Frage an Volker Wissing von Wilfried S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Haben Sie Dank für Ihre
Antwort vom 21. April, Herr Dr. Wissing (Thema: Euro-Rettungsschirm)
Sie lassen mich wissen, daß Staaten darauf angewiesen sind, ihre Neuverschuldung von Investoren finanziert zu bekommen und deswegen dafür Sorge tragen müssen, das Vertrauen der Investoren nicht zu verlieren.
Nun ist die Bundesregierung gerade wieder dabei, das Vertrauen der Investoren in Griechenland und den Euro zu stärken und stützt zu diesem Behufe das Land erneut mit etlichen Milliarden.
Das Land?
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, doch eher die Banken und Investoren, damit diese weiter Kredite zum Kauf von Exportgütern vergeben.
Korrigieren Sie mich, der ich mit ach und krach gelernt habe „Bank“ richtig zu schreiben, wenn ich daraus falsch schlußfolgere: Wir Bürger zahlen Steuern und verzichten auf Einkommen, damit Bundesregierung und Parlament dafür Sorge tragen, daß Exporteure, Banken und Investoren ihr Vermögen mehren?
Wenn dem so sein sollte: Heißt das im Ergebnis nicht, daß - anders als von den Grundgesetzmüttern und -vätern beabsichtigt - nicht die Repräsentanten des Volkes, sondern einige durch Wahlen unlegitimierte Leute die Geschicke der Republik bestimmen und mit jeder weiteren Garantie ihrer Einlagen durch Regierungen sich dieselben noch stärker als bisher verpflichten?
Sehr geehrter Herr Steinicke,
vielen Dank für Ihre Frage vom 21. Juli 2011.
In einer Gesellschaft ist es sehr schwierig alle Bereich fein säuberlich zu trennen. Wenn Sie z.B. die Exportwirtschaft unterstützen, schaffen Sie damit auch Arbeitsplätze, Sie stärken damit die Sozialkassen und erhöhen die Steuereinnahmen, was Ihnen auch die Wahrnehmung sozialer Aufgaben erleichtert- Wollen Sie umgekehrt die Belange der Exportwirtschaft ignorieren und auf diese Wohlstandseffekte verzichten?
Die Ursache der Staatsverschuldung liegt vor allem darin, dass der Staat in der Vergangenheit mehr Geld ausgegeben als eingenommen hat. Wenn Sie sich die Struktur des Bundeshaushaltes ( http://bund.offenerhaushalt.de ) anschauen, werden Sie schnell feststellen, dass der größte Ausgabenposten, der für Arbeit und Soziales ist. Entsprechend fließt auch ein Großteil der Neuverschuldung in diesen Bereich. Die Neuverschuldung beträgt in Deutschland rund 50 Mrd. Euro, hinzu kommen noch rund 300 Mrd. Euro Altschulden, die jedes Jahr durch neue Kredite abgelöst werden müssen. Deutschland ist also alles andere als auf der sicheren Seite, sondern in der Eurokrise selbst extrem exponiert. Die aufgenommenen Gelder gingen auch in der Vergangenheit nicht an "Banken und Investoren", sondern sind auch in zahlreiche Sozialleistungen geflossen. Wir hätten ganz andere gesellschaftliche Verteilungsdiskussionen erlebt, wenn alle staatlichen Leistungen direkt über die Steuerlast hätten finanziert werden müssen. In der Vergangenheit diente die Staatsverschuldung vor allem dazu, die wahren Kosten des Sozialstaates zu verschleiern. Den Empfänger entsprechender Leistungen wurde suggeriert, dass diese regelmäßig ausgebaut und angepasst werden können, gleichzeitig hat man die Belastungen für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zunächst konstant halten können. Erst mit der Eurokrise ist diese Politik an ihre Ende angelangt.
Ihre Auffassung, dass die Wirtschaft sich durch die Staatsverschuldung einseitig bereichert ist so nicht zutreffend. Die Staatsverschuldung ist eine kollektive Verantwortung, der wir uns gemeinsam stellen müssen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Volker Wissing, MdB