Frage an Volker Wissing von Robert K. bezüglich Finanzen
Lieber Herr Wissing,
kürzlich äußerten sie sich sehr selbstbewusst zu der geplanten Tobin-steuer. Ich ging also davon aus das sie sich mit Volkswirtschaftlichen Vorgängen auskennen. Nun fand ich hier unter ihren Antworten folgende vom 19.10.2011. Auf die Frage nach der moralischen Rechtfertigung für die gesetzlich festgeschriebene Geldschöpfung durch Privatbanken von Peter Maier am 12.10.2011 antworteten sie:
"....Auch dürfe das Interesse der Banken an einer "Schöpfung von Geld" begrenzt sein, da sie im Krisenfall für die mit dem geschöpften Geld generierten Leistungen gerade stehen müsste. Das heißt aus dem virtuellen Geld würden unter Umständen sehr reale Verluste, welche die Bank nicht auffangen könnte, da sie nicht durch Kapital unterlegt sind. Das heißt, wenn die Bank Geld verleiht, über welches sie nicht verfügt, riskiert sie ihre Existenz...."
Dem letzten Satz stimme ich vollkommen zu. Wenn sie der Geldschöpfung durch Privatbanken jedoch so wenig Bedeutung beimessen muss ich mich nun fragen, wie sie sich erklären das 2008 eine Kreditkrise die Existenz des gesamten globalen Bankensystems bedroht hat? Ich muss mich fragen ob sie überhaupt wissen, dass Geld in unserem Finanzsystem ausschließlich durch Kreditvergabe entsteht? Ihrem Statement aus 2011 zu urteilen wissen sie es nicht. Falls sie sich mittlerweile belesen haben oder den Banker ihres Vertrauens zur Geldschöpfung befragt haben dann habe ich eine letzte rein mathematische Frage an sie:
Überdenken sie ein System in dem Geld nur aus Krediten entsteht, in dem Geld also gleichbedeutend mit der Schuld eines anderen ist, in dem aber zusätzlich Zinsen auf jeden Kredit anfallen, d.h. in dem dauerhaft Zinsen auf alles im Umlauf befindliche (Kredit)Geld anfallen. Glauben sie das ein solches System dauerhaft stabil sein kann?
Ich bin auf ihre Antwort gespannt. Wenn sie gut nachdenken werden sie erkennen warum sie permanent ein Wirtschaftswachstum fordern müssen oder warum die Geldsumme M3 exponentiell anwächst..
Sehr geehrter Herr Kenner,
vielen Dank für Ihre Frage vom 18. Februar 2013.
Die Ursachen der Finanzkrise waren vielfältiger Natur. Zum einen lag es im damaligen Interesse der US-Regierung möglichst vielen amerikanischen Bürgerinnen und Bürger zu einem Eigenheim zu verhelfen. Die amerikanische Notenbank unterstützte diese Politik. Die staatlich angeheizte Nachfrage führte zunächst zu steigenden Preisen auf den Immobilienmärkte, diese wiederum rechtfertigten höhere Hypotheken, was wiederum dazu führte, dass viele Menschen den zu erwartenden Preisanstieg zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Finanzierung machten. Da die Banken über den Verbriefungsmarkt die Möglichkeit sahen, schlechte Risiken einfach weiterzuleiten, legten sie weniger Wert auf eine sorgfältige Bonitätsprüfung und Sicherheiten. Die Ratingagenturen unterstützten die globale Verteilung der Risiken durch ihre positiven Bewertungen der verbrieften Kreditforderungen, was dazu führte dass aus einem ursprünglich amerikanisch angelegten, ein globales Problem werden konnte. Das die marktwirtschaftlichen Mechanismen prinzipiell funktionieren, können Sie daran sehen, dass es sich für die amerikanischen Hypothekenbanken nicht wirklich gelohnt hat, auf eine umfassende Bonitätsprüfung und verlässliche Sicherheiten zu verzichten. Viele amerikanische Hypothekenbanken wurden zerschlagen oder verstaatlicht.
Fehlentwicklungen drohen vor allem dann, wenn der Kreditvergabe keine reale Sicherheit gegenübersteht. Die von Banken eingeforderten Sicherheit begrenzen die Möglichkeiten der Kreditvergabe, da sie den Zusammenhang zwischen Real- und Finanzwirtschaft sicherstellen. Meines Erachtens ist es nicht angemessen, die Geschichte unseres Finanzsystems auf die Finanzkrisen der letzten Jahre zu reduzieren. In eine objektive Bewertung muss auch die lange Phase der Stabilität, des Wachstums und Wohlstands einbezogen werden. Die Regierungen haben weltweit Konsequenzen aus den Finanzkrisen gezogen und Regulierungslücken geschlossen, ich bin daher überzeugt, dass unser Finanzsystem deutlich stabiler und krisenfest ist, als vor der Finanzkrise. Wirtschaftswachstum ist nicht nur Ausdruck eines zunehmenden Wohlstands, es ist vielmehr Ausdruck der Dynamik einer Gesellschaft. Wirtschaftswachstum muss auch nicht unbedingt einhergehen mit einem erhöhten Ressourcenverbrauch, es kann vielmehr auch auf neuen Ideen, Dienstleistungen oder höherwertigen Produkten basieren. Steigende Löhne führen zu höheren Kosten und damit auch höheren Preisen, was sich ebenfalls in einem höheren Wachstum ausdrückt.
Eine Gesellschaft ohne oder mit negativen Wirtschaftswachstum verliert an Dynamik und damit Anpassungsfähigkeit. Da die Verarmung einer Gesellschaft selten bei den Wohlhabenden ansetzt, sondern in aller Regel vor allem bei den weniger Privilegierten, sollten man Forderungen nach einem Wachstumsverzicht eher kritisch sehen. Eine Gesellschaft ohne Wachstum wird ärmer, sie wird auf soziale Leistungen und staatliche Investitionen verzichten müssen. Mir persönlich fällt es schwer, darin eine positive Entwicklung zu sehen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Volker Wissing, MdB