Frage an Volker Wissing von Manfred B. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Dr.Wissing,
ich habe heute Ihr "Duell" mit Hubertus Heil auf n-tv gesehen.
Hier haben Sie wie Ihre Parteikollegen wieder eine Drohkulisse gegen einen Finanztransaktionssteuer aufgebaut, weil der Normalbürger angeblich so stark belastet wäre.
1. Angenommen, ein Bürger hat die Möglichkeit, monatlich 2000 Euro zu bewegen, d.h. ein Teil am Bankautomaten abheben, Beiträge für Bausparvertrag, Riester - oder Lebensversicherung und ähnliches. Diese 2000 Euro werden also nicht permanent hin und her geschichtet sondern einmalig bewegt. Im Gegensatz übrigens zu Spekulanten, die Milliardenbeträge per Knopfdruck um den Globus schicken, und das mehrmals täglich ohne dass dies einen volkswirtschaftlichen Sinn hätte.
Bei einer Steuer von 0,05% sind das nach meiner Rechnung und bei dem Beispiel das ich angeführt habe 1 Euro "Belastung".
Frage: Wollen Sie mir und uns damit Angst machen? Vielleicht können Sie mir einmal eine konkrete Gegenrechnung aufstellen?
2. Gleichzeitig loben Sie die Bankenabgabe.
Nach meiner Information ist die Abgabe von den Banken steuerlich absetzbar.
D.h., bei einer Abgabe von 1,2 Milliarden Euro pro Jahr entgehen uns Bürgern einige hundert Millionen Euro an Steuern.
Frage: Sehen Sie das etwa nicht als Belastung für uns Bürger?
3. Nur die Finanztransaktionssteuer belastet die Aktivität, nämlich das hin- und herschieben von
riesigen Milliardenbeträgen. Diese Steuer kann also Finanzströme lenken, weil jede Transaktion (oder Spekulation) Geld kostet, unabhängig ob sie Verlust oder Gewinn bringt. Der Spekulant wird sich die Aktion also genau überlegen müssen.
Ihre sog. Finanzaktivitätssteuer jedoch greift erst nach der Aktivität, nämlich erst dann wenn ein Gewinn angefallen ist, wahrscheinlich auch noch verrechnet mit angefallenen Verlusten.
Frage: Befördert Ihre Aktivitätssteuer, die auch noch den falschen Namen trägt, nicht erst recht die Spekulation, wenn dann die Verluste daraus verrechnet werden können?
Beste Grüße
Manfred Burger
Sehr geehrter Herr Burger,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 19. Mai 2010.
In der Tat stellt die Finanztransaktionssteuer für Bürgerinnen und Bürger, die ihr Geld auf dem Sparbuch anlegen, keine Belastung dar. Ganz anders sieht es aber für diejenigen aus, die in eine Lebensversicherung, eine Riesterrente oder einen Anlagefonds investiert haben. Diesen liegen in aller Regel aktiv gemanagte Wertpapierdepots zugrunde, die kontinuierlich und mit hoher Frequenz umgeschichtet werden. Das heißt, gerade diese Anleger reagieren, um Ertragsverluste für ihre Versicherungsnehmer bzw. Investoren zu vermeiden, sehr schnell und sehr oft auf Kursveränderungen an der Börse durch den An- bzw. Verkauf von Wertpapieren. Aufgrund der Vielzahl der Transaktionen und der Summe des umgeschichteten Vermögens erreicht die finanzielle Belastung durch die Finanztransaktionssteuer eine ganz andere Dimension, als dieses bei klassischen Kleinsparern der Fall wäre. Diese Versicherungsgesellschaften würden selbstverständlich die Belastung durch die Finanztransaktionssteuer auf die Versicherungsnehmer umlegen, aber nicht nur das. Es steht zu befürchten, dass Fondsmanager bemüht sein werden, steuerpflichtige Transaktionsvorgänge zu vermeiden, was sich in einer deutlich niedrigeren Rendite für die Halter von Lebens- und Riesterrentenversicherungen niederschlagen dürfte.
Bezüglich der steuerlichen Absetzbarkeit verweise ich Sie auf meine Antwort vom 21. Mai 2010, in welchem ich Ihnen geschrieben habe, dass noch keine Entscheidung darüber getroffen wurde, ob die Bankenabgabe steuerlich absetzbar sein wird.
Sie schreiben vollkommen zu Recht, dass die Finanztransaktionssteuer die einzelnen finanziellen Aktivitäten der Marktakteure belastet. Diese sind aber per se nicht unbedingt schlecht. Ist es tatsächlich verwerflich, wenn ein Investor bestimmte Anleihen oder Aktien abstößt, um andere anzukaufen, weil er sich dadurch eine bessere Gewinnchance errechnet? Im Prinzip besteht darin sogar ein stabilisierendes Element. In dem die Märkte bereits auf kleinste Schwächen reagieren, senden sie an das betreffende Unternehmen oder auch den Staat ein Signal aus, dass diesem die Chance gibt zu reagieren. Mit der Finanztransaktionssteuer werden die Transaktionen vielleicht in der Anzahl geringer, in der Auswirkung aber sehr viel gravierender. Investoren werden zwar vielleicht nicht auf jede Nuance reagieren, aber wenn sie reagieren, dann mit aller Entschlossenheit, was den Markt in sehr viel größere Turbulenzen stürzen kann, als das bisher der Fall ist.
Die Finanztransaktionssteuer ist ein Medikament, dessen Wirkung von seinen Nebenwirkungen weit übertroffen wird. Deshalb befürwortet die FDP, im Einklang mit dem internationalen Währungsfonds, eine so genannte Finanzaktivitätensteuer. Diese bezieht sich nicht auf die einzelnen Transaktionen, sondern auf die Gewinne, Gehälter und Boni. Es ist bekannt, dass eine wesentliche Ursache der Finanzmarktkrise nicht die Vielzahl der Transaktionen war, sondern vor allem in dem einseitig auf die kurzfristige Leistung ausgerichteten Vergütungssystem der Finanzbranche bestand. Die Finanzaktivitätensteuer wäre nicht nur sehr viel eher international konsensfähig als die Finanztransaktionssteuer, sie setzt auch bei der eigentlichen Ursache des Problmens an.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Volker Wissing, MdB