem sie verübt wurde und wer das Opfer ist. Das gilt selbstverständlich auch für den menschenverachtenden und brutalen Angriff am Bahnhof Lichtenberg.

Allerdings sehe ich keinen Grund, meine damalige Presseerklärung im Fall Ermyas M. zurückzunehmen oder mich gar beim damaligen Brandenburger Innenminister Jörg Schönbohm zu entschuldigen. Ich hatte Schönbohm vorgeworfen, dass er rechte Gewalt kleinredet. Genau das war der Fall – unabhängig vom Ausgang des Gerichtsprozesses gegen die beiden Tatverdächtigen wegen des Überfalls auf Ermyas M. Es ist richtig, dass diese aus Mangel an Beweisen freigesprochen wurden. Das ändert allerdings nichts daran, dass es sich hier ganz offensichtlich um einen zumindest auch rassistisch motivierten Angriff auf Ermyas M. gehandelt hat. So hatte der Angreifer ihn vorher mehrfach als „Nigger“ und „Scheiß-Nigger“ beschimpft. Letztlich blieb hier ein rassistisch motivierter Übergriff ungesühnt.
Ich empfehle Ihnen die Untersuchung des Vereins Opferperspektive »Der Fall Ermyas M.« – Chronik einer Debatte, die Sie im Internet unter http://www.opferperspektive.de/Dokumente/Publikationen/Ermyas_M kostenlos herunterladen können.

Sie zitieren den Verfassungsschutzbericht mit Zahlen zu Gewalttaten mit zu „vermutendem“ linksextremistischem Hintergrund. Vermuten lässt sich tatsächlich viel. Doch bislang ist den Ermittlungsbehörden beispielsweise nicht der Nachweis gelungen, dass eine Vielzahl von PKW-Brandstiftungen in Berlin oder Hamburg tatsächlich von Linken ausging. Wie eine universitäre Studie nachweist, war auch ein Großteil der Teilnehmer an den gewalttätigen Auseinandersetzungen am 1.Mai in Berlin-Kreuzberg nicht linksmotiviert, sondern schlicht besoffen, unpolitisch und erlebnisorientiert oder fühlte sich durch das rabiate Auftreten der Polizei provoziert.
Es gilt zudem bereits als Gewalttat – nämlich Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte - wenn ein auf einer Demonstration Festgenommener sich von der Polizei mitschleifen lässt, anstatt freiwillig mit zu gehen. Eine Verletzung muss ein Polizist durch eine solche „Gewalttat“ nicht erlitten haben. Ein Großteil dieser Widerstandshandlungen fand zudem im Zusammenhang mit friedlichen Blockaden von Naziaufmärschen statt.
Dagegen zeigen alle Statistiken, dass sich rechte Gewalt vornehmlich gegen politische Gegner, Andersdenkende, Migranten oder Obdachlose richtet.

Ich lasse mir von Ihnen nicht vorschreiben, eine Frage nur mit ja oder nein zu beantworten. Ich habe Thilo Sarrazins Buch nicht vollständig gelesen. Mir langen seine Aussagen und politischen Schlussfolgerungen in den Teilen des Buches, die ich gelesen habe, um dieses Machwerk als eindeutig rassistisch einzustufen. Meine Zeit ist mir zu schade, um mich mit längst bekannten, aber von Sarrazin als wissenschaftliches Neuland ausgegebenen Statistiken langweilen zu lassen, die von ernsthaften Wissenschaftlern auch ganz anders interpretiert werden.

mit freundlichen Grüßen,

Ulla Jelpke

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DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Müller,

ich verurteile jede derartige Gewalttat auf Passanten, egal von wem sie verübt wurde und wer das Opfer ist. Das gilt selbstverständlich auch für den menschenverachtenden und brutalen Angriff am Bahnhof Lichtenberg.

Allerdings sehe ich keinen Grund, meine damalige Presseerklärung im Fall Ermyas M. zurückzunehmen oder mich gar beim damaligen Brandenburger Innenminister Jörg Schönbohm zu entschuldigen. Ich hatte Schönbohm vorgeworfen, dass er rechte Gewalt kleinredet. Genau das war der Fall – unabhängig vom Ausgang des Gerichtsprozesses gegen die beiden Tatverdächtigen wegen des Überfalls auf Ermyas M. Es ist richtig, dass diese aus Mangel an Beweisen freigesprochen wurden. Das ändert allerdings nichts daran, dass es sich hier ganz offensichtlich um einen zumindest auch rassistisch motivierten Angriff auf Ermyas M. gehandelt hat. So hatte der Angreifer ihn vorher mehrfach als „Nigger“ und „Scheiß-Nigger“ beschimpft. Letztlich blieb hier ein rassistisch motivierter Übergriff ungesühnt.
Ich empfehle Ihnen die Untersuchung des Vereins Opferperspektive »Der Fall Ermyas M.« – Chronik einer Debatte, die Sie im Internet unter http://www.opferperspektive.de/Dokumente/Publikationen/Ermyas_M kostenlos herunterladen können.

Sie zitieren den Verfassungsschutzbericht mit Zahlen zu Gewalttaten mit zu „vermutendem“ linksextremistischem Hintergrund. Vermuten lässt sich tatsächlich viel. Doch bislang ist den Ermittlungsbehörden beispielsweise nicht der Nachweis gelungen, dass eine Vielzahl von PKW-Brandstiftungen in Berlin oder Hamburg tatsächlich von Linken ausging. Wie eine universitäre Studie nachweist, war auch ein Großteil der Teilnehmer an den gewalttätigen Auseinandersetzungen am 1.Mai in Berlin-Kreuzberg nicht linksmotiviert, sondern schlicht besoffen, unpolitisch und erlebnisorientiert oder fühlte sich durch das rabiate Auftreten der Polizei provoziert. Es gilt zudem bereits als Gewalttat – nämlich Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte - wenn ein auf einer Demonstration Festgenommener sich von der Polizei mitschleifen lässt, anstatt freiwillig mit zu gehen. Eine Verletzung muss ein Polizist durch eine solche „Gewalttat“ nicht erlitten haben. Ein Großteil dieser Widerstandshandlungen fand zudem im Zusammenhang mit friedlichen Blockaden von Naziaufmärschen statt. Dagegen zeigen alle Statistiken, dass sich rechte Gewalt vornehmlich gegen politische Gegner, Andersdenkende, Migranten oder Obdachlose richtet.

Ich lasse mir von Ihnen nicht vorschreiben, eine Frage nur mit ja oder nein zu beantworten. Ich habe Thilo Sarrazins Buch nicht vollständig gelesen. Mir langen seine Aussagen und politischen Schlussfolgerungen in den Teilen des Buches, die ich gelesen habe, um dieses Machwerk als eindeutig rassistisch einzustufen. Meine Zeit ist mir zu schade, um mich mit längst bekannten, aber von Sarrazin als wissenschaftliches Neuland ausgegebenen Statistiken langweilen zu lassen, die von ernsthaften Wissenschaftlern auch ganz anders interpretiert werden.

mit freundlichen Grüßen,

Ulla Jelpke