Frage an Volker Wissing von Guido F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Wissing,
anders als Sie in Ihrer Antwort auf die Anfrage Herrn Nases vom 30.06.11 behaupten, ist das Mitführen geringfügiger Mengen weicher Drogen, beispielsweise Cannabis, nicht straffrei.
In der BRD werden pro Jahr mehr als 100.000 Strafverfahren gegen Cannabiskonsumenten eingeleitet (vgl. http://tinyurl.com/yc64eol ). Bei geringen Mengen, darauf wiesen die Autoren der Studie "Cannabis und Strafverfolgung" hin, ist lediglich bei einer "Idealkonstellation", welche nur in 20% der Fälle bis 6 g auftritt, von einer Einstellung nach § 31a BtMG auszugehen (vgl. http://tinyurl.com/24ts7r9 ).
In Baden-Württemberg reichte kürzlich gar eine positive Blutprobe, um eine Hausdurchsuchung anzuordnen (vgl. http://tinyurl.com/5vedjzd ).
Was lässt Sie glauben, das Mitführen geringfügiger Mengen sei straffrei?
Seit Beginn der aktuellen Legislaturperiode kommt die Drogenbeauftragte der Bundesregierung mit Mechthild Dyckmans aus den Reihen der FDP. Ihre Antworten hier auf Abgeordnetenwatch sind jedoch nicht von denen ihrer Vorgängerin Sabine Bätzing (SPD) zu unterscheiden.
Warum halten sie die Drogenpolitik der FDP nicht für repressiv, ist ihre Position doch offenbar deckungsgleich mit denen der "Volksparteien"?
3.3 Mio. Bundesbürger sind alkoholabhängig oder konsumieren missbräuchlich, 9,5 Mio. trinken täglich schädliche Mengen und 73.000 sterben jedes Jahr aufgrund übermäßigen Alkoholkonsums (vgl. http://tinyurl.com/DHS-Alko ). Jährlich werden 60-mal mehr Menschen wegen alkoholbedingter Krankheiten behandelt als aufgrund cannabisbedingter (*).
Wie kann Strafverfolgung gegen erwachsene Cannabiskonsumenten für einen Liberalen moralisch vertretbar sein, wenn Alkohol, eine der gefährlichsten Drogen überhaupt (vgl. http://tinyurl.com/DroRan2 , http://tinyurl.com/2jmp5r ), schon für Minderjährige frei zugänglich ist?
Freundliche Grüße
Guido Friedewald
* "Diagnosedaten der Krankenhäuser ab 2000" über www.gbe-bund.de, Stichwortsuche: Alkohol, bzw. Cannabinoide
Sehr geehrter Herr Friedewald,
vielen Dank für Ihre Frage vom 11. Juli 2011.
Wie Sie sehr richtig schreiben, verursacht Alkoholismus erhebliche gesellschaftliche Schäden. In der Vergangenheit hat es daher zahlreiche Initiativen gegeben, den Alkoholkonsum stärker zu kontrollieren und auch zu reduzieren, Alkoholika dürfen eben nicht mehr an Minderjährige abgegeben werden. In einigen Kommunen wurde der Spätverkauf von Alkohol an Tankstellen eingeschränkt. Die Promillegrenze wurde deutlich reduziert. Wenn Sie die Auswirkungen von Alkohol mit denen von Cannabis vergleichen wollen, sollten Sie bedenken, dass der Alkoholkonsum in Deutschland weit stärker verbreitet ist, als der von Cannabis. Es ist sehr schwierig abzuschätzen, wie sich gesamtgesellschaftlich betrachtet, die Freigabe des Cannabis-Konsums auswirken würde.
Die von Ihnen beigefügte Statistik sagt leider wenig über die Art der Delikte aus. Weder der Handel noch die Produktion von Cannabis ist in Deutschland erlaubt, lediglich bei der Mitführung geringer Mengen wird von einer Strafverfolgung abgesehen. ( http://de.wikipedia.org/wiki/Menge_%28Bet%C3%A4ubungsmittelrecht%29#Geringe_Menge_bei_Cannabisprodukten ).
In den letzten Jahren wurde der Konsum von Tabak und Alkohol deutlichen Restriktionen unterworfen, und es ist nicht ausgeschlossen, dass weitere Maßnahmen folgen werden. Ihre Auffassung, dass die Gefahren des Alkoholkonsums ignoriert würden, teile ich daher nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Volker Wissing, MdB