Frage an Volker Wissing von Timo K. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Dr. Wissing,
die FDP hat bei Gesprächen im Kanzleramt weitgehende Zugeständnisse gemacht hat. Ihre Partei hat einem milliardenschweren Wachstumspaket zugestimmt. Es wird mit einer zweistelligen Milliardensumme gerechnet - bei einer deutschen direkten Staatsverschuldung von über 80 % des BIP (ohne implizierte Schulden). Weiterhin hat Ihre Partei wohl zugestimmt die nunmehr vierte neue Steuer seit Regierunsgbeteiligung (Finanztransaktionsteuer) einzuführen (nach Bankenabgabe, Flugverkehrsabgabe, Abgeltungsteuer usw.). Zurecht hat die FDP diese Steuer bisher abgelehnt. Sie belastet nur Kleinsparer, da das große Kapital sofort auf andere Finanzplätze ausweichen wird.
Werden Sie bei der Abstimmung im Bundestag für diese Dinge und damit die vierte neue Steuer unter FDP-Regierungsbeteiligung stimmen?
Ich gehe davon aus, daß sie zustimmen werden. Ebenso gehe ich davon, daß sie auch dem ESM zustimmen werden. Sollten diese Annahmen falsch sein, sind die folgenden Fragen natürlich gegenstandslos:
Der ESM bläht die bereits entstandenen oder verbürgten Forderungen den Pleiteländern gegenüber auf über €700.000.000.000 auf. Nicht eingerechnet sind TARGET2-Forderungen gleicher Höhe (zusammen also €1.400.000.000.000). Ist es richtig, daß Sie es befürworten, daß unsere Kinder zurecht von Ihnen gezwungen werden, für diese Entscheidung Generationen lang zu büßen (denn sie müssen es bezahlen)? Falls ja, bitte ich um eine Erklärung. Falls nein: Warum stimmen Sie dann dafür?
Finden Sie es richtig, das hochverschuldete Deutschland mit weiteren Milliarden für ein Wachstumspaket zu belasten, obwohl die Geschichte zeigt, daß das Drucken von Geld (diese Maßnahme ist schuldenfinanziert) niemals einer Volkswirtschaft helfen konnte? Finden Sie es richtig, die vierte neue Steuer einzuführen, die (wie von der FDP selbst immer wieder festgestellt) nur Kleinsparer trifft? Falls ja: Warum? Falls nein: Warum stimmen sie dann dafür?
Mit freundlichen Grüßen,
Timo Kleinert
Sehr geehrter Herr Kleinert,
vielen Dank für Ihre Frage vom 24. Juni 2012.
Die FDP hat in den Verhandlungen über den Fiskalpakt durchsetzen können, dass eine Finanztransaktionssteuer nicht zu einer Mehrbelastung für Kleinsparer, die Altersvorsorge oder die Realwirtschaft führen darf. Die Zustimmung der FDP ist damit an klare Bedingungen geknüpft. Nun ist es Aufgabe des Bundesministers der Finanzen einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Forderungen der FDP erfüllt. Da die Befürworter des Finanztransaktionssteuer bislang noch keinen Gesetzentwurf vorgelegt haben, gibt es keine entsprechende Abstimmung im Deutschen Bundestag und damit stellt sich auch nicht die Frage meiner Zustimmung.
Wenn Sie die finanzielle Dimension der Eurostabilisierung kritisieren, dann müssen Sie dieser die Auswirkungen des Scheiterns der Währungsunion gegenüberstellen. Glauben Sie wirklich, dass dies für unser Land geringere Verluste und weniger soziale Auswirkungen hätte? Ich empfehle Ihnen sehr, die aktuelle Ausgabe des Nachrichtenmagazins der Spiegel. Der Zeitung zufolge würde die deutsche Wirtschaft in den beiden ersten Jahren nach einem Auseinanderbrechen um 9,2% schrumpfen, gleichzeitig würde die Zahl der Arbeitslosen um 9,3% auf 3,9 Mio. ansteigen. Das würde zu enormen Haushaltsproblemen führen, die Sozialausgaben würde gigantisch anwachsen, gleichzeitig würden aber die Steuereinnahmen einbrechen. Allein die Deutsche Bank hätte der Credit Suisse zufolge bei einem Auseinanderbrechen der Währungsunion mit einer Kapitallücke von rund 35 Mrd. Euro zu kämpfen. Von dem Abschreibungsbedarf bei der verstaatlichten Bad Bank der Hypo Real Esate, der FMS Wertmanagement, ganz zu schweigen. Der Schuldenschnitt Griechenlands allein hat hier zu Verlusten in Höhe von 9 Mrd. Euro geführt, die letztendlich vom deutschen Steuerzahler, der deutschen Steuerzahlerin getragen werden müssen.
Nur weil Sie die Eurostabilisierung mit konkreten Zahlen belegen können, heißt das noch lange nicht, dass die Gefahren der Eurokrise im Vergleich dazu geringer wären. Und gerade wenn Sie die Target2-Salden als so bedrohlich empfinden, halte Sie es dann nicht für sinnvoll zumindest zu versuchen, das System zu stabilisieren? Wenn Sie den Euro kollabieren lassen, haben Sie jedenfalls keine Chance Verbindlichkeiten der Zentralbanken zu begleichen. Ich glaube nicht, dass es eine wirklich einfache Lösung für die Eurokrise gibt und kann auch Ihrem Schreiben keinen Vorschlag entnehmen, wie Sie diese beenden wollen.
Sie fragen mich, ob ich es befürworte, unsere Kinder Generationen lang büßen zu lassen, für die Eurostabilisierung. Ich weiß nicht, ob unsere Kinder uns nicht vielmehr vorwerfen würden, wenn wir nicht alles versuchen würden, die Gemeinschaftswährung und damit auch unsere Gesellschaft zu stabilisieren. Halten Sie es etwa für vertretbar, massenhaft Arbeitsplätze zu vernichten und das Land schweren sozialen Verwerfungen preiszugeben? Nicht die Eurostabilisierung ist der Abgrund, es ist die Eurokrise.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Volker Wissing, MdB