Frage an Wibke Brems bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Wibke Brems steht mit verschränkten Armen vor einem Solarmodul.
Wibke Brems
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Dr. Anke K. •

Frage an Wibke Brems von Dr. Anke K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Wibke Brems,

kurz nach der Kommunalwahl im Mai wird die Zersplitterung der Räte in NRW diskutiert, die eine konstante politische Arbeit erschwere. Das führt aktuell zur Diskussion, ob eine Wiedereinführung einer Sperrklausel von drei Prozent in NRW sinnvoll ist oder nicht.

Leider ist die Diskussion dazu wenig nachvollziehbar, weil kaum Argumente dazu auf dem Tisch liegen.

Wie stehen Sie als MdL zu dieser Sperrklausel, wie werden Sie möglicherweise darüber abstimmen?

Über Ihre Antwort würde ich mich sehr freuen.

Mit vielen Grüßen

Dr. Anke Knopp

Wibke Brems steht mit verschränkten Armen vor einem Solarmodul.
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Dr. Knopp,

danke für Ihre Frage, die ich gerne beantworte.
Als Mitglied im Landtag Nordrhein-Westfalen und als Ratsfrau in Gütersloh bin ich in doppelter Weise von der Diskussion um eine eventuelle Wiedereinführung einer Sperrklausel betroffen. Daher ist mir eine intensive Auseinandersetzung mit den Argumenten für oder gegen eine Sperrklausel sehr wichtig. Im Folgenden möchte ich auf diese Argumente eingehen:
Einerseits bedeutet das Fehlen einer Sperrklausel bei Kommunalwahlen in NRW nach der Aufhebung der 5-Prozent-Hürde im Jahr 1999, dass es kaum noch „verlorene“ Wählerstimmen gibt, da sich fast alle Stimmen in Mandaten niederschlagen. Dies kann eine Belebung der politischen Auseinandersetzung zur Folge haben und als Zugewinn in demokratischem Sinne gewertet werden.

Andererseits lassen die Ergebnisse der Kommunalwahl im letzten Mai in vielen Räten jedoch auch negative Auswirkungen des Nichtvorhandenseins einer Sperrklausel erkennen:
So die von Ihnen schon angeführte Zersplitterung der Räte mit Einzelvertretern und unzähligen Kleinstfraktionen von zwei oder drei Mitgliedern. Dies führt oftmals zu einer deutlich erschwerten Mehrheitsfindung, die nur noch unter Einbeziehung von drei oder mehr Fraktionen möglich ist. Es hat sich gezeigt, dass in manchen Räten die politische Arbeit unter den geschilderten Umständen erheblich erschwert wird. Auch Sie selbst werden diese Erfahrung in Ihrer Zeit als Ratsfrau in Gütersloh gemacht haben.
In Extremfällen werden Sitzungen bspw. von extremistischen Ratsmitgliedern teilweise willkürlich in die Länge gezogen, was ich als Sabotage der Ratsarbeit werte. Hier möchte ich als Beispiel auf die konstituierende Ratssitzung in Duisburg verweisen, die durch einen von ProNRW beantragten Abstimmungsmarathon 14 Stunden dauerte, um 15:00 Uhr begann und erst um kurz nach 5 am nächsten Morgen endete.
In der Konsequenz daraus wird die Vereinbarkeit von Familie und Beruf mit dem Mandat immer schwerer und somit die ehrenamtliche Kommunalpolitik kaum mehr ermöglicht, was letztlich eine Schwächung der Räte bedeutet. Wenn die Mitarbeit in lokalen Parlamenten derart erschwert wird und unattraktiv ist, wird eine wichtige demokratische Instanz gefährdet.
Als sehr negativ empfinde ich, dass die aktuelle Regelung den Einzug von immer mehr (Rechts-)Extremisten in die Räte begünstigt. Diese schließen sich teilweise zusammen und erhalten als Fraktionsgemeinschaften finanzielle Mittel ihrer Kommune für die Geschäftsführung ihrer Fraktion. Aus einer demokratischen Notwendigkeit heraus werden somit antidemokratische Kräfte unterstützt.

Darüber hinaus möchte ich auf eine unglückliche Ungleichgewichtung hinweisen, die sich am Beispiel des Ergebnisses der diesjährigen Kommunalwahl in Gütersloh gut darstellen lässt: Die absoluten Stimmen für CDU, SPD, BfGT (Bürger für Gütersloh) und Grüne schlugen sich relativ einheitlich in ein Mandat je ca. 650 bis 680 Stimmen nieder. Die UWG benötigte jedoch nur 505 Stimmen pro Mandat. Somit ist zwar im aktuellen Wahlrecht so gut wie keine Stimme verschenkt, jedoch erscheint es, als seien manche Wählerstimmen mehr Wert als andere. Das finde ich problematisch.

Die oben genannten Argumente für und gegen eine Sperrklausel gilt es in meinen Augen sehr gründlich abzuwägen. Ich sehe keine Notwendigkeit für eine überhastete Entscheidung und plädiere dafür, mit der aktuellen Situation Erfahrungen zu sammeln, ehe eine Entscheidung für oder gegen eine Verfassungsänderung in Hinblick auf eine Sperrklausel getroffen wird.

Mit freundlichen Grüßen

Wibke Brems

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