Frage an Volker Wissing von Thomas S. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Dr. Wissing,
im Wahlkampf zur Bundestagswahl 2009 hat die FDP einen massiven Umbau des ganzen Steuersystems versprochen („niedrig, einfach und gerecht“). Mit dem „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“ kamen zwar kleine Entlastungen, aber mit einem komplett neuen Steuerrecht, wie es die FDP im Wahlkampf versprochen hat, hat das wohl noch nichts zu tun. Im Gegenteil, durch die neue Mehrwertsteuerausnahme für Hotelübernachtungen wurde es noch komplizierter.
Nun wird ja durch Steuerschätzungen etc. klar, dass das Prädikat „niedrig“ nicht mehr erfüllt werden kann. Der FDP ist jetzt die Haushaltskonsolidierung wichtiger, was ich auch sehr gut finde.
Was ich dabei jedoch nicht verstehe: Was spricht denn jetzt dagegen, dass Steuerrecht wenigstens so umzubauen, dass es viel einfacher wird, aber keine Steuerausfälle entstehen?
Zum Beispiel durch Abschaffung des linear-progressiven Verlaufs in der Einkommenssteuer zugunsten von drei Steuerstufen. Das muss ja nicht zwingend unterm Strich Entlastung bedeuten.
Oder nehmen Sie das „Bierdeckel“-Modell von Friedrich Merz: Das sieht in der Einkommenssteuer drei Steuerstufen von 12, 24 und 36 Prozent vor. Die dadurch entstehenden Mindereinnahmen können nach dem Merz’schen Modell aber durch Abschaffung von allen Steuervergünstigungen, Ausnahmetatbeständen und ähnlichem fast vollständig gegenfinanziert werden.
Frage:
Was spricht aus ihrer Sicht als finanzpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion denn jetzt dagegen, dass die Regierung, wenn schon eine weitere Entlastung nicht mehr möglich ist, wenigstens eine radikale Vereinfachung des Steuerrechts durchsetzt?
Sehr geehrter Herr Schmidt,
vielen Dank für Ihre Frage vom 11. Oktober 2010.
Die schwarz-gelbe Koalition wird noch in dieser Legislaturperiode ein Steuervereinfachungsgesetz auf den Weg bringen, das für die Bürgerinnen und Bürger spürbare Verbesserungen mit sich bringen soll, wie z.B. die vorausgefüllte Steuererklärung. Das ist zwar keine Strukturvereinfachung, aber immerhin ein erster Schritt.
Ich halt es für wichtig, die Frage der Strukturreform nicht von der Steuersenkung zu trennen. Das Steuerkonzept der FDP umfasst schließlich eine Vielzahl von Maßnahmen, das geht über das Bürgergeld bis hin zur Einführung eines Drei-Stufen-Tarifs. Sollte z.B. der Drei-Stufen-Tarif ohne Steuersenkung eingeführt werden, müsste das Steueraufkommen entsprechend dem linear-progressiven Verlauf der Tarifkurve auf die einzelnen Tarifstufen eines Stufentarifs umverteilt werden. Im Endergebnis würden sich damit für einige eine Steuersenkung ergeben, wenn Sie im Verhältnis zu ihrem aktuellen Steuersatz einer niedrigeren Tarifstufe zugeordnet werden, andere aber müssten, um die Aufkommensneutralität der Steuerreform zu gewährleisten, eine Steuermehrbelastung tragen, da sie einer entsprechend höheren Stufe zugeordnet werden müssen. Eine Steuerreform ohne Steuersenkung würde damit zwangsläufig für einige zu einer Steuererhöhung führen, was sehr schnell das Modell insgesamt diskreditieren könnte.
Im Endergebnis würde die FDP dann keine Steuervereinfachungs-, sondern eine -erhöhungsdiskussion führen müssen. Es war und ist aber das erklärte Ziel der FDP die Steuerbelastung möglichst aller Bürgerinnen und Bürger zu senken.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Volker Wissing, MdB