Frage an Ulla Jelpke bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Ulla Jelpke
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Frage von Bernd H. •

Frage an Ulla Jelpke von Bernd H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Schönen guten Morgen, Frau Jelpke

Nachdem ich einige ihrer Antworten gelesen habe, scheinen Sie mir ja einer der Lichtblicke in unserer politischen Landschaft zu sein. Darum richte ich meine Frage mal direkt an Sie.

Zuerst mal die Übersetzung eines Wortes die den meisten unserer Abgeordneten unbekannt zu sein scheint:
DEMOKRATIE=VOLKSHERRSCHAFT

Als das Grundgesetz konstruiert wurde hat man viele Artikel der Weimarer Verfassung von 1919 fast wörtlich übernommen.Unglücklicherweise hat man dabei den Art.73 "übersehen" der eine meiner Meinung nach ganz gute Regelung zum Thema Gesetze und Volksentscheid beinhaltete.
Naja,kann ja mal passieren!

Als man jetzt in Irland dieses demokratischste aller Instrumente beim "Lissabon Vetrag" anwandte,sagte das Volk,nein!
Danach hörte ich in den Medien von Frau Merkel immer wieder so Sätze wie:" Die Iren haben als einzige diesen Vertrag abgelehnt....usw.
Dabei scheint sie zu vergessen daß sowohl das französische als auch das niederländische Volk dies bei der ersten Abstimmung ebenfalls getan haben und diesmal nur durch einen bürokratischen Winkelzug von der Last einer erneuten Entscheidung befreit wurden!
Naja,kann ja auch mal passieren!

Aber wie erklären sich unsere Politiker die Tatsache daß jedesmal wenn dieses demokratische Instrument angewendet wird,sich das Volk gegen seine "Vertreter" ausspricht?
Welche Konsequenzen werden daraus gezogen?

Mit besten Wünschen

Bernd Hartmann

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Hartmann,

dass die Regelungen zur Volksabstimmung, wie sie die Weimarer Verfassung kannte, im Grundgesetz „übersehen“ worden seien, ist hübsch formuliert. Warum die Bevölkerung möglichst nicht direkt mitreden soll, begründen die Herrschenden seit 1949 im Wesentlichen mit angeblichen „Erfahrungen“ aus der Weimarer Republik. Tatsächlich hat es da aber gerade zwei (2) Volksabstimmungen gegeben: Zur Enteignung der Fürsten und gegen den Panzerkreuzer B. Beide sind an zu geringer Beteiligung gescheitert. Weitere Initiativen sind gestartet worden, haben aber nicht genügend Unterschriften erhalten, um überhaupt zur Abstimmung zu kommen. An zu vielen Volksabstimmungen ist die Weimarer Demokratie also ganz bestimmt nicht gescheitert. Andersrum ist es richtig: Zu Grabe getragen wurde die Republik vom Parlament selbst, das mit den Stimmen von Nazis, Nationalkonservativen und Bürgerlichen dem Ermächtigungsgesetz zustimmte. Also: zu viel repräsentative und zu wenig direkte Demokratie!

Ich freue mich natürlich, dass die Bevölkerung des kleinen Irland so standhaft gegen die Tonangebenden der ganzen EU geblieben ist. Was die Regierungen und die Parlamente der EU betreiben, ist der Abbau von politischen und sozialen Grundrechten (das nennt sich dann „Harmonisierung“) und die Militarisierung von Innen- wie Außenpolitik. Die Bevölkerungen würden dem kaum zustimmen, deshalb fragt man sie ja auch gar nicht erst. Und deswegen wird ja fast das Gleiche, was in der EU-Verfassung stand, nun im Lissaboner Vertrag verankert. Die Fraktion DIE LINKE fordert selbstverständlich, über EU-Verfassungen auch in der BRD die Bevölkerung abstimmen zu lassen. Außerdem haben wir einen Antrag in den Bundestag eingebracht, der Volksabstimmungen fordert. Das Dokument finden Sie hier: http://dokumente.linksfraktion.net/drucksachen/7746435673_1601411.pdf

Solange die repräsentative Demokratie jenseits der Bevölkerungsmeinungen agiert und die direkte Demokratie verweigert, gilt es den Druck auf der Straße zu verstärken.

Viele Grüße
Ulla Jelpke