Frage an Volker Wissing von Manfred B. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Wissing,
Sie müssen schon entschuldigen, aber Ihre Antwort vom 21.6. auf meine Fragen vom 17.6. geht doch komplett an meiner Fragestellung vorbei und verleitet mich zu weiteren Fragen:
1. Wenn die Macht der Ratingagenturen von der Politik verliehen wurde, warum kann die Politik diese Macht nicht wieder beschneiden?
2. Warum ist die HRE bankrott, warum wurde die Commerzbank verstaatlicht, was ist mit den Landesbanken um nur einige Beispiele zu nennen, wenn die Ratingagenturen diese Banken doch von Spekulation abhalten sollten?
3. Warum sind die Schulden in den Ländern dramatisch gestiegen, alleine in Deutschland um 300 Milliarden Euro in den letzten 3 Jahren?
Vielleicht weil der Bankensektor gerettet werden musste?
4. Warum konzentrieren sich die amerikanischen Ratingagenturen eigentlich hauptsächlich auf europäische Länder? Wer hat da welches Interesse?
Und dann wiederhole ich noch meine Fragen, die Sie nicht beantwortet haben:
a) Können Sie uns erklären, mit welchen privaten Unternehmen, Fonds oder Investmentbanken die Rating-Agenturen verflochten sind?
b) Wer sind eigentlich die Eigentümer, oder wer profitiert davon, wenn Staaten abgewertet werden?
c) Und wer kontrolliert eigentlich die Ratingagenturen?
Mit freundlichem Gruß
Manfred Burger
Sehr geehrter Herr Burger,
vielen Dank für Ihre Frage vom 21. Juni 2012.
1. Wenn die Macht der Ratingagenturen von der Politik verliehen wurde, warum kann die Politik diese Macht nicht wieder beschneiden?
Selbstverständlich kann die Politik die Macht der Ratingagenturen beschneiden, indem sie nicht mehr verpflichtend Mindestratings für bestimmte Anleger vorschreibt. Das Problem ist aber, dass Sie dann entsprechende Anlagevorgaben auf andere Weise vorgeben müssen, es sei denn Sie wollen, dass Versicherungen und auch Banken unreguliert spekulieren dürfen. Die Bindung an bestimmte Ratings hat den Vorteil, dass sie den Anlegern einerseits eine gewisse Flexibilität gibt, andererseits eine gewisse Absicherung gegen Ausfallrisiken darstellt.
2. Warum ist die HRE bankrott, warum wurde die Commerzbank verstaatlicht, was ist mit den Landesbanken, um nur einige Beispiele zu nennen, wenn die
Ratingagenturen diese Banken doch von Spekulation abhalten sollten?
Die Ratingagenturen haben nicht die Aufgabe der Finanzaufsicht. Ratingagenturen haben die Aufgabe Anlageprodukte zu bewerten. Ratingagenturen sollten vor allen Dingen Transparenz in den Markt bringen. Dass sie dieser Verantwortung in der Vergangenheit nicht stets gerecht geworden sind, steht außer Frage. Insbesondere im Zusammenhang mit der amerikanischen Subprime-Krise war das Verhalten der Rating-Agenturen alles andere als verantwortungsbewusst.
3. Warum sind die Schulden in den Ländern dramatisch gestiegen, alleine in Deutschland um 300 Milliarden Euro in den letzten 3 Jahren? Vielleicht weil der Bankensektor gerettet werden musste?
Deutschland hat eine Staatsverschuldung in Höhe von 2 Billionen Euro. Auch wenn die Bankenstabilisierung die öffentlichen Finanzen durchaus belastet haben, so war der Haushalt auch davor weit davon entfernt ausgeglichen zu sein. Und selbst wenn Sie die rund 300 Mrd. Euro zusätzlicher Schulden der letzten drei Jahre auf die Bankenstabilisierung zurückführen, dann wären rund 85% der Staatsverschuldung bzw. 1,7 Billionen Euro auf andere Ursachen zurückzuführen.
4. Warum konzentrieren sich die amerikanischen Ratingagenturen eigentlich hauptsächlich auf europäische Länder? Wer hat da welches Interesse?
In Europa wird vor allem über die Ratings europäischer Staaten berichtet, da diese hier von besondere Relevanz sind. Selbstverständlich werden aber auch Länder wie Brasilien, Japan, die USA oder Indien, etc. geratet. Dem Internetauftritt der Börsen-Zeitung können Sie die Ratings einer Vielzahl von Ländern entnehmen ( http://is.gd/XhNcCS )
a) Können Sie uns erklären, mit welchen privaten Unternehmen, Fonds oder Investmentbanken die Rating-Agenturen verflochten sind?
Die Rating-Agenturen werden bezahlt von den Herausgebern der Anlageprodukte. In diesem Sinne gibt es also durchaus Verflechtungen mit anderen Marktteilnehmern. Das Problem ist aber, dass es letztendlich dem Investor überlassen ist, ob und welchem Rating er glaubt. Ein Rating ist vor allem eine Orientierungshilfe.
b) Wer sind eigentlich die Eigentümer, oder wer profitiert davon, wenn Staaten abgewertet werden?
Eine Zusammenstellung der Eigentümer der Rating-Agenturen finden Sie hier: http://is.gd/jzgT8S
c) Und wer kontrolliert eigentlich die Ratingagenturen?
Die Ratingagenturen werden von den Marktteilnehmern kontrolliert. Das wichtigste Kapital einer Rating-Agentur ist ihre Glaubwürdigkeit. Ist diese nicht vorhanden, hilft es einem Emittenten wenig, ein Rating dieser Agentur einzuholen, da potentielle Investoren es nicht glauben werden. Nur wenn die Rating-Agentur am Markt akzeptiert ist, werden ihre Beurteilungen übernommen und nur dann kann sie Entscheidungen beeinflussen. Jede neue Ratingagentur muss sich diese Akzeptanz erst aufbauen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Volker Wissing, MdB