Frage an Viola von Cramon-Taubadel bezüglich Verbraucherschutz

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Viola von Cramon-Taubadel
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Wolf J. •

Frage an Viola von Cramon-Taubadel von Wolf J. bezüglich Verbraucherschutz

Sehr geehrte Frau Cramon,
um meine Wahlentscheidung treffen zu können, bitte ich Sie um Antwort auf folgende Fragen:
1. Welche Aufgaben des Staates halten Sie für unabdingbar und wie sollen sie finanziert werden?

Bitte, konkretisieren Sie Ihre Position an folgenden Beispielbereichen:

2.Wie beurteilen Sie das gegenwärtige Bildungssystem der Bundesrepublik Deutschland vom Kindergarten bis zur Hochschule?
3.Wie wollen Sie den Forschungsstandort Deutschland fördern?
4. Welche Vorstellungen werden Sie unterstützen, um sicher zu stellen, dass in Deutschland eine optimale Gesundheitsvorsorge und Versorgung im Krankheits- oder Pflegefalle für alle Bürgerinnen und Bürger gewährleistet wird?

Dankbar für eine baldige eingehende Antwort bin ich Ihr
Wolf Jung.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Jung,

herzlichen Dank für Ihre Anfrage.
Gerne möchte Ihre Fragen wie folgt beantworten:

1. Es gibt viele Aufgaben, für die der Staat verantwortlich ist, unabdingbar und solidarisch finanziert werden müssen auf jeden Fall aber das Bildungs- und das Gesundheitssystem. Solidarische Finanzierung bedeutet, dass wir eine klare Umverteilung vornehmen möchten: Wir möchten den Soli teilweise zu einem Bildungssoli umbauen, um mehr Geld für bessere Schulen, mehr Lehrer und Lehrerinnen und deutlich mehr Studien- und Ausbildungsplätze zur Verfügung zu haben.
Weiterhin wollen wir das Ehegattensplitting, das über Steuererleichterungen von Verheirateten die Ehe selbst ohne Kinder sehr großzügig belohnt, abschmelzen, um alle Kinder gezielter fördern und unterstützen zu können. Diese Gelder sollen vor allem in den quantitativen und qualitativen Ausbau von Kindertagesstätten fließen.
Wir möchten zweitens im Gesundheitssektor eine Bürgerversicherung schaffen und alle Menschen unabhängig davon, ob sie gesetzlich, freiwillig oder privat versichert sind, in dieser Versicherung einbinden. Wir sind der Meinung, dass ein funktionierendes Gesundheitssystem für einen Staat und seine Bürgerinnen und Bürger ein sehr hohes Gut ist, das wir finanziell auch bei veränderten demographischen Rahmenbedingungen auf verschiedene Säulen stellen müssen.

2. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass wir langsam begreifen, wie wichtig die frühkindliche Bildung in den Familien, aber auch und vor allem in den Kindertagesstätten ist. Leider bewegen wir uns aus Sicht der GRÜNEN viel zu langsam an dieser Stelle in Richtung Wissensgesellschaft vorwärts. Wer einmal erlebt hat, wie viel Spaß und Freude die Kleinen am Experimentieren, Ausprobieren und Lernen haben, möchte selbstverständlich mehr finanzielle Mittel in diesen wichtigen Bereich geben. Die Neugier zu wecken und den Wissensdurst der Allerkleinsten zu stillen, sind Aufgaben, die wir als Gesellschaft stärker und gezielter in den öffentlichen Einrichtungen verankern möchten.
Die Länder arbeiten mit sehr unterschiedlichem Tempo (leider gab es ja mit der letzten Föderalismusreform eine echte Rolle rückwärts, was ein bundesweit kompatibles Schulsystem betrifft) an einer Umstrukturierung ihres Schulsystems. Während Niedersachsen immer noch aus ideologisch nicht nachvollziehbaren Gründen an dem gegliederten, sehr selektivem Schulsystem festhält, ist in anderen Bundesländern weitaus mehr Bewegung in die Schulstrukturen gekommen. Ich denke, wir dürfen nicht zufrieden sein, solange wir wissen, dass insbesondere in Deutschland der Bildungsabschluss nach wie vor sehr eng an die soziale Herkunft geknüpft ist, dass sehr viel Wert auf die Mitarbeit aus den einzelnen Elternhäusern gelegt wird und viele das nicht leisten können. Wir haben hohe Schulverweigerer- und Schulabbrecherquoten, die wir nicht länger hinnehmen möchten. Wir haben in vielen Schulen überfüllte Klassenräumen, hohe Stundenausfälle und häufig auch nicht angemessene Arbeitsbedingungen für die Kinder und Jugendlichen. Wer wirklich etwas ändern wollte, könnte an vielen Stellen hier sowohl strukturell als auch punktuell sehr viel verbessern. Insbesondere die Lehrerinnen und Lehrer benötigen mehr personelle Unterstützung.
In den Hochschulen müssen wir mehr Studienplätze schaffen und stärker zwischen der wissenschaftlichen und der angewandten Ausbildung trennen.

3. Deutschland besitzt als Forschungsstandort eine extrem wichtige Funktion und ist bisher immer noch weit davon entfernt, das sog. Lissabon-Ziel, also 3% des BIP für Forschung und Entwicklung auszugeben, zu erreichen. Dazu ist es zum einen wichtig, die staatlichen Hochschulen finanziell besser auszustatten (wobei auch dieses wieder eine Länderaufgabe ist), die bundeseigenen Institute wie Max-Planck-Institute oder die aus dem Leibniz-Forschungsverbund können natürlich direkt von Bundesmitteln profitieren, aber wir sollten auch die mittleren und kleineren Unternehmen steuerlich an der Stelle zu erleichtern, wo sie in die Forschung investieren.
International könnten wir mit unseren Hochschulen und unseren Bundesinstituten eine noch größere Rolle einnehmen, wenn wir attraktivere flexiblere Entlohnungsmechanismen zur Verfügung hätten, weniger bürokratische Hindernisse bei der Beschäftigung ausländischer WissenschaftlerInnen und eine leichtere Integration dieser in den Arbeitsmarkt stattfände.
Inhaltlich wollen wir Anreize setzen, die großen wissenschaftlichen Herausforderungen des Klimawandels, der Energiefrage und der weltweiten, nachhaltigen Ernährungssicherung noch stärker als bisher in Angriff zu nehmen und von Deutschland aus deutliche Akzente zu setzen.

4. Das Gesundheitssystem sollte mit seiner Kranken- und Pflegeversicherung solidarisch organisiert werden. Mit einer solidarischen Gesundheitspolitik und einer auf Prävention basierten Gesundheitsversorgung meinen wir vielmehr Prävention auch in den öffentlichen Einrichtungen und in den Kommunen, viel mehr Angebote in den Stadtteilen oder im Arbeitsleben, um Gesundheit als mehr denn Abwesenheit von Krankheit zu erleben. Es muss eine wohnortnahe Versorgung und Betreuung von chronisch Kranken sicherstellen und vor allem die Zusammenarbeit von ÄrztInnen, Krankenhäusern und anderen Teilen des Gesundheitssystems stärker fördern. Dazu gehört auch ein besseres Ineinandergreifen von ambulanter und stationärer Versorgung.
Wir möchten alle Menschen in den Stand versetzen, auch im Alter selbstbestimmt und individuell leben und entscheiden zu können. Die Alternativen der verschiedenen Hilfsangebote müssen den Menschen frühzeitig vermittelt werden: Sie müssen ein Mix aus individueller Hilfe und bezahlbaren Angeboten sein, vom ehrenamtlichen Besuchsdienst bis zur professionellen Pflege und haushaltsnahen Dienstleistung. Zusätzlich müssen wir insbesondere im Bereich der Pflege langfristig die junge Generation in den Stand versetzen, ergänzend auch eine private Vorsorge zu treffen. Die demographische Entwicklung mit immer weniger Menschen im Arbeitsleben wird neben der staatlichen Versorgung eine ergänzende private Absicherung unausweichlich machen.

Wenn auch nicht 100%ig zeitnah, so doch hoffentlich nicht zu spät!
Mit freundlichen Grüßen,
Ihre

Viola von Cramon.

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