Frage an Volker Wissing von Manfred B. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Wissing,
die Rating-Agenturen sind nach meiner Ansicht zu organisierten Verbrechern mutiert,
und kommen ihrer eigentlichen Aufgabe, nämlich objektive und unabhängige Wächter
zu sein, längst nicht mehr nach.
Leider möchte unsere Regierung dies immer noch nicht wahrhaben, stattdessen sprechen Sie immer staunend und ehrfurchtsvoll von "den sog. Märkten". Dass mit den Ratings ganze Volkswirtschaften zugrunde gerichtet werden können, scheint die Politik nicht groß zu interessieren.
Dazu meine Fragen:
Können Sie uns erklären, mit welchen privaten Unternehmen, Fonds oder Investmentbanken die Rating-Agenturen verflochten sind? Wer sind eigentlich die Eigentümer, oder wer profitiert davon, wenn Staaten abgewertet werden? Und wer kontrolliert eigentlich die Ratingagenturen?
Mit freundlichen Grüßen
Manfred Burger
Sehr geehrter Herr Burger,
vielen Dank für Ihre Frage vom 18. Juni 2012.
Die Macht der Ratingagenturen ist ihnen von der Politik verliehen worden. Sie beruht darauf, dass wir bestimmten Investoren vorschreiben, nur in Anlagen mit einem bestimmten Mindestrating zu investieren. Ziel dieser Vorschrift ist es, Versicherer oder auch Banken von riskanten Spekulationen abzuhalten. Wenn eine Ratingagentur für ein bestimmtes Investment die Beurteilung anhebt oder herabstuft, entscheidet sie damit unter Umständen über Milliardeninvestitionen. Ich sehe diese Macht durchaus kritisch, aber wollen Sie deshalb von staatlicher Seite auf entsprechende Vorschriften verzichten? Dann riskieren Sie, dass Versicherer und Banken verstärkt in Anlagen mit höheren Renditen und damit auch höherem Risiko investieren. Wollen Sie das?
Davon abgesehen richten nicht die Ratings ganze Volkswirtschaften zugrunde, sondern in aller Regel diese sich selbst. Wenn Sie sich Artikel kaufen, diese nicht bezahlen, so dass Sie einen negativen Schufa-Eintrag erhalten. Wenn Ihnen Ihre Bank daraufhin einen dringend benötigten Kredit verweigert, ist dann die Schufa dafür verantwortlich, die Bank oder vielleicht auch Sie? Die Schuldzuweisungen an die Ratingagenturen sind nur auf den ersten Blick plausibel. Auf den zweiten sind sie aber ziemlich verfehlt. Als Kreditnehmer wollen Sie etwas, das heißt Sie müssen sich einer Bonitätsprüfung unterziehen. Dies ist nicht angenehm und das Urteil empfinden Sie vielleicht als Demütigung, aber Sie haben auch kein Anrecht auf das Geld der Investoren. In einer ähnlichen Situation befindet sich gerade die Eurozone. Natürlich ist niemand glücklich über die negativen Ratings, aber so ganz unschuldig sind die Staaten daran auch wieder nicht.
Die sicherste Methode sich der Macht negativer Ratings zu entziehen, ist ein ausgeglichener Haushalt. Wenn Sie kein Geld von den Anlegern haben wollen, dann können Ihnen auch die Urteile der Ratingagenturen egal sein. Wer sich verschuldet, begibt sich in die Abhängigkeit der Finanzmärkte und muss daher auch akzeptieren, dass diese ihn umfassend prüfen und dabei zu einem Urteil kommen, dass einem nicht gefällt. Da geht es den Staaten mit den Ratingagenturen genauso, wie dem privaten Kreditnehmer mit der Schufa.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Volker Wissing, MdB