Frage an Volker Wissing bezüglich Finanzen

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Volker Wissing
FDP
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Frage von Thomas S. •

Frage an Volker Wissing von Thomas S. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Wissing,

erst mal vorneweg: Ich bin nicht gerade ein Freund der FDP und ihrer Klientelpolitik, aber Sie sind einer der klügsten Politiker Ihrer Fraktion, und ich schätze auch sehr, dass Sie sich die Zeit nehmen, die hier gestellten Fragen zu beantworten.

Nach Griechenland muss nun auch Irland mit einem milliardenschweren "Rettungspaket" aus ihrer Finanzkrise geholfen werden, wofür u.a. auch der dt. Staat (und somit der Steuerzahler) als Ausfallbürge haftet.
Dazu hätte ich ein paar grundlegende Fragen:

Warum werden die Staatshilfen für Griechenland oder Irland alle über die KfW abgewickelt und warum gibt es das Geld nicht direkt (am besten zinslos) von der EZB, sondern immer nur von privaten oder öffentlichen Geschäftsbanken?

Warum lässt man es überhaupt zu, dass diese Form der "Insolvenzverschleppung" zu einem Geschäftsmodell für Banken und Hedge Fonds wird, die an den hohen Risikoaufschlägen, die notleidende Staaten zahlen müssen, um an frisches Geld zu kommen und ihre Liquidität zu sichern, kräftig verdienen?

Ich sehe es als große Gefahr, dass durch die Kreditvergabe an wenig solvente Schuldner und andere Risikogeschäfte das Geldvermögen und damit auch die Schulden rapide anwächst. Warum wird keine Regelung geschaffen, dass uneintreibbare Forderungen nach ein paar Jahren zwangsweise verfallen (müssen dann halt wertberichtigend abgeschrieben werden) und vor allem, dass mit solchen notleidenden Krediten kein Handel und selbstverständlich auch keine Spekulation betrieben werden darf?

Auf Ihre Antwort bin ich sehr gespannt

Mikt freundlichen Grüßen
Thomas Stockert

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Stockert,

vielen Dank für Ihre Frage vom 29. November 2010.

Die Staatshilfen für Griechenland werden nicht über die Notenbank abgewickelt, da diese im Prinzip keine Kredite an Staaten vergibt, das heißt würde die Europäischen Zentralbank Griechenland oder Irland Geld geben, so entspräche dieses einer Geldmengenvermehrung. Salopp formuliert könnte man sagen, die Notenbank würde das Geld drucken, was zu einer Gefährdung der Geldwertstabilität führen könnte. Die EZB hat in der Vergangenheit allerdings z.B. griechische Staatsanleihen aufgekauft, aber auch das ist nicht problemlos, da auf diese Weise riskante Anleihen gegen gutes Geld getauscht werden. Auch dieses kann, wenn es dauerhaft und in großem Umfang durchgeführt wird zu einer Gefährdung der Geldwertstabilität führen. Aus diesem Grund ist es richtig, wenn das Geld über z.B. die Kreditanstalt für Wiederaufbau am Markt aufgenommen und über den Rettungsschirm den bedrohten Euroländern zur Verfügung gestellt wird. Diese Vorgehensweise wirkt sich kaum auf die Geldmenge aus und die Inflationsgefahr wird minimiert.

Das Ziel des Rettungsschirm ist es zu verhindern, dass aus einer Schuldenkrise nationaler Haushalte eine systemische Eurokrise wird. Aus diesem Grund versucht man die in Schwierigkeiten befindlichen Euroländern kurzfristig zu refinanzieren, bis sie sich wieder zu akzeptablen Konditionen an den Finanzmärkten Geld aufnehmen können. Auch ich sehe die Gefahren einer solchen Vorgehensweise. Zum einen wird auf diese Weise verhindert, dass die Signalfunktion der Zinsentwicklung zum Tragen kommt. In der Vergangenheit signalisierten steigende Zinsen stets eine Kritik der Märkte an der Finanz- und Haushaltspolitik des betreffenden Landes. Der Rettungsschirm führt zu der paradoxen Situation, dass für griechische Anleihen griechische Zinsen bezahlt werden müssen, diese aber über den Rettungsschirm mit der Bonität deutscher Bundesschatzbriefe ausgestattet werden. Zum anderen ist das mögliche Insolvenzrisiko eines Staates in den hohen Zinssätzen, die dieser für seine Anleihen zahlen muss, bereits eingepreist. Über den Rettungsschirm wird dieses Risiko von den Investoren auf die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler verlagert. Die FDP hat daher in der Vergangenheit stets eine Insolvenzordnung für Euroländer gefordert. Eine Forderung die mit dem neuen Krisenmechanismus zumindest teilweise umgesetzt wird.

Die FDP hätte sich eine strengere Beteiligung der Investoren an dem Rettungsschirm bzw. dem Euro-Krisenmechanismus gewünscht. Die hohen Zinsaufschläge, die von den Märkten für bestimmte Anleihen verlangt werden, rechtfertigen auch die substantielle Beteiligung der Investoren an den Risiken. Trotzdem darf die Diskussion über den Rettungsschirm nicht davon ablenken, dass die Eurokrise im Wesentlichen keine Währungskrise, sondern eine Schuldenkrise einzelner Länder ist. Wichtiger als Rettungsmaßnahmen ist daher, dass die Regierungen der Euroländer ihre Haushalte konsolidieren. Die Eurokrise kann erst dann wirklich als beendet betrachtet werden, wenn die Euroländer in ihrer Gesamtheit ihre Haushalte konsolidiert und nachhaltig finanziert haben.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Volker Wissing, MdB

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