Frage an Volker Wissing von Edeltraud S. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Doktor Wissing,
für wie wenig Geld würden Sie denn arbeiten, wenn Sie keinen Arbeitsplatz hätten?
Sie haben für das Wachstumsbeschleunigungsgesetz gestimmt!
Unser Land blutet aus, weil viel zu wenig Steuern gezahlt werden. Daran sind die viel zu niedrigen Löhne Schuld! Die Arbeitgeber beuten den Staat aus, indem sie durch Lohndumping den Staat zu zusätzlichen sozialen Leistungen zwingen.
Die Arbeitgeber beuten die Arbeiter aus, indem sie durch ausbeuterische Leiharbeitsverträge, die Arbeiter versklaven.
Die Politiker beuten die Krankenkassen aus, indem sie Lohndumping und versicherungsfreie Arbeit zulassen!
Warum sorgen Sie nicht dafür, dass mit ordentlichen Löhnen, die Krankenkassen auch ordentliche Beiträge bekommen?
Warum sorgen Sie nicht dafür, dass durch eine Verdopplung der Versicherungspflichtgrenze, genügend gut verdienende Arbeitnehmer in die gesetzlichen Kassen kommen?
Wenn dann noch die Beitragsobergrenze angehoben wird, würden die gesetzlichen Krankenkassen im Geld schwimmen, habe ich nicht recht?
Warum tun Sie dies alles nicht und sorgen damit nicht für sozialen Frieden?
Die Menschen in unserem Land wollen keinen Sozialismus, keine Gleichmacherei der Löhne!
Sie akzeptieren Unterschiede, die durch Ausbildung, Fleiß und Engagement erarbeitet wurden.
Aber die Grenze zur Ausbeutung wird überschritten, wenn das Top-Management überdimensional zulangt und die unteren Einkommensschichten nicht mehr solide von ihrer Arbeit leben können. Die Schmerzgrenze zur Sklaverei ist erreicht, deshalb bitte ich Sie, sich jetzt mal in diese Leute hineinzuversetzen und eine ehrlich Antwort zu geben, danke.
Mit freundlichen Grüßen
Edeltraud Studer
Sehr geehrte Frau Studer,
vielen Dank für Ihre "Frage" vom 17. Januar 2010.
Auch wenn ich Ihre Kritik an zu niedrigen Löhnen für verständlich und berechtigt halte. So kann ich Ihrer Argumentation trotzdem nicht zustimmen. In Ihrem Schreiben betrachten Sie die Löhne vollkommen losgelöst zum einen von den Preisen, zum anderen aber auch von den Firmen. Niedrige Löhne sind nicht per se Ausdruck von Ausbeutung und Willkür der Arbeitgeber, sie sind manchmal auch einer starken Konkurrenzsituation oder der mangelnden Bereitschaft für bestimmte Produkte höhere Preise zu zahlen, geschuldet.
Wenn man Ihr Schreiben liest, könnte man den Eindruck gewinnen, dass es nur etwas guten Willens und zwei-drei entsprechender Gesetze bedürfe und schon wäre der Wohlstand in Deutschland gesichert. Leider ist unsere Gesellschaft etwas komplizierter. Es ist nicht damit getan, dass der Staat bestimmte Löhne vorschreibt, diese müssen auch von den Unternehmen erwirtschaftet werden. Dort wo der Staat Löhne vorschreibt, die für das Unternehmen nicht wirtschaftlich sind, führt dies zwangsläufig zur Vernichtung von Arbeitsplätzen. Im Prinzip haben wir in Deutschland mit Hartz IV und der Möglichkeit Einkommen, die darunter liegen, aufzustocken, bereits einen allgemeinen Mindestlohn. Ein Mindestlohn unterhalb des Hartz-IV-Satzes wird dazu führen, dass eine entsprechende Arbeit kaum aufgenommen wird. Einer deutlich über diesem Satz birgt die Gefahr, dass Arbeitsplätze abgebaut und ins Ausland verlagert werden.
Ich teile Ihre Auffassung, dass in Deutschland zu viele Menschen in prekären und schlecht entlohnten Arbeitsverhältnissen beschäftigt sind. Allerdings glaube ich nicht, dass sich daran etwas per Dekret ändern lässt. Der Staat kann politische Weichen stellen, er kann Bedingungen schaffen, die Wachstum stimulieren und die Entstehung von Arbeitsplätze fördern, er kann aber nicht beliebig in die Wirtschaft eingreifen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Volker Wissing, MdB