Frage an Ulla Jelpke bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Portrait von Ulla Jelpke
Ulla Jelpke
DIE LINKE
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Ulla Jelpke zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Luvita W. •

Frage an Ulla Jelpke von Luvita W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Jelpke,

warum gibt es den Artikel 146 GG im Grundgesetz ?

Mit freundlichen Grüßen, Luvita Wagner

Portrait von Ulla Jelpke
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Wagner,

Ihre Frage richtet sich auf den Art. 146 des Grundgesetzes, eine der "Übergangsbestimmungen" am Ende des Grundgesetzes. Darin heißt es, dass dieses Grundgesetz so lange gilt, bis sich das deutsche Volk eine Verfassung gibt.

Die "Mütter und Väter des Grundgesetzes" gingen damals davon aus, dass es sich beim Grundgesetz um ein Provisorium handeln würde, das unter den Bedingungen der Besatzung Deutschlands durch die Alliierten entstanden ist. Dieses Prosiorium sollte daher nur so lange gelten, bis Deutschland wieder seine Souveränität erreicht hat und in den Grenzen von 1937 wiederhergestellt ist. Dann sollte sich das deutsche Volk auf dem üblichen Wege bürgerlicher Demokratien, nämlich der Wahl einer verfassunggebenden Versammlung, selbst eine Verfassung geben.

An diesen Grundgesetz-Artikel anknüpfend hat die damalige PDS gemeinsam mit vielen anderen 1990 die Einrichtung genau einer solchen verfassunggebenden Versammlung gefordert und auch schon eigene Ideen vorgelegt. Wie wir alle wissen, ist es dann aber anders gekommen; die Bezirke der ehemaligen DDR haben sich zu Ländern (bzw. in Sachsen einem Freistaat) konstituiert und sind (auf formalen Beschluss der Volkskammer) dem Geltungsbereich des Grundgesetzes beigetreten, was in der Öffentlichkeit oft irreführend als "Wiedervereinigung" bezeichnet wird. Politisch verantwortlich war in erster Linie Wolfgang Schäuble, der damalige und heutige Bundesinnnenminister, der für die BRD die Verhandlungen über den Einigungsvertrag geführt hat. Auch in diesem hätte ja noch geregelt werden können, dass eine verfassunggebende Versammlung gewählt werden soll.

Mit der "Wiedervereinigung" und dem Bestehen des Grundgesetzes seit nun bald 60 Jahren, hat sich sein Charakter als "Provisorium" mittlerweile erledigt. Mit dem 2+4-Vertrag wurde nicht nur der Beitritt der Fünf Neuen Länder zur BRD ermöglicht, sondern Deutschland seine volle Souveränität auch formal zurückgegeben. Das Grundgesetz ist eine Verfassung wie jede andere auch - wobei kein anderer Staat der Welt in 60 Jahren so viele Änderungen an der Verfassung, besonders am Grundrechte-Teil (Art. 1-20 GG) vorgenommen hat wie die Bundesrepublik.

Ich hoffe, ich konnte Ihre Frage damit beantworten und verbleibe,
Mit freundlichen Grüßen,
Ulla Jelpke